Newsgames: neue Form der journalistischen Aufbereitung

Copyright: Julia Gerstl & Astrid Schießl

Unter dem Motto „Show, don’t tell“ soll die neue Art des digitalen Storytellings künftig mehr Menschen über komplexe Nachrichtenthemen informieren. Zu bezweifeln ist, ob sich die hohen Entwicklungs- und Produktionskosten von Newsgames mit einem Markterfolg rechtfertigen lassen. Der große Durchbruch von Newsgames blieb bislang aus.

Newsgames sind eine Kombination aus Online-Spiel und Journalismus und setzen auf den Effekt des „heimlichen Lernens“ der Nutzer. Spezielle Themen, die längere Zeit aktuell und in den klassischen Medien präsent sind, werden in Form eines Games aufbereitet. Das Ziel ist, durch einen spielerischen Zugang mehr Menschen an Nachrichten heranzuführen und komplexe Sachverhalte interessant aufzubereiten. Newsgames nutzen die Möglichkeiten der Online-Welt und lassen den Journalismus in neuer Form erscheinen, indem auf ein voreingestelltes Involvement der User gesetzt wird. Newsgames Teil des „immersive journalism“ – der User selbst wird Teil der Story.

„Fiscal Puzzle“, „PRISM“ und „Endgame: Syria“
Die „New York Times“ nimmt in diesem Bereich eine Vorreiterrolle ein, beispielsweise mit dem Spiel „Fiscal Puzzle“. Hier arbeiten Redakteure eng mit Programmierern zusammen.
Der deutsche Journalist Marcus Bösch, der bereits selbst das Newsgame „PRISM“ entwickelt und ein eigenes Game Studio gegründet hat, prognostiziert den Durchbruch von Newsgames im Journalismus des 21. Jahrhunderts, begründet dadurch, dass es keine glorreiche Zukunft des Journalismus ist, aber eine potentielle Spielart. Ebenso finden Games vor allem bei der jüngeren digital-affinen Generation immer größeren Anklang und seit den Nullerjahren sieht er den Anstieg im Interesse, wodurch er positiv für die Zukunft gestimmt ist.

Ein weiteres sehr bekanntes Beispiel für ein Newsgame lautet „Endgame: Syria“. In diesem Game taucht der User in den Bürgerkrieg in Syrien ein und der Spieler nimmt die Rolle eines syrischen Rebellenführers ein. Die Hintergründe des Spiels sind jedoch wahre Begebenheiten, diese mussten – so wie beispielsweise auch für Printartikel – vorab gründlich recherchiert und übergeprüft werden. Die Recherche und der Fakten-Check haben also nicht nur bei den klassischen journalistischen Darstellungsformen oberste Priorität. Allerdings steht bei „Endgame: Syria“ das Spielen – so wie bei unzählig anderen Computerspiele – im Vordergrund, denn dieses Game ist fernab von Journalismus.
Die Vermittlung der Informationen scheint aber bei Newsgames eine komplett andere zu sein, sie scheint viel erfahrbarer und subtiler – so der Deutsche Simon Sturm.

Fragwürdig ist jedoch, ob diese neue Form des digitalen Storytellings tatsächlich einen journalistischen Mehrwert, beziehungsweise neue Erkenntnisse für das Publikum bietet, oder ob sie bloß ein nettes Gadget darstellt oder gar abstoßend wirkt. Derzeit kämpft das Format Newsgames noch mit der Annahme durch das Publikum. Allerdings wird Potential dahinter vermutet: die Dimension des Lernens scheint eine komplett andere zu sein. Es ergibt einen Unterschied, ob ein journalistischer Artikel gelesen und verarbeitet wird, oder ob der Leser sich als Akteur aktiv in die Situation hineinversetzen und sich durch das Spiel auch imaginär an Konfliktlösung beteiligen kann.
Beispielsweise wäre ein in Österreich zu programmierendes Newsgame zur Causa Hypo interessant gewesen, wodurch Leser einer Tageszeitung parallel dazu auch ein Newsgame spielen. Das Spiel würde in diesem Fall dazu dienen, eine Fülle an Hintergrundinformationen und interessanten Details, die in einer Zeitung nicht Platz gefunden haben oder zu sehr fachbezogen und somit nicht für die Leserschaft der Zeitung geeignet sind, zu präsentieren. Hierbei kommt das Motto „Show, don’t tell“ zum Vorschein – Nachrichten sollen also nicht nur bloß in Worten und Bilder transportiert werden, sondern es soll versucht werden, mit Hilfe von interaktiven Elementen ein besseres Verständnis für die gezeigte Thematik zu entwickeln und Emotionen bei den Usern auszulösen.
Weitere Thematiken, die sich für ein Newsgame eignen würden, wären beispielsweise die politischen und kulturellen Hintergründe der Flüchtlingsproblematik, die Panama Papers sowie sportliche Großereignisse wie Weltmeisterschaften oder Olympische Spiele.

