Sind Trolls ein reines Männerphänomen?

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SUMO wirft einen Blick hinter das Fake-Profil und analysiert mit dem Medien- und Kommunikationswissenschaftler Dr. Johannes Breuer die Rolle des Geschlechts, Beweggründe und Verhaltensweisen sowie zukünftige Entwicklungen.

„Trolls“ – häufig hinter Fake-Profilen versteckte Streitsuchende – säen in jedem noch so kleinen Dialog auf Social Media-Plattformen oder in Foren Zwietracht und vergiften dadurch jede verständigungsorientierte Kommunikation. Doch wer sind Trolle eigentlich und sind sie tatsächlich vorwiegend männlich?

Definition „Trolling“

Ein Troll ist eine Person, die online in Foren versucht, Dialoge zu bestimmten Themen zu sabotieren oder auch rein die GesprächspartnerInnen zu provozieren. Dies geschieht mit bewussten Motiven: um sich zu profilieren, um den GesprächspartnerInnen zu schaden, oder um diese in die Ecke zu drängen.

Trolling hat es schon immer gegeben, nur weniger sichtbar, nicht anonymisiert und unter einem anderen Terminus.Auf – großteils nur von Männern besuchten – Stammtischen und in öffentlichen Diskussionsrunden sorgten sie schon immer für Konfrontationen und Streit, durch das Internet erst wurde der Zugang zu einem größeren Publikum geschaffen.

Wer steckt dahinter?

Aufgrund der geringen Anzahl an repräsentativen Studien über Online-Trolle ist ein Profil dieser herausfordernd. Das hängt auch mit der gesellschaftlichen Akzeptanz und dem Nicht-Preisgeben-Wollen persönlicher als negativ eingeschätzter Neigungen bei Umfragen zusammen. Ist ein bestimmtes Persönlichkeitsmerkmal sozial nicht erwünscht, wird dieses entweder nur wenig oder schlichtweg nicht preisgegeben.

Laut Dr. Johannes Breuer, der sich vor allem auf den Gaming-Bereich spezialisiert hat, könne man einen deutlich männlichen Überhang bei den Trollen feststellen, obwohl das Alter und Geschlecht der Trolle grundsätzlich immer vom jeweiligen Themenbereich abhänge. Einerseits können es Menschen mit einem starken Interesse und einer hohen Themenexpertise aufgrund quantitativer Auseinandersetzung zu einem bestimmten Thema sein, andererseits gebe es auch reine Streitsuche ohne Themenbezug.

Im Hinblick auf das Geschlechterthema glaubt Yassin Musharbash auf Grundlage der Selbstangaben, die ihm und seinen KollegInnen bekannt sind, dass die meisten Trolle männlich sind. Allerdings gebe es auch Aktivistinnen, die regelmäßig auf „Twitter“ für Attacken sorgen und so den Frauenanteil erhöhen würden.

Beweggründe

Trolling kann viele Motive haben. Grundsätzlich spricht man von einem erhöhten Aufmerksamkeitsbedürfnis, geringem Selbstwert, oder dem Spaß daran, andere zu denunzieren und dem Suchen nach einem Ventil für negative Erfahrungen im alltäglichem Leben, also offline.

Breuer berichtet von Fällen, die einer gewissen Mission folgen, wobei sie die TeilnehmerInnen in einem Forum von ihrer Ansicht zu einem bestimmten Thema zu überzeugen versuchen. „Auch ein Mangel an sozialer Interaktion und das Fehlen des Gegenübers könne dazu führen, dies im Internet über Trolling kompensieren zu wollen.“ Er gibt dem zwei Gründe: Den Mangel an sozialen Kontakten im echten Leben und dem unzureichenden Erfahren von Selbstwirksamkeit in anderen Lebensbereichen, da man nur online mit vergleichsweise wenig Aufwand so viele und teilweise extreme Reaktionen hervorrufen kann.

Die Verletzung des eigenen Selbstbildes, Irritation und eine Art Kontrollverlust sieht Musharbash als Grund für die Hasskommentare, die er als Reaktion auf seine Artikel als Kommentar oder per E-Mail erhält. „Da kommen jetzt Leute, deren Name ich nicht verstehe und erklären mir die Welt, die ich sowieso nicht verstehe“, erläutert er deren Sichtweise.

Die Problematik beim Trollen kann auch die fehlende Selbstreflektion und dadurch das Nicht-Erkennen des eigentlichen Problems dahinter sein, das sich oftmals im Narzissmus der Täter begründet. Das bedeutet, dass der Troll so von sich selbst überzeugt ist und an seiner Handlung kein Fehlverhalten erkennen kann.All diese Ausprägungen wurden bei einer Studie von Wissenschaftlerinnen der Londoner Universitäten Goldsmiths und Brunel („Are sex differences in antisocial and prosocial Facebook use explained by narcissism and relational self-construal?“ von Nelli Ferenczi, Tara C. Marshall und Kathrine Bejanyan) vorwiegend bei männlichen Befragten angetroffen und untermauern die bereits aufgestellte These eindeutig. Trolls sind vorwiegend männlich.

