„Ein historischer Beschluss“: Klimajournalist Bernhard Gaul und die COP28

In der sich zuspitzenden Klimakrise gewinnt der Klimajournalismus zunehmend an Bedeutung. Bernhard Gaul vom „Kurier“, Journalist mit langer Erfahrung in diesem Bereich, bietet Einblicke in die Herausforderungen und Chancen des Fachgebiets Klima. Im Fokus dabei: die jüngste Kli- makonferenz in Dubai, die trotz vieler kritischer Stimmen neue Maßstäbe in der internationalen Klimapolitik setzte.

von MAXIMILIAN HANDL & RAPHAEL HUTFLESS

SUMO: Wie vermittelt man die Themen Klimawandel und Klimakrise in einer Zeit, in der Diskussionen darüber sehr po- larisiert ablaufen? Und: Gibt’s hier Unterschiede in verschiedenen Generationen?
Bernhard Gaul: Also ich will zuerst einmal aufräumen mit der Idee, dass ich einen tatsächlichen Einfluss habe und etwas ändern kann. Ich bin Berichterstatter, ich bin Journalist, ich bin Reporter. Man kann natürlich nicht entscheiden, wer das liest und wer das nicht liest. Mir ist auch klar, dass die gesamte Berichterstattung sehr kritisch gesehen wird. Es geht darum, die älteren Generationen auf die richtige Seite zu holen, auf die Seite des Bewusstseins vom Klimawandel. Das ist aber nicht meine Aufgabe als Journalist. Das ist vielleicht Aufgabe der Politik oder der politischen Parteien. Ich merke, dass sich nicht nur die ältere Generation, sondern auch meine Generation sehr gerne alle möglichen Ausflüchte sucht, wie: „Das ist ja gar nicht so wild. Das ist doch nur die Sonne“. Vom IPCC, dem Weltklimarat, gibt es mittlerweile den sechsten Sachbestandsbericht, welcher sich nur mit der Physik des Klimawandels beschäftigt. Ich bin nicht bereit zu diskutieren, ob es einen Klimawandel gibt und ob der menschengemacht ist. Das steht für mich felsenfest.

Sogenannte Mainstream-Medien gelten für viele Menschen mittlerweile als Panikmacher in Sachen Klima. Wie stehen Sie zu dieser Kritik?
Gaul: In dem Schlussdokument, welches bei der Klimakonferenz in Dubai beschlossen wurde, steht relativ klar drin, dass wir uns auf eine 2,9-Grad-Erwärmung zubewegen und das auch nur, wenn die sogenannten NDCs (Anm.: National Determined Contributions) also das, was die Staaten versprochen haben, umgesetzt wird. Gehen wir bis Ende des Jahrhunderts auf eine Drei-Grad-Welt zu, sieht das die Wissenschaft sehr klar: eine Katastrophe. Man kann natürlich sagen, das sei künstliche Hysterie, es sind aber wissenschaftliche Fakten.

Wie hat sich Ihrer Meinung nach der Klimajournalismus im Laufe der Zeit verändert? Und: Hat die Klimakonferenz etwas daran geändert, wie berichtet wird?
Gaul: Puh, da tue ich mir etwas schwer, das zu bewerten. Ich glaube aber schon, dass es ernster genommen wird. Ich denke, was in Paris 2015 beschlossen wurde, ist gesickert. Die Journalist:innen haben verstanden, dass die Staaten alles tun sollen, um die Erderwärmung deutlich unter zwei Grad zu begrenzen. Das ist zumindest angekommen. Außerdem ist es einfach ein Thema, oder? An dieser Stelle ein Shoutout an die Fridays for Future, denn wären 2018 und 2019 die Klimaproteste der Jugend in Europa nicht so groß gewesen, dann hätte sich das nie so entwickelt.

Klimajournalist:innen wird häufig vorgeworfen, alarmistisch zu berichten oder Panikmache zu betreiben. Wie gehen Sie persönlich mit solchen Vorwürfen um?
Gaul: Ich mische mich immer wieder in die Kommentare unter den Onlineartikeln ein und versuche da ein bisschen was richtig zu stellen oder auch ein bisschen aufzuklären. Wenn jemand etwas partout nicht wahrhaben will, dann ist es jedoch nicht meine Aufgabe, den umzudrehen. Ich bin Berichterstatter. Ich zeige das, was passiert, aber ich bin kein Politiker und ich bin auch kein Aktivist. Und es ist ganz wichtig, dass ich das nicht bin. Es sind jedoch sehr wenige Menschen, die die Diskussion gekapert haben und laut schreien.