Vorteile gegenüber klassischem Journalismus
Journalismus hat eine wichtige demokratiepolitische Funktion. Das bedeutet im Umkehrschluss, dass von Seiten einer Redaktion mit Informationen und deren Verbreitung sorgfältig umgegangen werden sollte. Dies gelingt jedoch nicht immer optimal, da viele Ereignisse schlicht und einfach zu vernetzt und komplex sind, um diese in kurzen und einfach gehaltenen journalistischen Beiträgen dem Publikum ausführlich und verständlich zu erklären. Hier können Newsgames zur Erhöhung der Orientierungsleistung eingesetzt werden. Über grafische und interaktive Elemente werden komplexe Sachverhalte einfacher sowie verständlicher für die User dargestellt und schneller vermittelt.

Von Bedeutung ist – wie auch bei herkömmlichen Spielen – der Unterhaltungsfaktor. Jeder Nutzer, der auf ein Spiel klickt, erwartet sich davon, Kurzweil zu erleben. Newsgames greifen diesen Grundgedanken auf, zwar steht im Vordergrund die Informationsvermittlung, jedoch soll dies auf leicht verdauliche Art und Weise geschehen. Angesprochen werden mit dieser Form des Journalismus vermutlich vorrangig junge Menschen, da diese seit ihrer Kindheit damit vertraut sind, sich in der Online-Welt zu informieren.

Den wichtigsten Unterschied gegenüber der Rezeption von klassischem Journalismus wie Zeitungen, TV, Hörfunk etc. stellt der Interaktivitätsfaktor dar. Im Gegensatz zur passiven Rezeption von Inhalten werden die Nutzer beim Spielen selbst aktiv und beschäftigen sich intensiver mit gezeigten Inhalten, da auf Basis dessen Fragen beantwortet oder auch Entscheidungen getroffen werden müssen. Solche Entscheidungen können beispielweise sein, welchen Ort man als nächstes besucht oder welche Interviews man als nächstes ansehen möchte. Durch diese Einbeziehung werden Inhalte stärker wahrgenommen und könnten so noch besser in Erinnerung bleiben.

Traditionellerweise werden Newsgames noch rein über den Browser gespielt. Allerdings könnten sie schon in naher Zukunft ein wichtiger Weg werden, um Virtual Reality mit dem Journalismus zu verbinden. User könnten dann die Nachrichten wirklich mit allen Sinnen erleben.
Genauso wie andere Bereiche in der Online-Welt können auch Newsgames Gebrauch von aggregierten Daten in Form von Datensätzen machen. Die daraus entstehende Art der Berichterstattung nennt sich Datenjournalismus und zielt darauf ab, im Kollektiv gesammelte Daten einfach aufzubereiten und in eine Story zu verpacken. Newsgames sind also eine datenjournalistische Erzählform und setzten auf das Prinzip von Gamification, also auf die Einbindung von spielerische Elemente in einer eigentlich spielfremden Umgebung und die damit verbundene Steigerung des Involvements des Publikums.

Hoher Aufwand hinter Newsgames
Newsgames können also Vorteile haben, die klassische Journalismusformen nicht bedienen. Nun wirft sich die Frage auf, weshalb ein messbarer Durchbruch für diese neue Form der Berichterstattung bislang recht rar ausgefallen ist. Ein Faktor stellt dabei der immens hohe finanzielle Aufwand dar, der hinter der Produktion eines solchen Newsgames steckt. Auch entspricht die Produktionsgeschwindigkeit nicht den Anforderungen an tages- oder wochenaktuellen Journalismus.
Demnach ist das Fundament eines erfolgreichen Newsgames, ein adäquates Thema auszuwählen. Wie anfangs bereits angeführt, eignen sich besonders komplexe Sachverhalte, die über einen längeren Zeitraum Gültigkeit haben und im Interesse der Öffentlichkeit stehen.
Selbst bei längerfristigen Themen muss jedoch von den jeweiligen Entscheidern der Medienunternehmen sorgfältig abgewogen werden, ob sich die Produktionskosten bzw. der notwendige Aufwand für ein Newsgames im Vergleich zum Nutzen am Ende des Tages tatsächlich rechtfertigen.
Hierbei ist auch zu bedenken, dass Newsgames für die Werbewirtschaft ein begehrtes Tool darstellen, da die durchschnittliche Usertime durch das Spielen eines Newsgames auf der Webseite des jeweiligen Medienunternehmens zunimmt. Infolgedessen wird die Webseite für Werbungtreibende attraktiver, wodurch diese möglicherweise ihre Werbeeinschaltungen vermehrt dort platzieren werden.

