Wir schmunzeln über ihre Darstellungen. Wir ärgern uns mit ihnen über politische Geschehnisse. Wir bewundern ihre Fähigkeit, eine brenzlige Situation humorvoll dazustellen.
KarikaturistInnen sind KünstlerInnen, die wissen, wie man Neuigkeiten, Skandale und Krisen so darstellt, dass man laut auflachen muss. SUMO sprach über das Berufsbild mit dem österreichischen Star-Karikaturisten Gerhard Haderer, sowie mit dem Künstlerischen Direktor des Karikaturmuseums Krems Gottfried Gusenbauer und mit der Leiterin des Österreichischen Karikaturenvereins Nina Herzog.
Was mit übertriebenen Portraits im 18. Jahrhundert anfing, hat sich zu einer eigenständigen Kunstform entwickelt. Die Karikatur ist eine Form der satirischen Darstellung einer bestimmten Person oder einer Situation. Nina Herzog promovierte zu diesem Thema. Im SUMO-Interview erklärt sie, dass man einst angefangen hätte, Persönlichkeiten wie Könige nicht als erhaben und mächtig dazustellen, sondern anhand eines spezifischen äußeren Merkmals, wie etwa einer großen Nase. Manchmal hätte man auch versucht, einen bestimmten negativen Charakterzug bildlich aufzubereiten. Mit der Zeit wurden die Zeichnungen immer satirischer und noch übertriebener. Diese Entwicklung hat sich bis heute durchgezogen. Herzog meint, dass die Karikatur ihren Höhepunkt an persönlicher Freiheit im 21. Jahrhundert erreicht hätte, da man zum Beispiel hochrangige PolitikerInnen auf der Toilette zeigt. Sie kann sich nicht vorstellen, dass man Karikaturen wie diese noch übertrumpfen könne, aber hofft, dass diese Freiheit erhalten bliebe. Die Grundfunktion der Karikatur habe sich nicht verändert: Personen in einer hohen gesellschaftlichen Position von ihrem sinnbildlichen Podium herunterzuholen und sie zu vermenschlichen.
Wie man überhaupt KarikaturistIn wird
Der Werdegang von KarikaturistInnen kann auf verschiedene Weisen verlaufen. Gerhard Haderer berichtet, dass er zu Beginn Grafikdesigner in Linz war und das Zeichnen von Karikaturen als Hobby angefangen habe. Er benutzte das Zeichnen als Methode zum Stressabbau. „Es ist nie meine Absicht gewesen, lustig zu sein. Für mich ist es eine Art Ventil. Wenn ich jetzt irgendeine Zeichnung mache, die auch politisch ist, wobei ich mich zum Beispiel an Herrn Kurz reibe, dann fühle ich mich danach besser, vor allem, weil ich etwas öffentlich gesagt habe. Ich zeichne mir meine Sichtweise praktisch von der Seele.“ Haderer habe anfangs nur für sich selbst und seinen Freundeskreis gezeichnet, da jedoch die Karikaturen so gut aufgenommen wurden, kamen die ersten Jobangebote von Zeitungen. Er bezeichnet seinen Werdegang geradezu als paradiesisch. Wenn man heute Karikaturist/in werden will, sehen die Umstände vermutlich etwas anders aus. Gottfried Gusenbauer berichtet, dass es für KarikaturistInnen zunehmend schwerer werde, vor allem durch die Gratiskultur und den internationalen Wettbewerb aufgrund der Digitalisierung. Es scheint, als wären immer weniger finanzielle Mittel da, um von dem Beruf leben zu können. Versuche dem entgegenzuwirken gibt es: Sowohl das Karikaturmuseum in Krems, als auch der Österreichische Karikaturenverein veranstalten immer wieder Wettbewerbe, um die KünstlerInnen aktiv zu fördern. Die Karriere des österreichischen Karikaturisten Thomas Wizany habe mit einem gewonnenen Malwettbewerb begonnen, und damit sei er kein Einzelfall. „Wir als Österreichischer Karikaturenverein haben den Salzburger Karikaturenpreis. Damit fördern wir Nachwuchstalente, also Leute mit Interesse ihr Talent auch zu zeigen. Wenn man so einen Wettbewerb gewinnt, hat man natürlich wieder einen Pluspunkt im Lebenslauf als Karikaturist/in und kommt so vielleicht auch weiter“, so die Leiterin des Karikaturenvereins.
Satirische Zeichnungen mit tiefer Bedeutung?
