„Shine bright like a diamond“, forderte Rihanna einst wohl auch für sich.
Das Scheinen (wie auch der Schein) in der medialen Selbstdarstellung ist ein altes Phänomen, ob des Booms an Casting- und Talent-Show-Formaten gerade in Zeiten internetbasierter Plattformen jedoch wurde es massiver, sich in den Mittelpunkt zu stellen. SUMO sprach über ihre Beweggründe daran teilzunehmen mit Michael Russ, Semifinalist der bei „The Voice of Germany“ 2017 und Teilnehmer bei „Starmania 21“, sowie mit dem Finalisten von „Starmania 21“ Fred Owusu.
Die Faszination einer Castingshow lebt von der Idee dahinter: ein Mensch mit einem Talent im Zentrum, ringsum als bedeutsam erachtete JurorInnen, deren pointierte oder bissige Beurteilungen wiederum jene des Publikums anheizen. Bei Singer-Songwriter Michael Russ begann die Faszination schon im jungen Alter, als er gemeinsam mit seinen Eltern Formate wie „The Voice of Germany“ („ProSieben“/„SAT.1“) oder „Die große Chance“ (ORF) vor dem TV-Gerät mitverfolgte. Er kann sich auch noch gut an jenes Konzert erinnern, das die FinalistInnen der ersten Staffel von „Starmania“ (ORF) 2003 gaben, und an ein gemeinsames Foto mit Gewinner Michael Tschuggnall und Christina Stürmer, die bekanntlich nach ihrer Teilnahme große Erfolge feierte. Seine Mutter war es dann, die ihn auf die Bewerberauswahl in München für die siebente Staffel von „The Voice of Germany“ aufmerksam machte, was er als Chance sah, um vielleicht einem Leben als Student entkommen zu können. An Talent habe es ihm nie gefehlt, jedoch fehlte ihm trotz musikalischer Erfahrung in seiner Band die Selbsteinschätzung, um von sich aus den Schritt zu wagen, bei einer Castingshow mitzuwirken. Dies ist durchaus häufig der Fall – ob im Sport, in der Musik oder Schauspielerei –, Talente wie der kolumbianische Reggaeton-Sänger Maluma oder Rennfahrer Lewis Hamilton wurden erst aufgrund der Förderung ihrer Eltern zu dem, was sie heute sind.
Eine ähnliche Erfahrung teilt auch Fred Owusu, Finalist von „Starmania 21“, bei dem es eine Freundin war, die Wochen davor immer wieder versuchte, ihn zum Casting zu überreden und die ihn schlussendlich für die Show registrierte. Dass es dazu auch Mut benötigt, betont Fred in seinem Interview mit SUMO. Auch seine Schüchternheit war es, die ihn vor dem Schritt der Selbstinszenierung auf einer Bühne ferngehalten hat, denn im Unterschied zu Michael hatte Fred bis zu jenem Zeitpunkt keine Erfahrung diesbezüglich sammeln können. Den letzten Schritt musste Fred schließlich selbst tun und so bewarb er sich am letzten Tag der Anmeldefrist offiziell mit eine Casting-Video, bei dem er einen ausgewählten Song covern musste. Gleichwohl wurde er unter den zahlreichen BewerberInnen einer von insgesamt 64 KandidatInnen, der sich in den ersten Runden der Liveshow beweisen durfte.
Das Konzept hinter dem TV-Format
Vom Prinzip her sind Castingshows alle gleich, da es immer darum geht, Menschen gegeneinander antreten zu lassen, die von einer Fachjury bewertet und Runde für Runde weniger werdend weitergewählt werden. Ziel ist es, am Ende eine/n Sieger/in zu finden. Es gibt Unterschiede in der Vorauswahl und der Aufbereitung der Shows, jedoch ist der Ablauf ein strikter, da dieses TV-Format mit viel Zeit, Geld sowie Rechten und Pflichten verbunden ist. Umso bemerkenswerter sei es jedoch, dass hier und da auch einmal improvisiert werde, erzählt Fred. Vokal-Coaches sowie ChoreografInnen stehen während des Prozesses zur Verfügung, die Runde für Runde ihre Schützlinge auf ihren Auftritt vorbereiten. Es sei vorgekommen, dass sich aber der eine oder die andere auf tänzerische „Moves“ verließ. Dass dies ein Risiko für den Auftritt sei und somit volles Vertrauen untereinander herrschen müsse, zeuge von Qualität und ließ so manche Hüllen fallen, wie Fred es bei einem seiner Finalauftritte präsentierte.
