U-Bahn-Durchsagen auf dem Prüfstand

Die Durchsagen verschaffen Orientierung. Wie entstehen sie? Wie effektiv sind sie? In YouTube-Videos zeigen die Wiener Linien, wie man die U-Bahn-Fahrt am besten übersteht. SUMO macht den Praxistest!

Jeder von uns ist sicher schon einmal mit der U-Bahn gefahren. Allerdings bleiben einem meist die unangenehmsten Dinge am besten in Erinnerung: Überfüllte Waggons, lange Wartezeiten, stressiges Umsteigen, übel riechendes Essen und vieles mehr. Die insgesamt 200 U-Bahn-Durchsagen sind als allgegenwärtiges Medium schon lange im Unterbewusstsein der Fahrgäste angekommen. Umso mehr stellt sich die Frage, wie diese eigentlich konzipiert und entwickelt werden.

Entstehung der U-Bahn-Durchsagen

Wichtige Inhalte, wie der Name der nächsten Station, Umsteigemöglichkeiten, Warnhinweise oder Verhaltenshinweise sorgen für eine angenehme und sichere Fahrt. Seit 1968 hat Franz Kaider, der laut der „Presse“ bis zu seiner Pensionierung Abteilungsleiter des sicherheitstechnischen Dienstes der Wiener Linien war, die Stationsdurchsagen gesprochen. Im Jahr 2011 ergab eine Umfrage unter Mitarbeitern und Fahrgästen, dass eine weibliche Stimme gewünscht wird. Ein Jahr darauf baten die Wiener Linien nochmals zum Online Voting: Zur Wahl standen zwei Frauenstimmen. Laut APA-Meldung entschieden sich von den über 21.000 Befragten rund zwei Drittel für die österreichische Schauspielerin Angela Schneider.

Die Konzeption der Durchsagen erfolgte von einem eigenen Projekt-Team gemeinsam mit der Schauspielerin. Sabine Ludwig, Leiterin des Projekts, erzählt im Video „Neuer Klang“ auf YouTube: „Wir haben auch sehr viel inhaltlich verändert. Wir haben ein komplett neues Wording.“ Die Durchsagen sind nun mehr „auf den Punkt“ gebracht. Sie sind kürzer und verständlicher. Die Information der Leitstelle wurde durch ein einheitliches „Liebe Fahrgäste“ ersetzt. Schneider musste laut „wien.at“ fast 3.000 Durchsagen einsprechen. Für sie war zu Beginn noch nicht klar, welch ein umfangreicher Job es ist, eine Stimme für eine ganze Stadt zu sein. Damit der neuen Stimme in Zukunft auch aufmerksam zugehört wird, wurde zusätzlich ein neuer typischer Klang, der immer vor der Durchsage gespielt wird, entwickelt.

Neuer Klang

Den neuen Klang hat die Wiener U-Bahn seit dem Jahr 2013. Auf YouTube verrät Herwig Kusatz von „Sound Strategy“, dass als Inspirationsquelle der Wiener Donauwalzer diente.

Das Projekt „Klangmarketing“ der Wiener Linien erstreckte sich über einen Zeitraum von Jänner 2012 bis Oktober 2013 und wurde von bis zu 80 Personen mitentwickelt. Begonnen hat alles mit einem Workshop für ein neues Sounddesign, welches unbedingt „wienerisch“ sein sollte. Somit wurde als Grundlage für den neuen Klang der Wiener Linien der Donauwalzer ausgewählt. Der von Johann Strauss komponierte Donauwalzer wurde im 6/8 Takt geschrieben. Dieser Rhythmus findet sich in der Gongarchitektur der einzelnen Durchsagen wieder.

