Publizistik 2.0

Der Tod klassischer Medien wird seit Jahrzehnten proklamiert. Florian Asamer, Chef vom Dienst der Tageszeitung „Die Presse“, Thomas Golser, News-Ressortleiter der „Kleinen Zeitung“ Steiermark sowie Ingrid Altermann, Redakteurin der „Kronen Zeitung“, beziehen Stellung.

Die Zahl arbeitsloser JournalistInnen ist verhältnismäßig überproportional stark gestiegen im Vergleich zur Gesamtzahl an Arbeitslosen, so eine AMS-Studie. Weiters sind JournalistInnen im Schnitt für einen längeren Zeitraum ohne Arbeit als Personen in anderen Branchen. Doch wie positionieren sich Zeitungshäuser, wie sieht die moderne Anstellung als JournalistIn aus?

Anstellung mit geringem Risiko

Florian Asamer meint hierzu: „Der Kollektivvertrag in Österreich beeinflusst das Angestelltenverhältnis in vielen Medienhäusern enorm. Früher waren JournalistInnen nicht selten auf Basis freier Dienstverträge beschäftigt, heute zwingt der Kollektivvertrag oftmals auf Fixanstellungen.“ Laut AMS liegt das Einstiegsgehalt für studierte junge „klassische“ VollzeitjournalistInnen zwischen 1960€ und 2180€ brutto.

Jedoch mischen heute viele neue Player mit hybriden Geschäftsmodellen am Markt mit, die attraktive Werbeflächen anbieten.

Neue Kanäle – neue Möglichkeiten

Neue Medien entwickelten neue Geschäftsmodelle. So brachte das US-amerikanische Videoportal „YouTube“ jungen Menschen die Möglichkeit, sich selbst mittels Video gezielt in Szene zu setzen und im Laufe der Zeit über ein allfällig großes Publikum zu verfügen. Dadurch entstand der Beruf der „YouTuberInnen“, die teils beträchtliche Einnahmen lukrieren – obwohl der Konzern dahinter das Meiste behält. Auch mittels Online-Blogs, auf denen diverse Meinungen Ausdruck finden, schaffen es immer mehr Leute, bekannt zu werden und ihren Content viral zu publizieren. Dies sind nur zwei Beispiele neuer Medien, die Medienlandsysteme maßgeblich mitgestalten.

Durch die Präsenz medialer Konvergenz wird speziell jungen Menschen die Möglichkeit geboten, ihre Kompetenzen bezüglich dem Medienverständnis unabhängig zu entwickeln.

Weiterbestehen durch Konvergenz

Wie bereits Riepl niederschrieb, gibt sich auch Asamer zuversichtlich, dass neue Medien alte nicht gänzlich verdrängen werden.  Die Medienhäuser, die im Web 2.0 agieren wollen, haben sich in Zukunft mit nutzerInnenfreundlichen, übersichtlich aufgebauten und somit adäquaten Online-Auftritten in neuen Medien zu beschäftigen, um weiterhin als aktiv wahrgenommen zu werden. Thomas Golser, Chronik-Ressortleiter der „Kleinen Zeitung“ Steiermark, ist derselben Auffassung: „Zeitungen, die heute neben dem umfassenden eigenen Nachrichtenangebot keinen betreuten ‚Facebook-‚ oder ‚Twitter’-Auftritt anbieten, werden als veraltet angesehen.“ Er fügt hinzu, dass Zeitungen ihren Social Media-Auftritt oftmals als zusätzliche Nebeninformationsquelle, nicht jedoch als primäre Nachrichtenquelle konzipieren. Schließlich soll – und wird –  die Zeitung an sich attraktiv bleiben.

Asamer betont, dass meist keine AbsolventInnen einer Publizistik-ausgerichteten Hochschule von Redaktionen gezielt gesucht werden, da diese zwar im Gebiet des Publizierens an sich belesen sind, sich jedoch in keine Ressortrichtung vertieft haben. Immer mehr Medienhäuser stellen speziell ExpertInnen aus verschiedensten Fachbereichen wie beispielweise der Medizin oder der Rechtsbranche ein, Freelancer, die einst Publizistik studierten, haben es hierdurch nicht leichter. Im Laufe der Arbeit im Medienhaus kristallisiere sich heraus, wer seine fachspezifischen Kenntnisse am besten auf publizistischem Weg verwirklichen könne. „Ich kann keine Fachunkundige/n über die ‚Panama Papers-Affäre’ recherchieren lassen, wenn sie oder er nicht einmal weiß, worauf zu achten ist. Das journalistische Fachwissen eignen sich neue JournalistInnen im Laufe der Praxis mittels Learning by doing an“, so Asamer. Aber stellt sich nicht spätestens hier die Frage: Warum heute noch Publizistik studieren?

Online-Vertrieb. Aber wie?

Für Asamer handelt es sich bei der Einführung von zu bezahlendem Online-Content um eine Frage der Zeit. Er ist davon überzeugt, dass sich der Paid-Online-Content langfristig durchsetzen wird, wenn ihm RezipientInnen angemessenes, durch Marketing erzielbares Interesse schenken. Schließlich ist es die mediale Konvergenz, die Medienhäuser – oftmals gezwungenermaßen – dazu bewegt, sich Web 2.0-Modellen anzunehmen. „Im Endeffekt wird sich der kostenpflichtige Online-Content auf lange Zeit durchsetzen. Es ist wie bei den Kurzparkzonen: Hier wurde es auch zur Selbstverständlichkeit, dafür zu zahlen“, betont Asamer.

Geschäftsmodell freie DienstnehmerInnen

Ingrid Altermann, Verfasserin von Reportagen und Reisejournalistin bei der Sonntagsbeilage der „Kronen Zeitung“ („Krone Bunt“), erläutert: „Ich selbst bin als Pauschalstin angestellt, ich kann arbeiten, wann und wo ich will, bekomme mein monatliches Gehalt. Bei freien DienstnehmerInnen erfolgt die Vergütung jedoch anders.“ Sie weist hierbei auf die Situation derer hin, die auf Basis von verfassten Seiten bezahlt werden. Für pauschalisierte Seitensätze schreiben AutorInnen Artikel, die aufgrund ihrer Fachrichtung oftmals nur fallweise beauftragt werden.

Journalismus der Zukunft

Die letzten Jahre brachten dem Journalismus mehr neue Vertriebsformen als je zuvor. Aber wie sieht Journalismus morgen aus? Wie groß wird der Teil der Leserschaft sein, die auf lange Sicht den kurzen, oftmals knackigeren, jedoch weniger aussagekräftigeren Online-Content präferiert? So manches große Blatt baut auf kürzere, kompakte Artikel und setzt somit viele JournalistInnen frei, weil es dadurch weniger Arbeit gibt und sie nicht mehr gebraucht werden. Dem Online-Bereich wird zusehends mehr Aufmerksamkeit gewidmet, bereits jede/r fünfte JournalistIn beschäftigt sich ausschließlich mit viralem Content. Aber ist wirklich gut so?

 

Bildquelle: energepic.com