Wenn Medien Menschen machen

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„Unsere Aufgabe ist es, zu verdichten, zuzuspitzen und Unterschiede klar zu machen. Das muss so geschehen, dass kurz vor der Wahl wählermobilisierende Konflikte deutlich werden.

Wir beginnen allerdings schon relativ früh zu antizipieren, wo wir am Wahltag stehen wollen und wie wir die Auseinandersetzung erreichen können, die wir dafür brauchen“, sagt Franz Strauss, ein renommierter deutscher Wahlkampfberater, im Interview mit der FAZ. Als Wahlkampfmanager der SPD in Rheinland-Pfalz ist er ein aktuelles Beispiel für Spin Doctoring im klassischen Sinne.

 

Sie gelten als geheimnisvoll, allmächtig und unsichtbar. Der Begriff Spin-Doctor ist eine aus dem Englischen übernommene Bezeichnung für einen Medien-, Image- oder politischen Berater und Verantwortlichen für Öffentlichkeitsarbeit.Der Beruf des Spin Doctors ist ein Berufsbild, das ursprünglich aus den USA kommt und immer mehr Einzug in unsere Politik gefunden hat. „Spin“ bezeichnet dabei den „Dreh“, der einem Sachverhalt oder Ereignis verliehen wird. Der Ausdruck „Doctor“ bezeichnet in diesem Fall jemanden, der auf fragwürdige Weise etwas „zurechtbiegt“. Ihre Aufgabe ist es nun, Medien die richtige Geschichte mit dem richtigen Dreh zur richtigen Zeit zu erzählen. Auch heute wird diese Form der Beeinflussung in Wahlkämpfen noch angewandt, aber nicht mehr so offensichtlich wie früher.

 

Die Entwicklung eines neuen Berufszweigs

Der Begriff „Spin Doctor“ tauchte das erste Mal in einem Zeitungsartikel der „New York Times“ aus dem Jahr 1984 auf, in dem ein Journalist über ein TV-Duell zwischen den US-Präsidentschaftskandidaten Reagan und Mondale berichtete.In den USA gelten Spin Doctors seither als Wahlkampfberater und fungieren zumeist als Kampagnenleiter bei den Präsidentschaftskandidaten. Ihr Ziel ist es, als „Strippenzieher im Hintergrund“, der Politik in der Öffentlichkeit den richtigen Dreh bzw. „Spin“ zu verleihen und dadurch ihre Kandidaten in das richtige Licht zu rücken.

Bereits seit den 80er Jahren üben Spin Doctors großen Einfluss in der Politik aus. Viele Länder begriffen schnell, wie wichtig diese Wahlkampfmanager für sie sein können. In Deutschland kam das Wort erst mit dem Wahlkampf 1998 in Mode – plötzlich wollte jeder Politiker seinen eigenen Spin Doctor haben. In den britischen Zeitungen stieg die Zahl der Nennungen des Begriffs Spin Doctor von acht im Jahr 1989 auf 529 ein Jahrzehnt später. In Großbritannien wurden die Anweisungen der anfänglichen ominösen „Medienberatern“ genauestens befolgt – selbst dann, wenn sie im Widerspruch zum Parteiprogramm standen. Ein Beispiel dafür ist der ehemalige Premierminister und britische Politiker Tony Blair, der seinem Spin Doctor Alastair Campbell ganze drei Mal seinen politischen Erfolg zu verdanken hatte. Heutzutage ist die Berufsbezeichnung Spin Doctor aber nicht mehr so vertraut wie früher, sondern wird weitgehend durch die Begriffe „Medien- oder Wahlkampfmanager“ ersetzt.

 

Die Macht der Medien- und Kampagnenprofis

In der Funktion eines Kampagnenleiters wird vor allem die Kommunikation von Botschaften beeinflusst. Die Regeln für eine solche Kommunikation sind einfach: Es soll eine Geschichte erzählt werden – Fakten sollen mit Hilfe von Metaphern und Bildern für den Zuhörer verständlicher aufbereitet werden. Botschaften sollen aber verdeckt in die Medien getragen werden, denn zu dem Job eines Spin Doctors gehört, dass er hinter den Kulissen und nicht auf der Bühne agiert. Die Ursache für die zunehmende Macht auf Seiten der Spin Doctors liegt nach Meinung vieler Experten in den veränderten Strukturen von Politik und Journalismus. Die Öffentlichkeitsarbeit, die geleistet werden muss um in ein gutes Licht gerückt zu werden, bekommt einen immer höheren Stellenwert zugewiesen. Doch es lohnt sich genauer hinter die Kulissen des „Spins“ zu blicken. Denn dahinter steckt das Grundgesetz der postmodernen Mediendemokratie: Kein Politiker kommt mehr ohne den Dreiklang aus strategischer Planung der eigenen Botschaften, der entsprechenden Präsentation und großer Reaktionsschnelle aus. Nicht umsonst leisten sich auch bereits immer mehr deutsche Politiker seit dem Jahr 2002 einen eigenen Wahlkampfberater.