Für jede Art von Information wurde ein spezieller Gong entwickelt. Insgesamt gibt es drei: Den „Durchsagengong“, den „Informationsgong“ und den „Störungsgong“. Der „Durchsagengong“ wird bei einer Stationsdurchsage verwendet und besteht nur aus einem A mit sehr vielen Klangfarben. Ziel ist es ein meditatives Gefühl und Wohlbefinden zu erzeugen. Der Informationsgong dient hingegen der Informationsdurchsage und hat somit ein anderes Klangschema. Der Informationsgong besteht aus einer Melodie, welche nach oben geht um somit mehr Aufmerksamkeit von den jeweiligen Fährgästen zu erhalten. Der Störungsgong wird, wie schon der Name verrät, bei Störungen innerhalb des Netzes der Wiener Linien verwendet. Dieser setzt sich aus den Tönen A/D/A zusammen und ist somit gut von den anderen Gongs zu unterscheiden.

Kommunikation der Wienerlinien

Die Wiener U-Bahn informiert nicht nur mithilfe von Durchsagen über die Innen- und Außenlautsprecher der Züge, sondern auch über Internetplattformen wie Twitter oder YouTube. Wer also wichtige Informationen nicht gehört hat, findet diese in geschriebener oder verfilmter Form im Netz.

Über Facebook werden die Kunden der Wiener Linien in Echtzeit über Störungen und andere Probleme informiert. Es besteht die Möglichkeit, jeden Post zu kommentieren und so seine Meinung kund zu tun. Von Seiten der Wiener Linien wird Facebook auch für die Bewerbung ihrer Veranstaltungen und die Bereitstellung von Pressefotos und Videos verwendet.

Auch die Twitter Seite der Wiener Linien bietet die Möglichkeit, mit den Wiener Linien in Echtzeit zu kommunizieren und sich über eventuelle Ausfälle und Störungen zu informieren. Informationen für Events und die dazugehörigen Bilder sind ebenso auf Twitter vorhanden. Fragen werden zeitnah beantwortet.Platz für Ironie ist auch vorhanden.

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 „How To“ U-Bahn-Fahren auf YouTube

Der YouTube-Channel der Wiener Linien ist einerseits ein Ort für die bildhafte Aufklärung der Fahrgäste über korrekte Verhaltensweisen beim U-Bahn-Fahren, andererseits natürlich auch eine Plattform zur Unternehmenskommunikation. In der „Unterwegs mit den Öffis“-Video-Serie werden innerhalb verschiedenster Videos die wichtigsten Verhaltensregeln und Abläufe einfach und verständlich dargestellt. SUMO hat sich die wichtigsten Regeln herausgesucht:

  1. Gleichmäßig am Bahnsteig verteilen: Dies ermöglicht eine schnellere Befüllung des Zuges und somit eine kürzere Standzeit. Alle Eingänge der U-Bahn gleichmäßig benutzen!
  2. Weiters wird auf das Einstiegsverbot hingewiesen, welches bei rot blinkenden Türsignalen gilt.
  3. Eine weitere Regel: Das zügige Ein- und Aussteigen. Gespräche und Verabschiedungen innerhalb des Türbereiches während andere Fahrgäste Aus- und Einsteigen wollen, sollten unterlassen werden. Auch die Position am Bahnsteig vor den Türen kann die Fahrgäste beim zügigen Verlassen des Zuges behindern.
  4. Die Fahrgäste werden zudem im Sinne der Sauberkeit darauf hingewiesen, nicht mehr benötigte Zeitschriften in den vorgesehenen Mistkübeln zu entsorgen.

Die Wiener Linien zeigen also vor, wie es in der Theorie funktionieren sollte. Doch wie sieht es in der Praxis aus?

YouTube vs. Reality

Im Praxistest beobachtete SUMO die zuvor genannten Situationen im alltäglichen U-Bahn-Betrieb, die auch in der „Unterwegs mit den Öffis“-Video-Serie der Wiener Linien angesprochen wurden. Welche Probleme treten bei der Rezeption der Durchsagen auf und wie werden Regeln aus den oben beschriebenen Videos in der Realität umgesetzt?

Regel Nummer Eins: Die gleichmäßige Verteilung am Bahnhof ermöglicht einerseits eine schnellere Befüllung des Zuges und andererseits blockieren sich die Fahrgäste nicht gegenseitig. Der Praxistest zeigt, dass die Fahrgäste nicht immer alle Eingänge gleichmäßig benutzen.

