Sprachlernen von AsylwerberInnen durch Medien

AsylwerberInnen stehen vor einer schwierigen Herausforderung, um sich bestmöglich in das neue Land zu integrieren – Deutsch zu lernen. Kann der regelmäßige Gebrauch von Medien helfen die Sprachkenntnisse zu verbessern? Verdrängen Medien dabei den traditionellen Unterricht?

Kennen Sie diese Situation: Sie vernehmen ein Lied im Radio, das Sie schon ewig nicht mehr gehört haben und können trotzdem den ganzen Songtext mitsingen? Lieder mit einer besonders einprägsamen Melodie mögen jahrelang in unserem Unterbewusstsein bestehen bleiben, im Gegensatz etwa zu Namen oder Gesichtern, die oft sehr schnell aus unserem Gedächtnis verschwinden. Erklären lässt sich das dadurch, dass mehrere Bereiche des Gehirns durch Musik aktiviert werden. Daher kann es beim Lernen einer Sprache hilfreich sein, anstatt sich stets auf Vokabeln und Grammatik zu konzentrieren, einfach mal Musik zu hören oder den Fernseher oder Radio einzuschalten.

Um einen Einblick in das Sprachlernen von AsylwerberInnen zu bekommen, besuchte ich den Deutschkurs von Franz Schneider, Lehrer an der Volkshochschule Scheibbs und bis 1989 Vorsitzender von Amnesty International Österreich. Er veranstaltet bereits seit 20 Jahren Sprachkurse in verschiedenster Form im Rahmen jener Volkshochschule. Diese Deutschkurse dauern insgesamt 120 Stunden und sind auf 30 Tage aufgeteilt. Um 10 Uhr morgens betrat ich den Raum, in dem ein solcher für AsylwerberInnen stattfand. Freundlich lächelnde Gesichter blickten mich an und begrüßten mich herzlich. Ich nahm in der letzten Reihe Platz, um einen guten Überblick über das Klassenzimmer zu bekommen. Schneider erklärte den KursteilnehmerInnen kurz, warum ich hier war. Fragen wie „Für was interessieren Sie sich?“, „Worüber sprechen Sie gerne?“ oder „Wovon träumen Sie?“ wurden gestellt. „Ich träume von Frieden!“, warf ein Teilnehmer in den Raum. Menschen aus den unterschiedlichsten Ländern saßen in jenem Raum und stellten sich schließlich auch mir vor.

Darunter etwa Naiem Quaussim (19 Jahre alt und gelernter Stuckateur), Mustafa Bakr (36, Maler und Kellner) oder Hoda Alkhalaf, eine 27-jährige Frau, die keinerlei Möglichkeit hatte, eine Schule zu besuchen. Alle drei sind aus Syrien nach Österreich gekommen und wollen sich in das neue Land integrieren. Sie haben bereits einen Deutschkurs am Level A1 besucht und wollen nun Level A2 erreichen. Durch das Level A2 ist die Gruppe fähig gebräuchliche Sätze und Ausdrücke zu verstehen. Laut dem Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmen für Sprachen können sie sich in einfachen, routinemäßigen Situationen verständigen, in denen es um einen einfachen und direkten Austausch von Informationen über vertraute und geläufige Dinge geht. Später setzte ich mich mit Naiem, Mustafa und Hoda an einen Tisch und sprachen über ihre Beweggründe: Da in Syrien vorwiegend arabisch geredet wird, haben sie Deutsch erst hier in Österreich gelernt, was überraschte, da alle in der Gruppe schon gut deutsch sprechen können. Auf meine Frage hin, wie ihnen der Kurs gefällt und ob sie Fortschritte machen, kam von allen drei die gleiche Antwort: „Der Kurs ist sehr interessant und wir lernen viel. Wir lernen aber auch sehr viel zuhause.“

