Maßlosigkeit im Warenkonsum

Die vergebliche Suche nach dem verlorenen Maß auf einem klassischen Maßband. | © Lisa Heiliger

Weltweit lautet die aktuelle Devise: Ich kaufe, also bin ich. Ein Leitsatz, der das Konsumverhalten in die Höhe katapultiert und Besitz (fast) alles ist, dass es im Leben zu erreichen gilt. Die kontroversen Begriffe Online-Shopping und Fair Trade gewinnen in unserer Gesellschaft immer mehr an Bedeutung. Dennoch scheint die Suche nach dem verlorenen Maß weiterhin zu bestehen.

Brauchen vs. Wollen

Der Konsum der Massen hat erstmals nach der Beendigung des Ersten Weltkrieges seine Wurzeln geschlagen. Die Zeiten, in denen nur das Notwenigste zum Überleben konsumiert wurde, liegen weit hinter der verschollenen Generation zurück. Die Vielfalt an Onlineshops und deren endlosen Seiten wirken wie ein Rauschmittel. Zahlreiche Kundenbewertungen und detaillierte Produktbeschreibungen machen die Entscheidung für eine Ware oftmals einfacher als im Geschäft selbst. Noch mehr scheinbar wichtige Informationen vermitteln uns die allbekannten „Influencer“: Amazon Must-Haves hier, Zalando-Trends da. Die Flut an Do’s and Don’ts, aber auch die von der Gesellschaft geschaffenen Standardlevels, vor allem im Modebereich, nimmt stetig zu. Produkte jeglicher Art werden aufgrund von vorgelebten Trends anstatt eigener Präferenzen gekauft, nachbestellt und wieder zurückgeschickt. Auf der einen Seite nimmt dadurch die Individualität ab, andererseits können Online-Shops aufgrund der Möglichkeit der Personalisierung enorm auf die individuellen Bedürfnisse der KundInnen eingehen. Aufgrund des einfachen Prozesses einer Bestellung wird oft nicht das gekauft, was das Verlangen dann auch tatsächlich stillt. Für Karl Marx war die einzig logische Schlussfolgerung dieser Annahme schon im zweiten Viertel des 19. Jahrhundert ganz klar: Besitz macht Menschen nur dumm und engstirnig.

„Weniger ist mehr!“ – Im konsumistischen Paradies überfällig?

Der Konsument ist ein Widerspruch in sich. Das Verlangen nach Schnelligkeit in Verbindung mit Nachhaltigkeit findet auf den ersten Blick einfach keinen gemeinsamen Nenner. Wenn es mal schnell gehen musste, wird bei Amazon und Co. bestellt. Die Zahl an Kundenprofilen auf diversen Onlineshop-Plattformen ist gigantisch. Allein in Österreich nutzen 62,4 Prozent, das sind rund 5.528.016 Millionen Menschen, den bequemen Weg des Einkaufens. Hier kommt folgende Nachhaltigkeitsfrage auf: Reduziert der Verbrauch der Ressourcen anderer meinen eigenen, oder liegt hier eine reine Aufwandsverschiebung vor? Fakt ist, dass normaler Warenhandel nicht automatisch klimafreundlicher als ein Onlinekauf sein muss. Denn ein Schuhkauf, der über das Internet getätigt wird, verbraucht weniger CO2 als der Einkauf im Heimatsort. Grund dafür ist der Gebrauch von Unmengen an Energie der Geschäfte, die beim Onlinehandel wegfallen. Eine einfache Schlussrechnung, die den eher traurigen Gedanken aufkommen lässt, dass Innenstädte ohne Geschäfte eventuell klimafreundlicher wären.