Denken Sie, dass die Debatte um den Klimawandel versachlicht werden sollte oder sehen Sie die Emotionalisierung als etwas Positives?
Gaul: Was polarisiert nicht mehr heutzutage? Das ist irgendwie Teil einer gesellschaftlichen Entwicklung, die wirklich fürchterlich ist. Die Polarisierung beim Klimathema hat natürlich auch damit zu tun, dass für die Menschen Veränderung einfach mühsam ist.

Wieso ist die Klima-Bericht- erstattung so schwierig?
Gaul: Ein Grad, 1,5 Grad, zwei Grad, drei Grad, Vier-Grad-Welt. Keinem Menschen sagt das was. Das halte ich für ein Riesenproblem für uns Journalist:innen in der Kommunikation. Da hätte ich schon gesagt, dass die Klimajournalist:innen einen großen Auftrag haben. Wir brauchen ein besseres Narrativ für die Geschichte. Eine Zwei-Grad-Welt, das juckt niemanden, aber eine Welt, die wirklich nicht schön ausschaut, das vielleicht schon mehr.

Kommen wir nun zur Weltklimakonferenz, welche Sie journalistisch begleiten konnten. Wie bewerten Sie die Ergebnisse der Klimakonferenz in Dubai 2023?
Gaul: Historisch. Man muss hier grundsätzlich verstehen, dass die Europäische Union bereits für sich beschlossen hat, bis 2050 aus den fossilen Energieträgern auszusteigen. Jetzt hat es die ganze Welt beschlossen. Wir müssen eine Industrie, die 130 Jahre lang aufgebaut wurde, in wenigen Jahrzehnten komplett umrüsten. Und das geht nicht, indem ich ein fossiles Kraftwerk abdrehe und einen Windturm hinstelle, wir müssen ganze Systeme umbauen.

Wieso kam dieser bedeutungsvolle Beschluss gerade jetzt und haben Sie mit diesem Ergebnis gerechnet?
Gaul: Nein. Das Grundproblem bei dieser Klimakonferenz in Dubai war, dass der Vorsitzende Sultan Al-Jaber CEO einer der größten Ölfirmen der Welt ist, der Abu Dhabi National Oil Corporation. Al-Jaber hat aber auch eine zweite Firma, in der er Vorstandsvorsitzender ist, die alternative Energien produziert, also Photovoltaik vor allem. In so einem Wüstenstaat ist ja relativ viel Sonnenenergie verfügbar. Und hier stellte sich immer die Frage, wie janusköpfig ist der Mann? Wenn er scheitert, dann geht er weinen auf seiner Motorjacht. Also ihm passiert nichts. Al-Jaber hat sich zwei Jahre auf diese Konferenz vorbereitet und auch im Vorfeld schon davon gesprochen, dass er ein historisches Ergebnis haben will. Er ist gut vernetzt, hat einen wissenschaftlichen-technischen Hintergrund und hat sich viele professionelle Verhandler aus der ganzen Welt geholt. Wie Al-Jaber letztlich alle Staaten an Bord geholt hat, weiß ich nicht. Das konnte mir nicht einmal die österreichische Delegation wirklich befriedigend beantworten. Was wir sagen können, ist, dass die Amerikaner:innen offenbar sehr gut mit den Chines:innen reden konnten und so auf einen gemeinsamen Nenner kamen.

Kleinere Inselstaaten sind durch den steigenden Meeresspiegel viel stärker von der Klimaerwärmung betroffen. Weshalb haben diese nicht gegen den Kompromiss auf der Konferenz gestimmt?
Gaul: Jetzt erzähle ich ein Gerücht, aber das ist meine einzige logische Erklärung für diese Geschichte. Warum haben die Inselstaaten mitgestimmt? Für die Inselstaaten ist der Beschluss in Dubai, so gut er auch war, natürlich noch immer nicht genug. Das geht sich nicht aus. 1,5 Grad ist für diese Inselgruppen einfach das kritische Maß. Sie wussten aber ganz genau, einen härteren Text als den, der vorliegt, den kriegen sie nicht – und deshalb sind sie einfach zu spät in den Sitzungssaal gekommen. Wenn sie dagegen gestimmt hätten, wäre es zu gar keinem gemeinsamen Beschluss gekommen – und das wäre eine noch größere Katastrophe.