Medien als Hilfe zum Spracherwerb

Medien rezipieren Naiem, Mustafa und Hoda täglich, am meisten die Zeitung. Es fällt ihnen deutlich leichter Zeitungsbeiträge zu lesen, denn diese sind in der Regel recht kurz und eignen sich daher optimal für das kurze Lernen zwischendurch. Weniger dagegen werden Fernsehen und Radio genutzt. Mustafa Bakr erklärt: „Beim Fernsehen und Radio ist es schwieriger, die Inhalte zu verstehen, da schnell gesprochen wird. Leichter ist es, wenn man die Worte vor sich sehen kann.“ Franz Schneider dagegen hält das Medium Fernsehen für sehr hilfreich: „Man hat die Hilfe der Sprache und der Teil der nicht verstanden wird sieht man im Bild. Das Bild hilft die Inhalte zu verstehen und Zusammenhänge zu schaffen, auch wenn nicht jedes einzelne Wort klar ist. Wenn der Beitrag interessant ist, hört man auch aufmerksamer zu und will mehr verstehen. Fernsehen halte ich daher für das bessere Medium zum Sprachlernen.“ Wenn die Sprache besser beherrscht wird, ist das zusätzliche Fernsehen und Radiohören eine gute Möglichkeit, die Sicherheit in der Syntax zu verbessern. Wenn die Inhalte zusätzlich eine niedrige Komplexität aufweisen, indem TV-Figuren möglichst nacheinander sprechen und keine Störung durch Hintergrundgeräusche vorliegt, kann der Lernprozess erleichtert werden. Das Fernsehen mit Untertiteln in der eigenen Sprache ist ebenfalls ein guter Tipp für Sprachlernende. Auch während der Haushaltstätigkeiten ist es förderlich, den Fernseher im Hintergrund an zu lassen, denn das Gehirn nimmt die Sprache unbewusst auf. Dem gleichen Zweck dient das Radio, hier positiv als „Nebenbei“-Medium. Das Hörverständnis, welches neben dem Lesen, Sprechen und Schreiben zu einer der vier Grundfähigkeiten beim Erlernen einer Sprache gehört, kann durch auditive Medien trainiert werden. Generell verbessern Medien die Anwendung der Sprache durch die unterstützenden Elemente Bilder, Audio und Video. Auch via Handy und somit über das Internet sind Naiem, Mustafa und Hoda mit anderen Menschen und Inhalten verknüpft. „Zum Nachschlagen und Wörter suchen ist das Internet optimal, aber eine Sprache zu lernen, ohne persönlichen Kontakt zu Menschen, geht nicht. Internetangebote wie ‚Lernen Sie Italienisch in nur 3 Wochen‘ sind absoluter Schwachsinn“, betont Franz Schneider.

Traditioneller Unterricht

Die Inhalte in seinem Kurs sind didaktisch eher traditionell gehalten. Viele praktische Übungen und gemeinsame Diskussionen sind die wesentlichen Bestandteile. Verbunden werden die sprachlichen Übungen mit der Geschichte Österreichs und den Normen in Österreich. Übliche Phrasen, die im Alltag oder beim Arzt häufig verwendet werden ziehen sich durch den gesamten Kurs. Gearbeitet wird mit einem Lehrbuch, das die KursteilnehmerInnen auf die Abschlussprüfung vorbereiten soll. Naiem, Mustafa und Hoda arbeiten gerne mit dem Buch, da es gut gegliedert und anschaulich ist.

Sowohl Franz Schneider als auch die syrischen GesprächspartnerInnen sind dennoch einer Meinung, dass der persönliche Kontakt zu Menschen aus der nahen Umgebung das wichtigste Kriterium ist eine Fremdsprache zu erlernen. Auch die wöchentlichen Kurstreffen und das ständige Wiederholen zuhause sind wesentliche Aspekte. „Medien sind wunderbar und wichtig, aber wer glaubt, man kann beispielsweise via Internet eine Sprache lernen ohne mit Menschen persönlich zu reden, liegt falsch“, resümiert Schneider.

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