Gender ohne Grenzen

Copyright: Pexels/George Desipiris

Die Gleichbehandlung der Geschlechter verläuft nicht nur innerhalb geografischer Grenzen unterschiedlich, sondern auch in sozialen. In Interviews erörtert SUMO die Problematik der Gleichberechtigung von JournalistInnen im internationalen Raum.

Roland Burkart erläutert in seinem Buch „Kommunikationswissenschaft“ zwei verschiedene Modelle, welche die wechselwirkende Dynamik zwischen Gesellschaft und Medien beschreiben. Gemäß der ptolemäischen Perspektive bilden mediale Inhalte gesellschaftliche Werte ab, während gemäß dem kopernikanischen Modell Medien die Gesellschaft weitgehend beeinflussen. Auch die gleichwertige Repräsentation der Geschlechter stellt einen grundlegenden Faktor dar, wenn es um soziale Konstrukte geht.

 

Ungleichbehandlung in der Berichterstattung

Ulrike Weish, Medien- und Kommunikationswissenschaftlerin, Aktivistin und Geschäftsführerin von „Radio Orange 94.0“, erläutert im Interview mit SUMO, dass auch sie die Rolle von Frauen in den Medien problematisch sieht. Sie kämen geringer in der Berichterstattung vor und würden häufig trivialisiert, klischeehaft abgebildet und in verschiedene Stereotype gepresst. Frauen würden oft von einer passiven Konnotationsweise eingeschränkt und als die Nebenakteurin dargestellt. Offensichtlicher seien die Unterschiede bei der Berichterstattung über PolitikerInnen. Denn hier würden Politikerinnen auf ihre Erscheinungsform und ihre vermeintlichen Sympathiewerte reduziert werden, so Weish. Während bei Politikern oft nur das Gesicht abbildet wird und somit ein seriöses und ausdrucksstarkes Bild entsteht, würde bei Politikerinnen häufig der gesamte Körper abgebildet werden, wodurch die Berichterstattung einen dequalifizierenden Aspekt vermittelt („Facism versus Bodyism“).

Im Interview beschreibt auch Flora Alvarado-Dupuy, Mitarbeiterin der Anwaltschaft für Gleichbehandlung im Bundeskanzleramt, die noch deutlich spürbare Unausgewogenheit bei der Behandlung der Geschlechter. Obwohl die Arbeitsbedingungen im Mediensektor nach dem Gleichbehandlungsgesetz zu gestalten ist, gebe es eine Diskrepanz zwischen der idealen und der tatsächlichen Situation. Gerade die Bereiche Medieninhalte und Werbung seien von dem Gleichbehandlungsgesetz jedoch explizit ausgenommen. Daher könnten sexistische Berichterstattung oder Werbung nicht geahndet, sondern nur Beschwerden an den Presse- bzw. Werberat weitergegeben werden.

 

Berufliche Ungleichgewichte

Oft werden geschlechtliche Unterschiede jedoch nicht nur in den Medieninhalten deutlich, sondern auch auf der Seite der Medienschaffenden, in innerbetrieblichen Strukturen und Dynamiken von Medienbetrieben. Eine Studie der „International Woman’s Media Foundation“ in Kooperation mit UNESCO ergab 2011, dass global insgesamt nur ein Drittel der Vollzeitangestellten im Journalismus-Sektor weiblich sind. Ein direkter Vergleich ist jedoch nur schwer möglich, denn vor allem bei der Aufteilung der Ressorts setzt sich die Verteilung der Geschlechter sehr unterschiedlich zusammen. Laut dem Buch „Kommunikationswissenschaftliche Geschlechterforschung. Zur Bedeutung der Frauen in den Massenmedien und im Journalismus“ von Elisabeth Klaus gibt es nach wie vor typische Ressorts, wie Kultur, Erziehung, Gesellschaft und Ratgebernischen, in denen ein höherer Anteil an Journalistinnen vorhanden ist. Während Männer Sport- und Wissenschaftssparten dominieren, ist die Anzahl an Redakteurinnen in Politik und Wirtschaft rasant gestiegen. Jedoch besteht weiterhin eine deutliche horizontale Segregation: Vor allem in Leitungs- und Aufsichtspositionen ist die Anzahl an Frauen im Vergleich zu Männern deutlich geringer. Ein Grund dafür sind soziale Kontakte im Unternehmen und die daraus entstehenden Netzwerke. In Branchen, in denen es keine ausgeglichene Geschlechterquote gibt zeigt es sich, dass es Frauen schwieriger fällt, berufliche Beziehungen zu ihren männlichen Kollegen aufzubauen.

