Youtube als Newsplayer

Copyright: Pixabay/PIRO4D

Warum Leberkäsesemmel essende PolitikerInnen auf „YouTube“ eine demokratiepolitische Chance sein können: Im SUMO-Gespräch befassten sichUniv.-Prof. Katrin Döveling, Alpen Adria Universität Klagenfurt, und Univ.-Prof. Jürgen Grimm, Universität Wien, mit demjungen Player „YouTube“ am Nachrichtenmarkt.

Über eine Million Digital Natives erreichen in den kommenden Jahren laut Statistik Austria das 16. Lebensjahr und damit die passive Wahlberechtigung. Dieserin Zukunft wahlberechtigten Generation wird unter anderem eine hohe Affinität zu sozialen Medien und digitalen Inhalten zugesprochen. Die Reichweiten von klassischen NachrichtenlieferantInnen wie Tageszeitungen und TV dagegensind in den entsprechenden Alterskohorten seit Jahren rückläufig. Aus diesem Grund stellt sich die Frage: Über welche Medien und über welche Formaterezipiert diese Generation Informationen und Nachrichten, um sichzum Beispiel für Wahleneine Meinung zu bilden?Dieser Artikel widmet sich einem der „neuen“ Newsplayer am Medienmarkt – der Videoplattform „YouTube“, und soll klären, ob „YouTube“ eine geeignete Nachrichtenquelle darstellen kann und es sich bei dem Angebot um ein funktionales Äquivalent zum professionellen Journalismus handelt.

 

Was ist überhaupt eine Nachricht?

Zur Beantwortung oben genannter Fragen muss zunächst der Begriff der Nachricht einer genaueren Betrachtung unterzogen werden. In der einschlägigen Literatur finden sich zahlreiche Definitionen. Im weitesten Sinn handelt es sich bei einer Nachricht um eine Aussage über die Realität, die für die EmpfängerInnen eine gewisse Relevanz aufweist. Auch der Aspekt der Neuigkeit der Information wird in einigen Definitionen genannt. Durchaus kontrovers sind hingegen die Meinungen bezüglich des Wahrheitsanspruchs an die Information. Für Katrin Döveling, Professorin an der Alpen Adria Universität Klagenfurt, stellt bereits die Auswahl von Informationen aus einem komplexen Themenspektrum eine Nachricht dar, denn die Auswahl entscheide, schließlich was zur Nachricht wird.

„Gerade in diesem Moment verändert sich aufgrund digitaler Medien sehr viel. Durch die zunehmende Digitalisierung sehen sich Medien-RezipientInnen mit einer stetig wachsenden Menge an Informationen konfrontiert“, so Prof. Döveling. Daher müsse sich auch die Nachrichtenwerttheorie, die verschiedene Faktoren nennt, wann eine Information zu einer Nachricht wird, an diese geänderte Situation anpassen.

Professor Jürgen Grimm vom Publizistik-Institut an der Universität Wien knüpft den Begriff „Nachrichtenwert“ zunächst im Sinne seiner ursprünglichen Bedeutung an die klassischen und professionellen Medienanbieter in den Redaktionen der Zeitungen und Fernsehsender an. Durch das Internet sei diese Definition jedoch fragwürdig und vage geworden. Der Begriff befände sich gerade in einem Prozess der Re-Definition, so Prof. Grimm.

 

Herzlichen Glückwunsch, es ist ein Newsplayer!

Legt man die eben genannten Definitionen auf „YouTube“ um, darf sich das Videoportal also theoretisch stolz „Newsplayer“ nennen.

Die 2017 im Auftrag der RTR von FH-Prof. Andreas Gebesmair durchgeführte Studie „Die wirtschaftliche und gesellschaftliche Bedeutung von ‚YouTube‘-Channels in Österreich“zeigt eine klare Tendenz zu Unterhaltungsangeboten.

Unter den Top 100 Channels in Österreich dominieren fünf Kategorien: „Gaming“, „Entertainment“, „Music“, „People & Blogs” und „HowTo& Style“. Andere Kategorien spielen eine untergeordnete Rolle. Dennoch ist auch ein einsetzender Eroberungsfeldzug des Videoportals in Richtung Nachrichten-Markt wahrnehmbar. Und gerade wegen des momentanen Unterangebots an Nachrichtenkanälen ist der Videoplattform ein Potential zu attestieren.