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Die Positionierung stellt sich aber nicht immer als so einfach heraus. Kommt es zu Unregelmäßigkeiten oder Störungen, ändert die schnelle Kommunikation der Wiener Linien nichts an der Situation, dass es zu Ansammlungen auf den Bahnsteigen kommt.


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Regel Nummer Zwei: Nicht einsteigen bei schließenden Türen: Das rote Licht signalisiert, dass die Türen sich schließen und der Zug abfahren will. Durch Missachtung dieses Signales verzögert sich die Abfahrt. Der Praxistest zeigt auch hier, dass das Signal gelegentlich missachtet wird.

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Regel Nummer Drei: Gespräche und Verabschiedungen innerhalb des Türbereiches während andere Fahrgäste Aus- und Einsteigen wurden im Praxistest nicht beobachtet. Genauso wichtig ist aber auch die Position der Passanten vor dem Türbereich. Durch eine gute Positionierung neben den Türen können die Fahrgäste zügig den Zug verlassen. In der Praxis klappt das nicht immer.

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Regel Nummer Vier: Zeitung im Papier-Kübel entsorgen: Auch dieser Hinweis wird von vielen Fahrgästen missachtet. Herumliegende Zeitschriften und Müll stellen eine Gefahr für die Rolltreppen und Aufzüge dar und können die Elektronik der Geräte beeinträchtigen.

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Durchsagen vom U-Bahnfahrer

SUMO hat einen U-Bahnfahrer in Wien nach dem Stellenwert der Durchsagen im Berufsalltag und der Akzeptanz bei den Fahrgästen gefragt. Für die Wiener Linien sind die Durchsagen ein wichtiges Instrument, um Kontakt zu ihren Kunden herzustellen. Die Wertschätzung gegenüber den Fahrgästen hat oberste Priorität. „Auch, wenn dir jemand auf die Scheibe spuckt, sollst du nichts Abfälliges sagen und wertschätzend sprechen“, sagt U-Bahnfahrer Christian Schlagin. Früher hieß es „werte Fahrgäste“, heute heißt es „liebe Fahrgäste“. Einen Unterschied zwischen den Fahrgästen früher und heute ist Schlagin nicht aufgefallen.

Der überwiegende Teil der Durchsagen wurde im Studio aufgenommen und wird abhängig von der Position des Zuges automatisch abgespielt. Neben automatisierten Durchsagen gibt es auch fünf vorgefertigte Durchsagen, die vom U-Bahnfahrer individuell ausgewählt werden können. Diese betreffen zum Beispiel den Türbereich oder andere Bereiche innerhalb der U-Bahn. Für die Außenlautsprecher gibt es solche Durchsagen nicht. Hier spricht der Fahrer persönlich in die Sprechanlage.

U-Bahnfahrer sind grundsätzlich nicht zur Durchsetzung der Hausordnung der Wiener Linien befugt. Sie müssen nur handeln, wenn sich jemand beschwert. Das heißt, jemand klopft im Zug selbst an die Fahrertür oder jemand ruft bei der Zentrale an.

Und wie sorgen die U-Bahnfahrer selbst für die Verständlichkeit der Durchsagen? Schlagin hat dazu eine kleine Anekdote parat. Bei manchen Fahrgästen können wertschätzend formulierte Durchsagen zu Reaktanzen führen. Nach zweimaligen Sprechen der Durchsage “Zurücktreten bitte.“ und keinerlei Reaktion der betroffenen Person, ergriff der U-Bahnfahrer die Eigeninitiative. „Schwindliger, geh vom Zug weg!“ Das hat der Fahrgast dann verstanden.

 

Quellen zu den Videos:

Unterwegs mit den Öffis Video Serie:
https://www.youtube.com/results?search_query=Unterwegs+mit+den+Öffis
Neuer Klang:
https://www.youtube.com/watch?v=wEOgWlsiLao&t=165s

 

Titelbild:unsplash.com: Franz Spitaler
Bilder aus der U-Bahn: Erik Kornelson