Laut Weish müssten ehemalige Journalistinnen befragt werden, die nicht mehr in diesem Berufsfeld tätig sind, um Erkenntnisse zu gewinnen, die auf die Arbeitsbedingungen und -konflikte hinweisen, die zum beruflichen Ausstieg geführt haben. Der Journalismus ist einer der Branchen mit hoher Fluktuation. Vor allem wenn sich JournalistInnen nicht an die Berufskultur oder Blattlinie anpassen, müsste zwangsweise mit einem Branchenwechsel gerechnet werden. Ein weiteres, aus diesen zwischenmenschlichen Beziehungen resultierendes Problem sei, dass Frauen in Führungspositionen ebenfalls ihre männlichen Kollegen förderten und ihre Einstellungen und Werte teilten, so Weish. Um diesem Kreislauf entgegen zu wirken, wurden international eine Vielzahl an Organisationen gegründet. In Österreich ist beispielsweise der Verein „HeForSheVienna“ aktiv, der zur solidarischen Gleichstellung in Unternehmen und auf staatlicher Ebene aufruft. Auch das „Frauennetzwerk Medien“ setzt sich seit 1999 für Journalistinnen und Frauen in Medienberufen ein und versucht gegen Missstände wie Chancenungleichheit und ungleiche Bezahlung anzukämpfen. In Deutschland setzt sich die Journalistengewerkschaft unter anderem mit Frauenfragen auseinander. Eine der größten und ältesten Initiativen in den USA ist die „Alliance For Woman In Media Foundation“, die seit 1951 durch verschiedene Projekte die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit auf Journalistinnen lenkt.

 

Internationale Branchenverhältnisse

Die Notwendigkeit von derartigen Organisationen und Verbänden wird besonders im internationalen Vergleich der Medienbranche ersichtlich. In Nord- und Südamerika ist zirka ein Fünftel der Führungspositionen von Journalistinnen besetzt. Davon befinden sich weniger als ein Drittel in Top-Management-Positionen. Hingegen zeigt der Studie der „International Women’s Media Foundation“, dass in Ländern wie Ägypten, Jordanien, Libanon und Marokko fast doppelt so viele Männer wie Frauen tätig sind. Vor allem in Asien ist die Medienberufslandschaft größtenteils männlich, das Verhältnis beträgt 4:1. In Nordeuropa hingegen wird die Gleichberechtigung durch strenge Anti-Diskriminierungsgesetze gefördert. Jedoch sind es institutionalisierte Dynamiken und Werte, durch die Männer weiter die Mehrheit an journalistischen Positionen bekleiden. International gesehen besitzen männliche Journalisten vorwiegend fixe Anstellungen, während ihre weiblichen Kollegen als freiberufliche Journalistinnen tätig sind. Auch in Westeuropa ist diese Kluft erheblich, denn durchschnittlich sind 64,1% an Vollzeitstellen von Männern bestellt, die Frauenquote unter Freiberuflichen liegt bei 81%.

Im Zuge der digitalen Globalisierung wurden neue Plattformen und Netzwerke geschaffen, wodurch der länderübergreifende Austausch eine neue Dimension erreicht. Jedoch bleibt die Unterrepräsentation von Journalistinnen weiterhin ein dominierendes Thema im internationalen Raum. Auch wenn sich die geschlechtliche Verteilung in Medienberufen in einem Wandel befindet, schreitet dieser nur langsam voran. Etablierte Traditionen und Diskurse nehmen eine kontraproduktive Position ein und erweisen sich als nachteilig für den Fortschritt des Journalismus und der Gleichstellung innerhalb der Gesellschaft.

 

Von Natascha Schäffer