So prägnant wie die Zeichnungen oft sind, hinterfragt man als Rezipient/in gleichwohl die Intentionen dahinter und ob der/die Karikaturist/in auf die Gesellschaft einwirken möchte. Haderer meint dazu: „Wenn ich den Eindruck hätte, dass ich einen Einfluss nähme auf die politischen Abläufe, wäre ich vollkommen gehemmt. Ich hatte niemals als Ziel etwas politisch zu ändern, sondern immer eine bestimmte Perspektive strapaziert. Das ist die Perspektive der einzelnen Betroffenen, sprich meiner FreundInnen und meiner Familie.“ Haderer berichtet auch, dass ihn vereinzelte PolitikerInnen immer wieder wegen seinen Arbeiten getadelt hätten, andere jedoch versuchen ihn als Verbündeten zu gewinnen und laden ihn dazu auch hin und wieder zum Essen ein. Auch Nina Herzog schreibt der Karikatur keinen großen Einfluss zu. Sie konstatiert, dass Karikaturen eher einen Symbolwert hätten und eine Botschaft zusätzlich verstärkten bzw. mehr Aufmerksamkeit auf ein Thema oder einen Diskurs lenkten. Gottfried Gusenbauer sieht es ähnlich und meint, dass Karikaturen vor allem das Zeitgeschehen mitverfolgten und kommentierten. Speziell durch die zunehmende Bedeutung von Social Media könne man Ereignisse durch Karikaturen besser einordnen.
Neue Bedingungen für eine alte Kunstform
Das Arbeitsumfeld und die Bedingungen für den Beruf haben sich ebenso durch die Bedeutungszunahme sozialer Medien verändert. „Die Karikatur ist sehr stark mit der Geschichte des Mediums verhaftet. Sie ist richtig stark geworden mit dem Buchdruck, dann weiter mit dem Zeitungsdruck und natürlich jetzt noch stärker mit Social Media. Das sieht man vor allem anhand der vielen Karikaturen zum Arabischen Frühling, die massiv über die sozialen Medien verbreitet wurden“, sagt Gusenbauer. Andererseits gibt es auch Einschränkungen der Themenwahl. So wurden zum Beispiel im Juni 2019 die Karikaturen in der „New York Times“ gänzlich gestrichen und durch einen längeren Comic ersetzt, da die Inhalte und Themen der Karikaturen zu kontrovers gegenüber den Zeitungsinhalten wären, schreibt die „Washington Post“ in einem Bericht. Nach dem Anschlag auf das Satiremagazin „Charlie Hebdo“ haben sich Zeitungsredaktionen international dazu entschieden, die KarikaturistInnen speziell bei religiösen Themen etwas einzuschränken. Ob das der richtige Weg sei, wissen sowohl Haderer als auch Gusenbauer nicht, da man so der Angst nachgebe und dadurch eine Form der Selbstzensur betreibe. Über dies hinaus gibt es speziell für NeueinsteigerInnen noch andere Einstiegsbarrieren. So wird es durch die immer schneller werdende Nachrichtenwelt schwerer auf dem aktuellen Stand zu bleiben. „Der Job des Karikaturisten bzw. der Karikaturistin ist einer, bei dem man einige Dinge können muss. Man muss ein Talent zum Zeichnen haben, man sollte sich politisch auskennen. Man muss immer am aktuellen Stand sein und wissen, was gerade politisch passiert. Darüber hinaus sollte man dann noch historische Hintergründe kennen. Dazu kommt noch, dass es oft sein kann, dass die Zeichnung an Aktualität verliert, ehe sie noch veröffentlicht wurde. Der Job ist für mich mehr als ein Beruf, es ist ein Lebensstil“, stellt Gusenbauer fest.
Die Newcomer der Branche
Die österreichische Karikaturenszene ist mit vielen mittlerweile bekannten Namen geschmückt. Der Nachwuchs ist eher spärlich vorhanden und die drei interviewten ExpertInnen sind sich auch nicht sicher, ob es noch möglich sei, in Österreich von den Karikaturen die in Zeitungen und Zeitschriften publiziert werden alleine zu leben. Trotzdem versuche man vor allem durch Schülerwettbewerbe die nächste Generation von der Kunst der Karikatur zu überzeugen und somit die Darstellungsform weiter zu erhalten. Neben dieser dominieren zurzeit andere Kunstformen, die im Unterschied zur Karikaturenbranche vermehrt von weiblichen Künstlerinnen ausgeübt werden. Dazu gehören Manga, Graphic Novels und Illustrationen. „Was nicht aussterben wird, sind die SatirikerInnen. Die machen sich lustig über sich selbst und die ganze Welt, und wahrscheinlich wird es trotz der Digitalisierung auch nicht verloren gehen, dass talentierte Menschen immer wieder die Lust haben, richtig schön manuell auf Papier zu zeichnen“, meint Haderer.
Die Zukunft scheint nicht einfacher zu werden für die nächste Generation, dennoch deutet alles darauf hin, dass die Kunstform bestehen bleibt. Sie wird sich weiterentwickeln, in neuen Medienkanälen vertreten sein und die Freiheiten ihrer SchöpferInnen werden wohl weiterhin auszuloten sein. Man kann nur hoffen, dass es in Zukunft noch Künstler wie Gerhard Haderer gibt, die konstatieren: „Oft bekomme ich zu hören, du tust eigentlich nichts außer herumzusitzen und zu zeichnen. Das stimmt, aber für mich ist es die Welt.“
von Laura Sophie Maihoffer