Sendezeit für Frauenpolitik

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Bei genauerer Betrachtung des Themenspektrums der ZIB-Beiträge fällt auf, dass frauenpolitische Themen extrem marginal behandelt werden. 

 

Die „Zeit im Bild“ ist das bekannteste Nachrichtenformat in Österreich. Mit durchschnittlich 1 Million ZuseherInnen um 19:30 und im Schnitt 500.000 ZuseherInnen bei der ZIB2, ist das Format eines der quotenstärksten. Demnach hat die ZIB einen nicht zu unterschätzenden Einfluss auf die Meinungsbildung der ÖsterreicherInnen. Bei genauerer Betrachtung der Inhalte der ZIB fällt jedoch auf, dass Frauenpolitik selten bis beinahe gar keine Plattform geboten wird. Inhaltlich kommen frauenpolitische Themen insgesamt unter 30 Minuten – über das gesamte Jahr – in beiden Formaten vor. Dabei übernimmt das „Kopftuch- und Burkaverbot“ die eindeutige Themenführerschaft. Berichte über „Vaterkarenz“ oder „Frauen am Arbeitsmarkt“ befinden sich sogar unter der 1-Minute-Marke an Sendezeit. Jedoch ist anzumerken, dass dennoch positive Veränderungen im Vergleich zu den Vorjahren zu beobachten sind. Um die drastischen Unterschiede im Umfang der Berichterstattung zu veranschaulichen, hier ein Vergleichsbeispiel: Im Jahr 2017 wurde frauenpolitischen Themen 25 Minuten und 49 Sekunden Gesamtsendezeit in beiden Formaten eingeräumt. Im Vergleich dazu wurden 1 Stunde und 9 Minuten Beiträge zum Thema Terrorprävention und Sicherheit ausgestrahlt und 3 Stunden 34 Minuten über Partei-Personalia. Dies hängt freilich auch mit der Relevanz und der Aktualität der jeweiligen Themenpools zusammen, jedoch muss Bewusstsein dafür geschaffen werden, dass Themen mit unter einer Minute Sendezeit im Jahr von der breiten Öffentlichkeit nicht wahrgenommen werden und untergehen.

 

Wie relevant ist Relevanz?

Jetzt könnte man meinen, dass es einfach zu wenige frauenpolitisch relevante Themen gebe, genauso wie in anderen Bereichen gewisse Nischen nicht mit Beiträgen bedient werden. Wenn jedoch reichweitenstarke Medien überwiegend den Themen Sendeplatz einräumen, die am stärksten polarisieren, ist dies aus JournalistInnensicht bedenklich. Nicht außer Acht zu lassen ist hierbei nämlich der Aspekt der Medienwirkung. Je weniger Beiträge zu frauenpolitischen Themen ausgestrahlt werden, desto weniger Bewusstsein wird für diese Themen in Zukunft geschaffen. Und schlussendlich werden sie weiterhin bei den Berichterstattungen zu kurz gehalten oder gänzlich ausgespart. Durch eine breitere mediale Aufmerksamkeit von frauenpolitischen Beiträgen kann ihnen somit mehr Gewicht und Sichtbarkeit verschafft werden.
Auch bezüglich der Studiogäste lässt sich feststellen, dass des Öfteren Männer als Studiogäste zu sehen sind, vor allem bei Diskussionen im politischen Kontext.

Wie erwähnt, gibt es auch bei frauenpolitischer Berichterstattung gewisse Themenführer wie „Burkaverbot“ oder „Lohngerechtigkeit“. Auch gewisse „Hypes“ wie #MeToo oder Berichte rund um den alljährlichen Weltfrauentag, finden – über kurze Zeit – hohen Anklang. Bei der Berichterstattung über den Weltfrauentag zog diese auch andere frauenpolitische Themen wieder mit in den Vordergrund. Hierbei sollte jedoch vermehrt auf die Nachhaltigkeit gesetzt werden.