Das alltägliche Leben steht wie das Klima unter stetigem Wandel. Heraklit zu Folge ist die einzige Konstante des Lebens Veränderung. Demnach ist es auch kein Geheimnis, dass sich das Kaufverhalten der Menschheit hinsichtlich diverser Waren, die im Alltag gebraucht oder gewollt werden, im Laufe der Zeit stark verändert hat. Vor allem der Begriff „Fair Trade“ nimmt an Bedeutung zu. Um den nachhaltigen Anforderungen der Konsumenten gerecht zu werden und zugleich die Umwelt zu schützen, gibt es seit kurzem wiederverwendbare Pakete. Der Hersteller „Living Packets“ ist einer der Vorreiter, der für die Reduktion von Verpackungsmüll sorgen. Dennoch lässt sich kein objektiver Maßstab, ab wann etwas als fair eingestuft werden kann, für die Allgemeinheit festlegen. Gerechtigkeit bleibt also weiterhin ein subjektives Empfinden. Die Umverteilung der Ressourcen hingegen kann sehr wohl realisiert werden. Die Pareto-Effizienz beschreibt hier den Zustand, in dem durch eine Umverteilung der Ressourcen kein Individuum bessergestellt werden kann, ohne dadurch ein anderes schlechter zu stellen. Zieht man die Preiskämpfe hier als Beispiel heran, muss nicht viel gesagt werden: Konsumenten wollen zu niedrigen Preisen hohe Qualität und das in kurzer Zeit. Wie dies möglich ist, zeigen auf Ausbeutung angelegte industrielle Produktionsverfahren.

Online-Shopping ist zwar bequem, ökologisch betrachtet jedoch nicht sehr förderlich. Etliche Bestellungen werden in Kartons versendet, die danach ihren Weg in den Müll finden. | © Lisa Heiliger

Warum wir Online-Shopping lieben

Die Bequemlichkeit des Online-Shoppings bringt in vielen KonsumentInnen eine neue Lust zum Vorschein: Die Lust am Geldausgeben. Worum es uns beim Onlinewarenkonsum wirklich geht, lässt sich kurz zusammenfassen: Zeit- und Ortsunabhängigkeit, Komfort, unendlich breites Warensortiment und zugleich -bewertungen sowie günstigere Preise. Vor allem für BewohnerInnen kleinerer Städte außerhalb der Großstadt, ist das Online-Shopping begehrt, weil in unmittelbarer Nähe des Wohnortes keine oder nur eine geringe Auswahl an Geschäften aufzufinden sind. Sollte ein totaler Fehlkauf stattgefunden haben, spricht auch die unkomplizierte Rückgabe für den Onlinehandel. Dennoch beherrschen die KonsumentInnen das Meckern auf hohem Niveau bei vielen Konsumgütern, aber leider nicht bei allen. Vor allem bei Lebensmitteln wird immer mehr darauf geachtet, von wo das Produkt kommt, unter welchen Bedingungen es erzeugt wurde und welch ökologischer Fußabdruck hinterlassen wurde. Mangelnde Penibilität führt zu nachlässigem, oft impulsiven oder gar habituativem Kaufverhalten der Bourgeoise und stellt das Wohlergehen des – so wie es Karl Marx sagen würde – Proletariats in den Schatten, wodurch auch dieses Dilemma keine Alarmglocken läuten lässt.

Der Zugang im Onlinehandel ist im Jahr 2020 für Jedermann mit entsprechender Ausstattung gegeben. Von einer Klassenfreien Gesellschaft, so wie es der Marxismus anstrebt, kann jedoch nicht die Rede sein. Im engeren Sinne betrachtet handelt es sich schlussendlich um eine Verschiebung der Grenzen innerhalb des Systems „Mensch“. Man könnte fast sagen, dass der Mensch nun von Dingen regiert wird, die er selbst geschaffen hat und die Suche nach dem verlorenen Maß demnach weiterhin bestehen bleibt. Ob man dieses Problem mit einem geschrumpften Online-Handel in den Begriff bekommen würde, ist eine utopische Vorstellung. Führt man diesen Gedankengang jedoch rein hypothetisch weiter, so kommt man zu dem Entschluss, dass auf der wohlhabenden Seite wohl leichte Nebenwirkungen, wie das Vermissen der Leichtigkeit der Customer-Journey, auf den Schattenseiten aber sehr große, positive Wellen schlagen könnten.

 

© Lisa Heiliger

Über die Autorin

Lisa Heiliger ist 23 Jahre alt und kommt aus Wien. Derzeit studiert sie Medienmanagement an der Fachhochschule St. Pölten mit Spezialisierung auf Strategisches und Content Management. In ihrer Freizeit geht sie ihrer Passion des Cheerleadings nach, wo sie auch im Social Media-Team der AFC Dacia Vienna Vikings tätig ist.