Man nehme einen Goldesel… oder etwa nicht? Zur europäischen Filmfinanzierung

notes of dollars, movie camera
Credit photoniko

„Das wäre der perfekte Inhalt für den nächsten europäischen Blockbuster.“ Das dachten sich möglicherweise bereits viele. Doch wie finanziert man so ein Vorhaben?

SUMO diskutierte mit Esther Krausz, österreichische Ansprechpartnerin für „Creative Europe – MEDIA“, und Paul Clemens Murschetz, Privatdozent und Medienökonom, über die unterschiedlichen Varianten.

Wer kennt es nicht – die perfekte Filmidee spielt sich buchstäblich wie in einem Film vor dem inneren Auge ab, zumindest als Traum. Wenn man dann bedenkt, dass laut einer Studie der Europäischen Audiovisuellen Informationsstelle (2018) für die Herstellung eines auf europäischer Ebene gezeigten Kinospielfilms im Jahr 2016 im Durchschnitt mehr als 3 Millionen Euro ausgegeben wurden, dann stellen sich die Fragen: Was tun, um diesen Traum zu verwirklichen und über die Landesgrenzen bekannt und erfolgreich zu machen? Mit den zahlreichen Förderformen – von direkter und indirekter Förderung über Product Placement und Crowdfunding – werden eine Bandbreite an Wegen geboten, um ein Vorhaben zu realisieren. Doch wie wichtig sind die einzelnen?

Bei dem Instrumentarium der Förderung würden zwei Attribute im Fokus stehen: Effizienz und Effektivität, so Murschetz. „Institutionen der öffentlichen Filmförderung“ würden diese Prinzipien in die Praxis umsetzen, um eine Finanzierungsgrundlage für ProduzentInnen zu schaffen sowie Filmökosysteme insgesamt zu stärken.

Die direkte, öffentliche Filmförderung

Die „klassische“ Variante ist die direkte, öffentliche Filmförderung. Auf europäischer Ebene ist „Creative Europe“ die Ansprechorganisation in solchen Belangen. Das aktuelle Programm, welches mit 2020 endet, unterteile sich in die Unterbereiche „Culture“ und „MEDIA“, so Esther Krausz. Mit ihrem umfangreichen Kontingent an 13 Förderschienen – etwa „TV-Koproduktion“, „Projektentwicklung“ und „Verleih“ – würde „Creative Europe – MEDIA“ das Ziel verfolgen, den europäischen Film vor allem in Bezug auf die amerikanische Konkurrenz zu kräftigen, erläutert Krausz. Darüber hinaus würde „Creative Europe – MEDIA“ mit Trainingsangeboten unter anderem die Qualifikationen der einzelnen AkteurInnen fördern. Bei der Vergabe der Förderungen werde vor allem auf die sogenannte „Europäische Relevanz“ geachtet werden. Krausz erklärt, dass Gründe aufgezeigt werden müssen, die unterstreichen, wieso beispielsweise ein Film „für ein europäisches Publikum interessant ist“. Dieser Aspekt müsse inhaltlich, aber auch auf Arbeitslevel belegt werden, denn es „muss immer eine Zusammenarbeit mit Menschen, Firmen oder Organisationen in anderen europäischen Ländern“ geben. Darüber hinaus solle die Zielsetzung der Initiative erfüllt werden. Als Vorteile einer solchen europaweiten Förderinstitution sieht Krausz mehrere Aspekte, die ineinandergreifen. Unter anderem könne durch ein gemeinsames Arbeiten der Staaten ein höheres Kapital generiert werden. Im Zuge dessen könne der Film wiederum auch an ein breiteres Publikum vertrieben werden. Murschetz sieht hierbei die „Europäische Integration“ und „Europa als Wertekontinent“ im Vordergrund, um „sozusagen im Sinne der Integration die gemeinsamen Werte Europas zu stärken“. Des Weiteren würde hier ein höherer Geldbetrag zur Verfügung stehen und dies sei vorwiegend für eher größere Projekte von Vorteil. Allerdings würden aber ebenso „kleinere, künstlerisch qualitativ wertvolle Produktionen“ realisiert werden.