 

„YouTube“ und journalistische Qualität – ein Widerspruch?

SkeptikerInnen werden nun verächtlich mit den Augen rollen und das Nachrichtenangebot des Videoportals mit nur einem Wort vom Tisch fegen: Qualität.Bei der Rezeption von Nachrichten mag der Wahrheitsgehalt der Informationen für die EndnutzerInnenzwar generell nur schwer nachvollziehbar sein, dennoch kann man zumindest in den meisten Fällen bestimmte Qualitätskriterien an Informationen anlegen. Man spricht in diesem Zusammenhang von journalistischer Qualität.

Für Professor Grimmgeht es bei diesem Begriff darum, welche Funktion die Kommunikation für die Gesellschaft erfüllt. Denn Kommunikation und daher auch Nachrichten sind nicht einfach nur da, sondern erfüllen eine gesellschaftliche Aufgabe. Vor allem soll Journalismus öffentliche Debatten zur Lösung von Problemen wie Ungleichheit, soziale Sicherheit und Integragtion anregen. Ob also Nachrichten-Kanäle auf „YouTube“ journalistische Qualität aufweisen können, ist nicht bloß vom Betreiber des Channels (Privatpersonen oder etablierte Medien) abhängig. Entscheidend für die Bewertung der Qualität ist laut Grimm vielmehr, ob die Nachricht oder Meinung begründet, lösungsorientiert und sachlich ist, und damit zum gesellschaftlichen Diskurs beiträgt. Mit anderen Worten, ist die Nachricht demokratiekompatibel oder nicht?

Dass sich einige klassische Medienanbieter die permanente Erfüllung journalistischer Qualität auf die Fahnen heften, während private YouTuberInnen niemals qualitativ hochwertige Nachrichten verbreiten würden, ist daher nicht gerechtfertigt. Professioneller Journalismus ist, ganz im Gegenteil, mehr und mehr der Konkurrenz von anderen AkteurInnenausgesetzt,die sehr wohl auch Qualitätsansprüche erfüllen können.In der Fachliteratur fallen zu diesem Phänomen Schlagworte wie „Bürgerjournalismus“ „grasrootjournalism“ oder auch „Laienjournalismus“. Der Grundgedanke dieser auch als „partizipativ“beschriebenen Formen des Journalismus, der insbesondere darin besteht, dass normale BürgerInnen mit ihren Kompetenzen und Vorstellungen ein Gegengewicht zur Berichterstattung der etablierten journalistischen Medien bilden, ist ohne Frage ehrbar.Der Haken an diesen Formen ist, dass siezumeist nicht die Ganzheit der Gesellschaft abbilden und ansprechen. „Natürlich ist es erst einmal gut, den Bezug zu einer bestimmten gesellschaftlichen Gruppe herzustellen. Problematisch wird es aber, wenn es dann zu einer Verengung des Blickwinkels kommt und eine Monokultur präsentiert wird. Was ist dann mit der Mehrheit? Die rennen dann zur FPÖ“, antwortet Grimm auf die Frage nach seiner Meinung zu Graswurzeljournalismus auf „YouTube“.

 

Der eine oder andere Schönheitsfehler….

Ein weiterer Kritikpunkt, den sich News-Channels auf „YouTube“ gefallen lassen müssen ist die oftmals fehlende Trennung von Fakt und Meinung. (Diese Kritik gilt natürlich sowohl für privaten als auch für professionellen Journalismus.)

Die fortschreitendeFragmentation des Publikums könne zudem durchaus dazu führen, dass vermehrt Nachrichten unabhängig von ihrem Wahrheitsgehalt publiziert werden und MedienrezipientInnen immer öfter„fakenews“ ausgesetzt seien, so Döveling.Nötig sei daher dieMedienkompetenzbildung an Schulen. Eltern und Bildungsinstitute müssten lehren, wie man seriöse Nachrichten erkennt. „Viele Jüngere wissen so etwas nicht, ich würde das schon fast als Schulfach einführen“, rät sie. Grimm sieht außerdem einen Regulierungsbedarf für „YouTube“. Man könne das Netz nicht länger als Eldorado der Freiheit sehen, sondernmüsse überlegen inwieweit man wo, in welcher Art eingreifen kann.

