Von der Frau, dem Mann und allem anderen – Transgender in den Medien

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Manchen Menschen fällt die Entscheidung, ob auf einem Formular männlich oder weiblich angekreuzt wird nicht so leicht. SUMO sprach mit ExpertInnen über die Darstellung des dritten Geschlechts in deutschsprachigen Medien.

„Ich glaube, dass wir als Gesellschaft immer noch sehr stark an einem binären Geschlechtersystem festhalten und dass dies für uns alle und speziell für die vielen Betroffenen ein furchtbar einengendes Gefühl sein muss“, konstatiert Clara Stern gleich zu Beginn. Die junge, österreichische Regisseurin stellt die Thematik Transgender ins Zentrum ihres Kurzfilms „MATHIAS“ und gewann damit die Auszeichnung für den besten Kurzfilm der Diagonale 2017, sowie den Österreichischen Filmpreis 2018, erneut für den besten Kurzfilm.

In Deutschland leben rund 160.000 intergeschlechtliche Menschen. Dies sind Menschen, die aufgrund genetischer Besonderheiten nicht eindeutig einem der beiden Geschlechter zuzuordnen sind. Transgender Personen hingegen können sich mit dem Geschlecht, dass ihnen bei der Geburt zugeordnet wurde nicht identifizieren. Für Österreich möchte der Verein Intergeschlechtlicher Menschen Österreich (VIMÖ) keine konkreten Zahlen nennen, es ist jedoch davon auszugehen, 0,5% der Bevölkerung intergeschlechtlich ist – das wären 43.500 Betroffene. Grund genug, diese Menschen aus ihrer einengenden Situation und dem Druck, sich zwischen männlich und weiblich entscheiden zu müssen zu befreien. Das sieht auch das Höchstgericht Deutschland so und urteilte: „Personen, die sich weder dem weiblichen noch dem männlichen Geschlecht zuordnen lassen, würden in ihren Grundrechten verletzt, wenn sie das Personenstandsrecht zwinge, das Geschlecht zu registrieren, aber keinen anderen positiven Geschlechtseintrag als weiblich oder männlich zulasse. Der Zuordnung zu einem Geschlecht kommt für die individuelle Identität herausragende Bedeutung zu“. Der deutsche Gesetzgeber hatte daher bis Ende 2018 Zeit, neue Regelungen sowie eine Bezeichnung für ein drittes Geschlecht zu finden, die Vorschläge lauten auf „inter“ oder „divers“. Scheitert die Gesetzgebung daran, muss eine weitere Diskriminierung dennoch vermieden werden – eine Geschlechtsangabe im Register wurde dann einfach unterblieben. Wie erhofft hat das deutsche Urteil auch auf die österreichische Rechtsprechung abgefärbt. Der Verfassungsgerichtshof (VfGH) hat in Prüfung des Personenstandsgesetzes festgestellt, dass Menschen deren Geschlecht nicht eindeutig männlich oder weiblich ist, ein Recht auf eine entsprechende Eintragung im Personenstandsregister (ZPR) und in Urkunden haben. Dies wurde am 29. Juni 2018 bekannt gegeben. Eine Aufhebung des Gesetzes war nicht nötig, allerdings gab das Höchstgericht jetzt aber zwingend vor, wie das Gesetz verfassungskonform auszulegen ist.

 

Mehr als eine Modeerscheinung

Auf die Frage hin, ob das dritte Geschlecht ein Phänomen der letzten Jahre, ein Trend nach Conchita Wurst sei, erklärt Ellmeier, dass die Forderung nach einem dritten Geschlecht in den 80er Jahren tatsächlich noch undenkbar gewesen wäre. Die Geschlechtervorstellungen bewegten sich im binären System und Frau und Mann existierten in gewisser Weise als Gegensatz zueinander. In den 90er Jahren geschah ein Umdenken. Nach den Forschungen von Judith Butler kamen erstmalig Gedanken auf, dass es Personen geben könnte, die sich zwischen männlich und weiblich bewegen. Die bloße „Schwarz-Weiß-Zeichnung“ reichte nicht mehr aus. Ellmeier erläutert weiter, dass ein Bedürfnis aufkam – ein Bedürfnis nach einem dritten Geschlecht, das wuchs und immer dominanter und allgegenwärtiger wurde. Vergleichbar mit der ArbeiterInnenbewegung, gehe es nach ihr um eine Menschengruppe, die sich Gehör verschaffe und um ihre Rechte kämpfe. Zu diesem Bedürfnis kam die Theorie, die besagt, dass eine binäre Geschlechterwelt schlichtweg nicht ausreiche. Das Bedürfnis gekoppelt mit der Theorie führte Anfang der 90er Jahre zu einer Bewegung in Richtung drittes Geschlecht, erklärt Ellmeier.