Ein Programm mit dieser Reichweite müsse auch zugänglich gegenüber kritischen Stimmen sein, so Krausz. Sie erläutert, dass unter anderem der Aspekt der „Fairness“ genannt werde, sprich ob alle Staaten dieselben Möglichkeiten auf finanzielle Unterstützung haben. Hier habe „Creative Europe – MEDIA“ mit einem „System der positiven Diskriminierung“ entgegengesteuert, um diese Fairness zu erreichen. „Einen weiteren Verbesserungsbedarf gibt es bei der Förderung für Nachwuchs“, da dieser es schwieriger hätte, Fördermittel zu erhalten. Da das Programm über eine Dauer von sieben Jahren verfügt, stellt sich auch die Frage, wie flexibel es agieren kann. Krausz erzählt, dass die Eckpunkte des Programmes definiert seien, Erfahrungen aber gezeigt hätten, dass es möglich sein müsse, spontaner zu reagieren.

Murschetz konstatiert, dass im europäischen Kontext die positiven klar die negativen Aspekte dominieren würden. Darüber hinaus jedoch kristallisierten sich in seiner Forschungsarbeit „State Aid for Film and Audiovisual Services. A Synoptic Review of Key Principles and Governance Models in Europe and Abroad“, den Murschetz gemeinsam mit dem Direktor des Österreichischen Filminstituts Roland Teichmann (2019, unter Mithilfe von Sameera Javed) verfasste, die Nachteile eines direkten Förderungsmodells heraus. Hierbei liegen die negativen Argumente unter anderem bei der bürokratischen Verwaltung, der zu geringen Innovationsförderung, zu niedrigen Filmförderbudgets sowie in der Tatsache begründet, dass direkte Modelle zu Anpassungen im Sinne des sich verändernden Marktes nur begrenzte Wirkung zeigen.

Ein Ausblick auf die nächste „Creative Europe“-Laufzeit bietet laut „creativeeurope.at“ neue Themenkernpunkte, wie etwa „Green Filming“, „Innovatives Storytelling“ oder die Förderung des Streaming-Bereiches, aber auch bestehende sollen weitergeführt werden. (Anm.: Ausführlichere Informationen waren zu Redaktionsschluss noch nicht verfügbar.)

Die Alternativen

Darüber hinaus gibt es noch andere Möglichkeiten ein Filmvorhaben in die Tat umzusetzen. Neben der direkten, die indirekte Förderung. Neben öffentlicher, die private. Doch was steckt dahinter? Bei der indirekten Förderung handelt es sich um Steuererleichterungen bei Filmproduktionen sowie Vergünstigungen im Rahmen dessen Einzelpersonen oder Unternehmen in förderfähige Filmproduktionen investieren und diese Investitionen mit einer bestehenden Steuerschuld verrechnen können, erklärt Paul Clemens Murschetz. So würden Kosten eingespart werden können. Er führt weiter aus, dass dieses System ebenso eingesetzt werden würde, um Investoren in ein Förderland oder ein Gebiet zu locken. Beispielsweise kommen indische Filmproduktionsunternehmen für einen Dreh in die Schweiz, um das Bergpanorama einzufangen. Dort würden die internationalen Zusammenarbeiten zwischen den indischen und schweizerischen Unternehmen von der Schweiz unterstützt werden, so Murschetz. Als negativen Aspekt sei es allerdings im Zuge dessen zu einem regelrechten „Filmproduktionstourismus“ gekommen, wie beispielsweise in den USA zu beobachten gewesen sei, erläutert Murschetz. Dies hätte auch dazu geführt, dass sich die Unternehmen nur für die Dauer der geförderten Produktion eben in den Regionen angesiedelt hätten, die diese Erleichterungen vorsehen und keinen nachhaltigen Aufbau einer Filminfrastruktur in den Förderregionen nach sich gezogen hätte.

Bei einer von vielen privaten Investitionsformen handelt es sich um Product Placement. Laut dem „Gabler Wirtschaftslexikon“ bezeichnet der Ausdruck im Generellen ein Instrument der Werbung, bei dem Waren von Marken bewusst als Ausstattungsgegenstände „in die Handlung eines Spielfilms“ integriert werden. In der Medienwirtschaft wird dies gegen Bezahlung eingesetzt, um den Verkauf zu steigern, so das „Gabler Wirtschaftslexikon“. Daraus lässt sich schlussfolgern, dass neben den werbenden Unternehmen eben auch die Filmproduktionsfirmen davon profitieren. Laut Krausz könne dies ein bedeutsamer Aspekt der Finanzierung sein, der in Europa allerdings noch nicht so präsent sei. Private Investitionen im Allgemeinen werde in Europa nicht so sehr genutzt, allerdings sei unter anderem Frankreich hier ein Vorreiter.