 

Herausforderungen

Die Strategien während eines Wahlkampfes ändern sich stetig und somit auch die Herausforderungen des Spin Doctors. Für einen Politiker ist es von zunehmender Wichtigkeit eine gemeinsame emotionale Bindung zu seiner Wählerschaft zu finden, denn umso schneller steigt seine Popularität – es ist also wichtig Emotionen zu zeigen. Außerdem muss ein Weg gefunden werden, sich durch die eigene Fähigkeiten von den Herausforderern zu differenzieren. Die Themen, die ein Politiker kommuniziert, sollten immer auch relevant für die jeweilige Zielgruppe sein und deren Bedürfnissen entsprechen. Auch die Botschaft immer und immer wieder zu wiederholen ist für einen erfolgreichen Wahlkampf essentiell. Der Erfolg der Spin Doctors kann schließlich auf zwei Arten gemessen werden: Entweder werden deren Kommentare von Journalisten wörtlich zitiert, oder aber Journalisten lassen sich von den Einschätzungen der Spin Doctors überzeugen.

 

Spin Doctors in der heutigen Zeit

Heute ist Spin Doctoring oft nur noch ein Synonym für bestimmte politische Strategien die im Zuge eines Wahlkampfes zum Einsatz kommen – in den USA genauso wie in Deutschland und Österreich. Anders als in Deutschland, wo der Bundestagswahlkampf zu großen Teilen in den Parteizentralen geplant und verantwortet wird, gibt es in den USA jedoch mittlerweile eine hochspezialisierte Industrie politischer Wahlkampfmanager oder Medienberater mit eigenem Berufsverband, Studiengängen und Fachzeitschriften. In Österreich und Deutschland ist der Begriff „Spin Doctor“ aber kaum noch in Verwendung, sondern hat sich weitgehend zu dem des „Wahlkampfmanagers“ weiterentwickelt.

 

Der amerikanische Wahlkampf

In den USA hat die aktuelle politische Öffentlichkeitsarbeit fast nur noch mit Kurzzeit-Taktik zu tun. Argumentative Auseinandersetzungen sind kaum vorhanden, ebenso wie Konzepte, die über den Wahltag hinausreichen. Die Arbeit der Wahlkampfberater bzw. der Spin Doctors ist ausschließlich auf den Wahlsieg gerichtet. Um so viele Wähler wie möglich für sich zu gewinnen, wird der Öffentlichkeit gegenüber aber nicht gelogen, sondern es wird auf bewusste Fehlinformation durch Halbwahrheiten gesetzt.

Am besten zum Ausdruck kommt diese Art der politischen Kommunikation im zurzeit stattfindenden US-Präsidentschaftswahlkampf. Hier sticht besonders der erfolgreiche Kandidat der republikanischen Partei, Donald Trump heraus. Er sorgt nicht nur für die meisten Schlagzeilen, sondern ist zugleich selbst sein bester Spin Doctor. Der 70 – Jährige ist nicht nur für Beschimpfungen und rassistische Aussagen aller Art bekannt, sondern auch für falsche Behauptungen. Trump provoziert bewusst und genau das ist der Pluspunkt seiner Kampagne. Unter diesen Bedingungen schafft er es potentielle Wähler zu mobilisieren und auf sich als Marke aufmerksam zu machen. Seine Wahlkampfstrategie ist klar dahingehend ausgelegt, die Massen anzusprechen und dies erfolgt auch gelegentlich über einen gut durchdachten Spin.

Im Vergleich dazu steht die Wahlkampfstrategie von Barack Obama aus dem Jahr 2008. Dessen damaliger Wahlkampfmanager David Plouffe, setzte auf andere Methoden um Wähler für Barack Obama zu mobilisieren. Dieser agierte während des gesamten Wahlkampfs gezielt im Hintergrund und baute ein enges Netz von Aktivisten und Spendern zu Gunsten des damaligen Präsidentschaftskandidaten auf. Die Strategie zeigte Wirkung: Es wurden täglich Millionen von E-Mails versandt, um auf den Wahlkampf von Barack Obama aufmerksam zu machen und gleichzeitig wurden aber auch die klassischen Mittel des „Graswurzelwahlkampfes“ eingesetzt und somit junge und alte Wahlkampfhelfer mobilisiert.