 

Newsplayer „YouTube“- eine demokratiepolitische Chance?

Nicht jedem Nachrichten-Channel auf „YouTube“haftet automatisch der Makel der Unseriosität an, betont auch KatrinDöveling. Ein durchaus positives Beispiel wie Nachrichtenverbreitung über „YouTube“ funktionieren kann ist für Döveling der Channel „Jäger & Sammler“.Jung, neugierig und offensiv – so beschreibt sich das Angebot selbst. Bei den veröffentlichten Beiträgen handelt es sich in erster Linie um aktuelle, gesellschaftspolitisch relevante Themen, teilweise sogar investigativen Journalismus, der für junge Menschen ansprechend aufbereitet wird. Produziert wird der Channel von ARD und ZDF.Veränderung und Entwicklung von Formaten in diese Richtung seien laut Dövelingzu begrüßen. Klassische MedienanbieterInnen habendurch Plattformen wie „YouTube“ die Chance bekommen, mit Nachrichten auch ein jüngeres Publikum zu erreichen und dieses zielgruppenorientiert anzusprechen.

 

Was darf‘s sein: Information, Unterhaltung oder beides?

Wenn aber nun ein Video von PolitikerInnen die höchst zufrieden Leberkäse essen Traffic produziert und letzten Endes dazu führt, dass junge Menschen deswegen wieder wissen, wie der momentane Bundeskanzler heißt, Politik also nahbarer, menschlicher wird, ist auch ein solches Angebot prinzipiell nicht schlecht.

Nein, ein solches Video liegt der SUMO-Redaktion nicht vor. Aber Karten auf den Tisch: Sie haben mit dem Gedanken gespielt, sich den (Leber)Käse anzusehen!

Und genau dieser Gedanke zeigt, dass „YouTube“ als Newsplayer funktionieren kann. Etwas lauter und greller vielleicht als man es aus Print, TV und Radio gewohnt ist, aber im Kern geht es bei Informationen darum, den Wissenstand der Empfangenden zu erhöhen. Das geht auch in bunt und mit Unterhaltungsaspekt.

 

Jürgen Grimm sieht für etablierte Medien keine andere Alternative als sich auf Plattformen wie „YouTube“ zu präsentieren. Er setzt jedoch auf eine andere Möglichkeit für „Standard, „Presse“, ORF und Co. Zwar müssten die klassischen Medien durch die momentan stattfindende Transformation “durch“, die Tendenz zu Infotainment sieht er jedoch nicht als Naturgesetz an. Auch Döveling betrachtet den Infotainment-Trend kritisch. Etablierte Medien könnten sich genauso als „Leuchttürme des Qualitätsjournalismus“ positionieren, so Grimm. Gerade in einem „entertainisierten“Umfeld wie „YouTube“ könne sich Seriosität behaupten – einfach, weil sie anders ist.

 

„YouTube“ als Newsplayer der Zukunft?

Seriöse Nachrichten-Anbieter stehen derzeitvor der Aufgabe,die Entscheidung zu treffen, wie viel Zeit und Geld in Zukunft in„YouTube“-Redaktionen investiert wird.Und außerdem, wie das Unterhaltungsbedürfnis und Informationsbedürfnis der UserInnen in gleichem Maß befriedigt werden kann. Momentan befindet sich der Newsplayer „YouTube“ noch in einem Entwicklungsstadium. Ob etablierte Medien das Potential erkennen und mit ihren Angeboten mithalten, und ob eine News-Policy für Private durchsetzbar ist, wird sich in den nächsten Jahren zeigen.

Wir aus der SUMO-Redaktion sind jedenfalls gespannt. Und keine Sorge, wegen dem Leberkäse-Video halten wir Sie auch auf dem Laufenden!

 

Autorin: Katharina Arbeithuber

Kommentar hinterlassen