Eine weitere Alternative ist das „Film/Fernseh-Abkommen“ des ORF. Laut „filminstitut.at“ wird durch diese Initiative die Herstellung von österreichischen Kinofilmen gefördert. Hierbei handelt es sich um eine „Mit-Finanzierung“, welche an einige Bedingungen, beispielsweise der Bestätigung zur Förderung durch das Österreichische Filminstitut geknüpft ist. Des Weiteren muss unter anderem das ORF-Gesetz eingehalten werden. (vgl. SUMO 36: Österreichische Filmlandschaft)

Aber auch Crowdfunding ist eine Möglichkeit, einen Film zu finanzieren. Krausz sagt diesbezüglich, dass dies beispielsweise abhängig von der Art, dem Umfang sowie der Zielsetzung des Filmes sei. Des Weiteren sagt sie, dass es vorwiegend als „Marketinginstrument gut funktioniert“ hätte. Laut Murschetz eigne sich dies vorwiegend „für sehr kleine und kleinere Produktionen“, dabei erfülle privates Crowdfunding ebenso eine Filmförderungsfunktion. Es sei zumindest eine gute Strategie, sie ergänzend zur staatlichen Filmförderung anzuwenden.

Die Bedeutung der einzelnen Fördermaßnahmen

Die bereits angesprochene Studie der Europäischen Audiovisuellen Informationsstelle (2018) zeigte auf, dass mit 29% die „direkte öffentliche“ Filmförderung in 2016 die bedeutendste Finanzierungsmöglichkeit war, dicht gefolgt von „Investitionen von Rundfunkveranstaltern“ (25 %). Darüber hinaus zählen zu den Top 5: investiertes Kapital durch ProduzentInnen, „steuerliche Anreize“ (sprich: indirekte Förderung) sowie sogenannte „Vorabverkäufe“.

Murschetz konstatiert diesbezüglich, dass die direkten Förderinstitutionen auf Grund des geschichtlichen Hintergrunds sehr bedeutend seien, „vor allem in den korporatistisch geprägten Medienlandschaften Europas“. Als Beispiel führt er Frankreich, Schweden und Österreich an. Aber auch den indirekten Förderungen sei ein hoher Stellenwert zuzuschreiben und habe in „letzter Zeit“ in der Frage der Relevanz sowie „mittlerweile“ im Punkt des Umfanges die direkten Fördermittel überholt. Insbesondere für größere, länderübergreifende Projekte sollte es verstärkt „internationale Kooperationen in Richtung Anreize und Förderinstrumente indirekter Natur“ geben, wie sie „Creative Europe – MEDIA“ betreibt. Des Weiteren sei es bei der Entscheidung, ob direkt oder indirekt, wichtig die beiden Möglichkeiten auf unterschiedlichen Ebenen zu vergleichen, sowie sich die Frage zu stellen: „Was sind die Stärken und Schwächen dieser jeweiligen Instrumente und Maßnahmen in Bezug auf den Filmerfolg insgesamt“, erläutert der Medienökonom.

Laut Esther Krausz gebe es in Europa vor allem in den privaten Finanzierungsmodellen „Potential“, welches noch stärker genutzt werden sollte. Ebenso sei laut Krausz vor allem durch Krisensituationen unklar, wie sich die Finanzierungsmodelle entwickeln werden. Auch Murschetz betont, dass die aktuelle Krise möglicherweise „einen Zündeffekt hat sozusagen, die Filmfördersysteme insgesamt umzudenken.“ Die Entscheidung der Wahl der Förderinstrumente werde nicht mehr genug sein, sondern neue Überlegungen, beispielsweise „wie messe ich überhaupt den Erfolg von Filmförderung an sich“, würden notwendig werden. Der Erfolg an der Kinokasse allein wird längst nicht mehr genügen.

Von Simone Poik