 

Was sagt der ORF dazu?

SUMO bat Konrad Mitschka, Redakteur im Public-Value-Kompetenzzentrum, Autor des alljährlichen Public Value-Berichts und Ersatzmitgleid der Gleichstellungskommission des ORF, zum Gespräch. Beim ORF gebe es keine Themenquote, führte er aus, und verwies auf die öffentlichen Programmrichtlinien. Diesen zufolge sei eine der Verpflichtungen des ORF die Ausgewogenheit der Berichterstattung. Derzeit werden einige Stabstellen, Sender oder Hauptabteilungen bereits von Frauen geleitet, wie zum Beispiel „ORFeins“, „3sat“ oder „Radio Wien“, doch lasse dies nicht den Schluss zu, dass jene Stellen quasi automatisch sensibilisiert(er) gegenüber frauenpolitischen Themen seien. „Sensitivität hängt nicht vom Geschlecht ab, sondern von der Gelegenheit zur Reflexion“, ergänzt Mitschka. Auch bezüglich Gästeeinladungspolitik gebe es keine spezielle Richtlinie im Sinn einer Verpflichtung zu einer Quote, gleichzeitig strebten Redaktionen ein ausgeglichenes Verhältnis männlicher und weiblicher DiskutantInnen in Diskussionssendungen an. Jedoch seien hier vor allem gesellschaftliche Fakten zu beachten: Die meisten Spitzenpositionen seien männlich besetzt. „Hier wären Geschlechterquoten wie in Norwegen erstrebenswert, wo 50% der Spitzenpositionen von Frauen besetzt sein müssen“, ergänzt Mitschka. Um der Ausgeglichenheit eine zusätzliche Gewichtung zu verleihen, gibt es seit geraumer Zeit eine ORF Expertinnen-Datenbank, in der ausschließlich Expertinnen zu einem breiten Spektrum an Themen aufgelistet sind, um es den Redaktionen einfacher zu machen, auch vermehrt auf Frauen in ExpertInnengesprächen zurückgreifen zu können. Positiv anzumerken ist zudem auch, dass der öffentlich-rechtliche Rundfunk in Österreich – im Vergleich mit anderen Ländern – ein Paradebeispiel in Sachen Gleichstellung darstellt. In den allgemeinen Programmrichtlinien verpflichten sich alle MitarbeiterInnen zur geschlechtssensiblen Sprache, es gibt von der Rechtschreibkommission des ORF eigens entwickelte Vorschriften für diverse Formulierungen. Auch der Gender-Pay-Gap liegt mit 14% um 10% unter dem Durchschnitt. Alleine im Jahr 2018 finden sich im Archiv über 260 Treffer zum Thema Gendern. Des Weiteren gab es Themenschwerpunkte zum Thema Frauen und Frauenpolitik; 2019 sei einer zu „100 Jahre Frauenwahlrecht“ geplant. Auch interne Frauenförderungsprogramme sollen aktiv zur Ausgeglichenheit beitragen.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass beim ORF – vor allem in Bezug auf die Berichterstattung in der ZIB – noch Defizite aufscheinen, die jedoch auch auf gesellschaftliche Fehlentwicklungen zurückzuführen sind. „Natürlich kann ich nicht ausschließen, dass Frauen in gewissen Sendungen seltener vorkommen. Hierbei müssen wir uns dann die Frage stellen, ob dies an der Wirklichkeit liegt oder an anderen Gründen – und dann wird dem auch nachgegangen. Für bestimmte Themen gibt es vielleicht in manchen Redaktionen kein Bewusstsein, dann liegt es an uns, dem nachzugehen“, nimmt Mitschka dazu abschließend Stellung. Hierbei liegt es vor allem an den nachkommenden Generationen, diesen Defiziten sowohl gesellschaftlich als auch im Rahmen des öffentlich-rechtlichen Rundfunks entgegenzuwirken.

Von Lara Hubmann