Newsgames als Ergänzung klassischer journalistischer Formen
Damit Newsgames nicht nur wie ein „unglücklicher Versuch“ einer Implementierung einer neuen Art des Journalismus wirken, ist sehr viel Know-How in verschiedenen Teilbereichen erforderlich. Professionalität und hochwertige Qualität der Inhalte sind die wichtigsten Aspekte erfolgreicher Newsgames. Es werden sowohl die klassischen Journalisten gebraucht, als auch Game Designer und Programmierer, die das Spiel letztendlich umsetzen. Bei der Erstellung der ersten Newsgames wurde noch ein großer Fehler begangen: Bestehende journalistische Inhalte wurden einem Spieleentwickler übergeben, der daraus ein Newsgame „basteln“ sollte. Dies war nur mit mäßigem Erfolg gekrönt, da Journalisten und Spieleentwickler eng zusammenarbeiten sollten. Folglich ist es enorm wichtig, dass von Anfang an alle an dem Projekt beteiligten Personen mit in das Boot geholt werden und gemeinsam zum Erfolg kommen – denn wie eben erwähnt, ist separates Arbeiten von Journalisten und Game-Produzenten nur wenig erfolgsversprechend. Hierbei ist es von Bedeutung, sich klar zu machen, dass alle am Projekt Beteiligten ganz unterschiedlich ticken. Demnach muss man eine gemeinsame „Sprache“ gefunden werden, mit der kommuniziert werden kann. Hierfür müssen alle Projektmitglieder zumindest Grundkenntnisse in den Bereichen der anderen aufweisen können.

Kleine Game-Studios hätten zwar das Know-How, jedoch fehlt es ihnen an Geld, um aufwändige Spiele umsetzen zu können. Jedoch setzen sich immer mehr traditionelle Medienunternehmen mit Newsgames auseinander und versuchen in Verbindung mit Game-Studios das Genre voranzutreiben. „Buzzfeed“ beispielsweise versucht ihre junge Zielgruppe durch Newsgames zu erreichen und hat hierfür sogar ein eigenes Studio eingerichtet, innerhalb des Unternehmens. Weitere wichtige Partner beziehungsweise Auftraggeber für diese neue Art des Journalismus sind NGO´s, Museen oder vereinzelt kommerzielle Unternehmen.

Nicht alle Themen eignen sich für die Produktion eines Newsgames gleichermaßen, da die Aktualität einen limitierenden Faktor darstellt. Newsgames können den klassischen Journalismus keinesfalls ersetzen, sie sind nur eine Bereicherung und praktische Begleiterscheinung. Es werden also bestehende journalistische Inhalte mit Hilfe von Newsgames einerseits vereinfacht und spielerisch dargestellt und auf der anderen Seite werden Inhalte durch detaillierter Informationen sinnvoll ergänzt.
Daraus resultiert, dass Newsgames eine immer wichtigere Rolle bei der Vermittlung länger diskutierten Themen einnehmen und eine neue journalistische Darstellungsform bieten, allerdings nicht für tagesaktuelle Berichterstattung taugen.

Über die Autorinnen

Julia Gerstl ist Studentin des Bachelorstudienganges Medienmanagement an der Fachhochschule St. Pölten in Österreich. Zuvor hat sie die Handelsakademie in St. Pölten mit dem Schwerpunkt Digital Business abgeschlossen. Ihr besonderes Interesse gilt den digitalen Medien und der Startup-Branche. In ihrer Freizeit powert sie sich beim Fußballspielen aus und liebt es zu reisen.

Astrid Schießl studiert Medienmanagement an der Fachhochschule St. Pölten. Dort vertieft sie sich unter anderem im Bereich Online, Content Management sowie Marketing für Medienunternehmen. Zuvor schloss sie ihre wirtschaftliche Ausbildung an der Handelsakademie in St. Pölten ab, wo sie den Schwerpunkt Digital Business wählte. Neben dem Studium arbeitet sie auf geringfügiger Basis im Sportfachhandel und absolviert immer wieder Praktika in der Medienbranche.

Artikel verfasst im Sommersemester 2016.