 

Die Angst vor dem Unbekannten – und mediale Klischees

„Man hat immer nur Angst vor dem Unbekannten“, meint Stern und ergänzt, dass es die Aufgabe der Medien sei, diese Angst durch konkrete Thematisierung zu nehmen.  Es sei enorm wichtig, dass ein Bewusstsein dafür geschaffen wird, dass es Transgender Personen gibt und dass Geschlechtergrenzen oftmals nicht so eng gesehen werden müssen. Die Medien im deutschsprachigen Raum könnten laut Stern noch mehr auf dieses Thema eingehen. Selbst der Beschluss des obersten Gerichtshofes habe keine große mediale Welle geschlagen. Als zweite Aufgabe der Medien in Bezug auf das dritte Geschlecht nennt Stern die Schaffung von Akzeptanz. „Sobald Menschen das Gefühl haben, sie kennen etwas – sei es auch nur, weil sie eine Zeit lang mit einer Figur aus Film und Fernsehen mitgefühlt haben –, habe ich die Hoffnung, dass sie nicht mehr so ablehnend reagieren werden.“

„Für die Darstellung von Menschen, die sich nicht eindeutig in die Kategorien Mann oder Frau einordnen lassen, werden in den Medien häufig Klischees benutzt“, betont Stern. Laut ihr entstehen diese immer dann, wenn jemand glaubt über jemanden erzählen zu können, ohne dieser Person selbst eine Stimme zu geben. Aus diesem Grund basiert das Drehbuch ihres Kurzfilms „Mathias“ auf Gesprächen mit Transgender Personen. Aus realen Ereignissen von mehreren Personen wurde eine Person ­– Mathias – kreiert.

Auch Ellmeier gibt an, dass es eine essentielle Aufgabe der Medien sei, über ein derart relevantes Thema zu informieren und aufzuklären. Grundsätzlich sei es wichtig, dass sich Medien von Klischees distanzieren. Gute Recherchearbeiten und mit den betroffenen Transgender Personen gemeinsam erzählen seien die Basis für eine gelungene Thematisierung in den Medien, meint Stern. Ergänzend erläutert sie, dass wir es ansonsten mit einer Medienwelt zu tun hätten, die sich nur selbst reproduziert, doch das Leben sei sehr viel facettenreicher als Klischees allein es vermuten lassen.

 

Conchita Wurst und Folgen

2014 siegte Conchita Wurst beim Eurovision Songcontest in Kopenhagen. Damit, und mit seinem außergewöhnlichen Erscheinungsbild hat er für großes mediales Aufsehen gesorgt. Ellmeier sieht diesen Sieg als wesentlichen Durchbruch für die Transgenderszene in den Medien. „Durch so etwas Positives wie einen Sieg wurde das erstmals sichtbar und publik gemacht“, konstatiert sie und ergänzt, dass selbstverständlich viele Menschen erstmals irritiert reagiert hätten.

Stern verweist diesbezüglich noch einmal auf Klischees und Vorurteile. Aufgrund mangelnder Recherche werde Conchita Wurst in Medien als Transgender Person dargestellt. Conchita Wurst ist eine Kunstfigur, eine Performance Künstlerin, die mit den Geschlechterrollen und den Elementen männlich und weiblich spielt. Aber, dass das gefühlte Geschlecht mit dem biologischen nicht übereinstimmt, ist bei ihm nicht der Fall.

 

Transgender als Filmrolle

Immer wieder kommt es zu medialen Diskussionen, wenn die wenigen Transgenderrollen in Film und Fernsehen von Nicht-Transgender Personen übernommen werden. Auch der Hauptcharakter aus dem Kurzfilm von Clara Stern wird nicht von einer Transgender Person gespielt. „Es war ein langer Castingprozess, bei dem wir leider nicht die geeignete Transgender Person für die Rolle gefunden haben. Es war uns nach Rücksprache mit unseren Beratern aber wichtig, den Film auf jeden Fall zu machen“, so Stern. Auch der Film „The Danish Girl“, der bei den Internationalen Filmfestspielen in Venedig 2015 seine Premiere hatte, wurde aufgrund der Besetzung kritisiert. Die Rolle des Hauptcharakters – ebenso eine Transgender Person – übernimmt der Nicht-Transgender Schauspieler Eddie Redmayne. „Ich verstehe diese Diskussionen schon, denn wenn die wenigen Transgenderrollen von Nicht-Transgender SchauspielerInnen übernommen werden, sinkt die Chance für Transgender SchauspielerInnen erneut, eine der ohnehin schon wenigen Rollen ergattern zu können“, erklärt Stern. Dennoch, glaubt Ellmeier, gehe es bei der Kunst des Schauspielens darum, sich in eine Rolle hineinzuleben – egal, ob man sich im privaten Leben damit assoziieren kann, oder eben nicht.

Einig sind Ellmeier und Stern sich insoweit, dass das dritte Geschlecht für uns als Gesamtgesellschaft eine große Chance bietet – denn jeder, egal ob Mann oder Frau, hat die Möglichkeit sich freier zu entfalten, wenn Geschlechterrollen nicht mehr so starre Grenzen haben. Medien haben schon viel dazu beigetragen, können aber immer noch mehr tun, um ein wahrheitsgetreues Bild des dritten Geschlechts zu verbreiten.

 

Von Hannah-Laura Schreier