 

Wahlkampfmanager in Österreich

Auch in Österreich sind Politiker schon lange nicht mehr selbst für ihren Wahlkampf zuständig. Ein gutes Beispiel dafür ist der seit März 2016 stattfindende Bundespräsidentschaftswahlkampf, der nun auf Grund einer Wahlwiederholung in die zweite Runde geht. Besonders zugespitzt hat sich dieser seit der Bekanntgabe der beiden Spitzenkandidaten Alexander Van der Bellen und Norbert Hofer, da sich zwei Politiker gegenüber stehen die unterschiedlicher nicht sein könnten. Hinter Ersterem steht Lothar Lockl als Kampagnenmanager und der Verein „Gemeinsam für Van der Bellen“. Deren Ziel es war und nun wieder ist, eine österreichweite Bürgerwahlbewegung in der Bevölkerung zu Gunsten des Kandidaten Alexander Van der Bellen zu starten und somit vor allem unschlüssige Wähler für sich zu gewinnen. Dem Team um Van der Bellen geht es nun klar darum aufzuzeigen, dass der Kandidat nicht nur offen gegenüber Flüchtlingen ist, sondern ihm auch insbesondere Österreich als Heimat ein wichtiges Anliegen ist. Die Aufgabe des Wahlkampfmanagers liegt nun darin, genau diese Botschaft anhand von entsprechenden Kampagnen an die Bevölkerung weiterzugeben.

Im Gegensatz dazu steht der Wahlkampf um Kandidaten Norbert Hofer, der von Herbert Kickl (FPÖ-Generalsekretär) geleitet wird. Dieser setzt besonders auf soziale Medien und die Plakatkampagne vor dem zweiten Wahldurchgang mit den Slogans „Macht braucht Kontrolle“ und „Österreich braucht Sicherheit“. Auch bei diesem dreht sich diesmal alles um das Thema „Heimat“, aus welchem Grund auch die Initiative „I bin a Hofer“ gestartet wurde. Ziel des Wahlkampfmanagers ist es, Norbert Hofer in allen Kampagnen und sozialen Medien von seiner besten Seite zu präsentieren und gegen negativ Nachrichten vorzugehen, in dem diese in Form eines „Spins“ wieder in das richtige Licht gerückt werden.

 

Spin Doctoring am Beispiel Deutschland

In Deutschland weiß man die Aufgabe des Spin Doctors durchaus zu schätzen. Einer von ihnen, Klaus-Peter Schmidt-Deguelle, erzählte in einem Interview, mit welcher Taktik er in Deutschland das Ende der Absetzbarkeit der Bewirtungsspesen bewerkstelligte. Er habe als Test dem wöchentlichen Nachrichtenmagazin „Spiegel“ den Plan zugesteckt, dieses habe erwartungsgemäß darüber berichtet. Es folgte große Aufregung in der Gastronomie anhand von Plakaten und Handzetteln, die in Gasthäusern als Protestmittel gegen den damaligen Finanzminister verteilt wurden. Dadurch wäre zu diesem Zeitpunkt eine positive Berichterstattung über die Haushaltspolitik nicht möglich gewesen. Als nächster Schritt wurde eine Positivmeldung veröffentlicht: Die Steuerentlastung wurde von 2002 auf 2001 vorgezogen. In Folge dessen überdeckte die positive Resonanz die vorherige Stimmung. „Denn alles andere war Ende Dezember schon bekannt. Und nichts langweilt Journalisten mehr, als Tatbestände, über die sie schon einmal berichtet haben“, so der Spin Doctor. Das Resultat des Spins war daher die schlussendlich positive Stimmung, trotz einer anfangs negativen Nachricht.

 

Auswirkungen auf Wähler

In einer Demokratie sind die Regierenden weitgehend auf die Zustimmung der Wähler angewiesen. Aber nicht immer gibt es nur positive Nachrichten zu übermitteln, sondern oft müssen auch Schritte gesetzt werden, mit denen ein Großteil der Wähler nicht zwingend einverstanden ist. Daher greifen Politiker mitunter auch auf die Taktik der Beeinflussung, mit Hilfe von Spin Doctoring, zurück. Aber gerade das kann sich in einem stattfindenden Wahlkampf negativ auf potentielle Wähler auswirken. Die Politikverdrossenheit der Bevölkerung kann demnach dahingehend verstärkt werden, dass Wähler an der Authentizität und Wahrheit der Kampagnen zweifeln. Dies geht auch damit einher, dass Spin Doctors oder Wahlkampfmanager vorzugsweise im Hintergrund fungieren, um nicht auf sich sondern auf den kandidierenden oder amtierenden Politiker aufmerksam zu machen.

Autoren: Selina Leiss & Katharina Schwab

Bild: flickr.com: „eagentur_nrw_essen_04“, EnergieAgentur.NRW (CC BY 2.0)