Anders hingegen sei es laut Michael bei „The Voice of Germany“: Sogenannte „Shoot-Out-Runden“ sorgen dafür, dass nur die Besten aus willkürlich zusammengesetzten Fünfergruppen weiterkommen, denen jeweils ein Song zugewiesen wird, den sie dann im A-cappella-Stil vorsingen müssen. Pro Gruppe kam immer eine/r weiter, die wiederum gegeneinander antreten mussten. Dies zog sich so lange hin, bis die gesuchte Anzahl an KandidatInnen feststand. Michael findet dies schade, da so viele gute Talente dabei wären, dass man selbst die Casting-Runden ausstrahlen hätte müssen. Die Chance zu bekommen, unter all den talentierten BewerberInnen dabei sein können, war für ihn zusätzliche Motivation. „Für einen, der so eine Erfahrung noch nie erlebt hat, stellt sich erst gar nicht die Frage, zu welchem Zweck man mitmacht.“ Ihm ging es dabei nie um den Sieg, Dabeisein und Erfahrung zählten. Ebenso sieht das Fred, der trotz des eher „ungewollten Dabeiseins“, nachdem er als Liveshow-Kandidat kontaktiert wurde, niemals an das Aufgeben dachte.
Dass sich Michael im „Team Mark Forster“ bis ins Halbfinale beweisen konnte, war nicht nur für ihn ein Highlight. Familie und FreundInnen waren treue Wegbegleiter, die es auch brauchte, da nicht nur eine Flut an Nachrichten über ihn und in seine sozialen Netzwerke hereinprasselte, als zu Beginn die erste Blindaudition von Michael im Fernsehen ausgestrahlt wurde, sondern auch der Druck wuchs und mit ihm die Gedanken hinsichtlich seiner musikalischen Zukunft. Mit seiner Teilnahme bei „The Voice“ folgten Anfragen zu Liveauftritten und desgleichen, mit dem er zu Beginn nicht gerechnet hätte. So berichtet er von möglichen Chancen, die er aufgrund von Unerfahrenheit ausließ. Ins Kapitel „Starmania 21“ ging er hingegen mit einem klaren Plan vor Augen und der Unterstützung seines Labels „Global Rockstar“, bei dem der Sänger seit Frühjahr 2020 unter Vertrag ist.
Diesmal erst recht!
Neben dem Faktor „No risk, no fun“ war sich Michael diesmal auch der strategischen Komponente bewusst und wollte dort weitermachen, wo er bei „The Voice of Germany“ aufhörte – nämlich nach oben. Zum Zeitpunkt des SUMO-Interviews (April 2021) war der junge Künstler im Tonstudio am Proben für seinen nächsten Auftritt bei „Starmania 21“, für Liveauftritte sowie den Release einzelner Singles. Denn gerade für Newcomers ist das Format eine der größten Chancen, Aufmerksamkeit und Reichweite zu generieren und so nicht nur seinem Talent freien Lauf zu lassen, sondern vor allem Promotion zu erzielen.
Dies verlangt nicht nur Selbstbewusstsein nach außen hin, sondern viel Arbeit, die im Rampenlicht kaum sichtbar ist. Auch Fred Owusu investiert viel Zeit und Leidenschaft in neue Demo-Recordings. Er, der nebenbei studiert, ist sich des Gesetzes der Musikindustrie bewusst.
SUMO: „Was würdest du einem achtjährigen Kind mitgeben, wenn es zu dir sagen würde, dass es auch einmal auf einer Castingshow-Bühne stehen möchte?“
Fred Owusu: „Erstmals würde ich das Kind fragen, ob es auch tatsächlich das ist, was es tun möchte; denn es gibt einen Unterschied, ob die Leidenschaft zur Musik dabei im Vordergrund steht oder der Entertainment-Faktor. Wenn es die Leidenschaft ist, die das Kind dazu bewegt, mitmachen zu wollen, dann auf jeden Fall. Wichtig dabei ist, dass man das Ganze ohne Druck macht, denn seine eigenen Erwartungen zu erfüllen, ist oftmals der falsche Ansatz und führt zu Enttäuschung.“
Dass die beiden Musiker optimistisch bleiben, was ihre Zukunft im Musikbusiness angeht und sie jedem/r Musiker/in empfehlen würden, einmal selbst Teil einer Castingshow zu sein, zeigt, dass es nicht nur um den Faktor des Entertainment des Publikums geht, sondern auch tatsächlichen Talenten neue Türen zu öffnen und ihnen eine Plattform zu bieten, die es ihnen ermöglicht, sich öffentlich beweisen zu können.
Was jedoch bleibt, ist die härteste Währung in der Mediengesellschaft: die Ökonomie der Aufmerksamkeit. Und diese sinkt im Fernsehen stetig: Lag die durchschnittliche Zuseherzahl von „The Voice of Germany“ in Deutschland bei der ersten Staffel 2012 noch bei knapp 4,2 Millionen, waren es 2020 nur mehr rund 2,7 Millionen. Aufmerksamkeit ist ein inflationäres Gut.
von Michael Haas