Begründen kann man dies mit dem Leistungsdruck der Gesellschaft, der häufig Männern eher auferlegt wird. Kann die gewünschte Bestleistung nicht erbracht werden, oder allgemeiner: gelingt ein gewisses Gesellschafts-Soll nicht, kann Trolling als Puffer eingesetzt werden.

Opfer der Trolle

Yassin Musharbash hat jordanische und deutsche Wurzeln, was zu vielen Kontroversen seiner Leserschaft zu führen scheint. Er erzählt im SUMO-Interview über Hassnachrichten mit Spitzenwerten von bis zu 900 innerhalb von zwei Stunden zu seiner Zeit als Online-Redakteur, die hauptsächlich aus Beschimpfungen und nur sehr wenig konstruktiver Kritik bestanden haben. „Wenn man einen Kommentar schreibt und 900 Leserbriefe bekommt, in denen man 800 Mal beschimpft wird, fängt man auch an zu zweifeln und hinterfragt sich. Wenn man alleine am Rechner sitzt und so viele Zuschriften bekommt, ist das natürlich unschön.“ Aufgrund seines Jobwechsels zur Printausgabe der „ZEIT“ seien die Zahlen deutlich gesunken, da für die Trolle keine Möglichkeit ihrer Tätigkeit online nachzugehen mehr bestehe. Allerdings komme es nun vermehrt zu elaborierten Briefen und im äußersten Fall sogar zu Morddrohungen und Bedrohungen der eigenen Familie, wobei hier eine Verständigung der Polizei unabdinglich sei, wie Musharbash den Fall einer Kollegin beschreibt.

Viele große Zeitungen, aber auch Social Media-Plattformen filtern durch Community Manager ihre Diskussionsforen, die durch ihre Expertise und mit verschiedensten Herangehensweisen (etwa Algorithmen) die Trolle in ihre Schranken weisen sollen.
Zur Not kann die Kommentarfunktion zu ausgewählten Themen auch deaktiviert werden und somit wird den Trollen ihre Grundlage entzogen, was allerdings auch den Diskurs allgemein mindert bzw. im konkreten Fall beendet. Eine Alternative stelle das Antworten auf Troll-Kommentare mit schlagfertigen Antworten dar, was im besten Fall dazu führt, dass sich diese nicht weiter ernstgenommen fühlen und die Tätigkeit einstellen, so Musharbash.

 

Geeignete und effektive Prävention? – Do not feed the trolls.

Dr. Johannes Breuer rät grundsätzlich von dem Entgegnen auf der emotionalen Ebene ab, da dies zu verhärteten Fronten führen könne und schlägt stattdessen vor, sich mit logischen Inkonsistenzen, Argumentationsstrukturen, Denkmustern und allgemein der rhetorischen Logik auseinander zu setzen und die Trolle schlichtweg anhand der Haltbarkeit derer Argumente zu überführen und somit die Angriffsfläche zu nehmen. Doch dies sei nicht immer die richtige Strategie. Trolle haben eben genau aufgrund ihrer Handlungen viel Erfahrung mit schlagfertigen Antworten und somit könne auch das bloße Missachten des Kommentars, also „Do not feed the trolls“ große Wirkung zeigen.

Einen anderen Lösungsweg sieht Yassin Musharbash im subtilen und sachlichen Antworten auf Hass-Postings, die zu teilweise völlig überraschten Reaktionen der Trolle führen. Diesen wäre nicht bewusst, dass es immer noch wahrhaftige Menschen sind, die sie mit ihren Verleumdungen treffen. Bei untergriffigen oder stark beleidigenden Kommentaren sollte man das jeweilige Community-Management der Plattform zwecks Löschung des Kommentars und Sperre des Profils informieren oder einen Rechtsbeistand zu Rate ziehen, empfiehlt Musharbash.

 

Prognosen

Wird die Anzahl der Trolle in den kommenden Jahren wachsen? Breuer spricht im Hinblick auf die Anzahl der Trolle von einem natürlichen Auf und Ab, je nach Agenda-Setting der Medien und der Menge der Aufhänger-Themen, die zu unterschiedlichen Auffassungen und somit Auseinandersetzungen führen können. Die zunehmende Polarisierung im politischen Bereich ist deshalb ein Grund zur Annahme, dass Trolle in den nächsten Jahren auf jeden Fall nicht verschwinden werden.

Allerdings könnten durch neue Entwicklungen im technischen Bereich, vielleicht durch noch ausgefeiltere Algorithmen, Kommentare vorab herausgefiltert und gelöscht werden und somit das Trolling zumindest online abnehmen.

Von Lisa Wögerbauer