Start-Up- Hype 2000 und 2020

Start Up Alltag | Copyright: Lorenzo Chiappani

Der Hype rund um das Thema Gründen hat kein Ende. Wirtschaftliche Risiken scheinen dabei oftmals in den Hintergrund zu rücken und in der medialen Berichterstattung vernachlässigt zu werden.

Start Up-Unternehmen gibt es wie Sand am Meer. Auf eigenen Füßen zu stehen, vermeintliche Millionen auf dem Konto haben und dutzende Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen beschäftigen, scheint das Ziel von immer mehr jungen Erwachsenen zu sein. Das Bild eines erfolgreichen Gründers bzw. einer erfolgreichen Gründerin hat sich in die Köpfe Vieler gebrannt und TV-Shows wie die „Höhle der Löwen“ oder „2 Minuten 2 Millionen“ tragen dazu  bei. Die Hürden, Risiken oder Gefahren früher Phasen des Unternehmertums werden dabei in TV-Shows meistens ausgeklammert und nicht besprochen. Mangelndes Fach- bzw. Branchenwissen oder zu großer Kapitalbedarf können dabei schnell zum abrupten Ende der unternehmerischen Tätigkeit führen. Das Finanzdienstleistungsunternehmen Wirecard galt lange Zeit als Vorzeigestart-Up und hat es 2018 sogar in den DAX geschafft. Stetiges und schnelles Wachstum verschaffte dem damals kleinen und aufstrebenden Unternehmen schnell großen Erfolg. 2020 dann der große Absturz, Insolvenz und die Frage: Wie konnte es soweit kommen?

Anfänge des Hypes

Unter Start Ups versteht man Unternehmen in der Frühphase der Entwicklung. Außerdem sind sie durch ein hohes Maß an Innovation und Wachstumspotential gekennzeichnet. Start Ups sind also nicht Neues, viel mehr gab es sie schon immer als neugründete Unternehmungen. Das erste Mal wurde der Begriff 1976 im Forbes-Magazin genutzt.

1997 startete McKinsey in Amerika als erste die New Venture Initiative und förderte so junge Unternehmen. Wenige Jahre später fanden in Deutschland die ersten Businessplan-Wettbewerbe statt und ebneten so den Weg für die europäische Start Up Kultur. Projekte an Universitäten und andere Events entfachten das Unternehmertum weltweit um das Jahr 2000 neu.  Das Internet gewann an Beliebtheit und neue Geschäftsmodelle entwickelten sich. Darüber hinaus machte sich am Aktienmarkt eine Goldgräberstimmung bemerkbar. Das neu entstandene Börsensegment sprach Wachstums-Unternehmen direkt an, so konnte Kapital aufgenommen werden und durch Exit-Strategien per IPO das Risiko minimiert werden. Immer mehr Unternehmer und Unternehmerinnen versuchten ihr Glück an den Neuen Märkten, wobei damals jedoch der schnelle Börsengang und Exit im Vordergrund und nicht die Nachhaltigkeit stand. 2001 wich die Euphorie schließlich abrupt und die Blase platzte, heute ist diese als Dotcom-Blase bekannt.

Eine Szene wächst heran

Erst 2004 erholte sich der Start Up-Markt wieder. 2007 entwickelte sich Berlin zum idealen Nährboden mit kreativem Umfeld für viele Gründer und Gründerinnen in Deutschland und Europa. Firmen wie „rocket internet“ halfen Start Ups auf ihren ersten Schritten und fungierten dabei nicht nur als Investoren, sondern auch als Boost für eine ganze Szene. Unternehmen versuchten nun nachhaltiger zu wirtschaften, weshalb die Finanzkrise nur wenig Einfluss auf viele Start Ups hatte.

Unicorns wie Facebook oder Google dominieren das Bild vieler Menschen von erfolgreichen Unternehmen bis heute. Weltweit entwickelten sich in der Folge Start Up-Hochburgen, sei es das Silicon Valley, München, Berlin oder Wien.

Massenphänomen

2009 startete in Amerika die erste Staffel „Shark Tank“, in der Investoren und Investorinnen ihr eigenes Geld in junge Unternehmen investieren konnten. Start Ups rückten so immer mehr in den Fokus eines breiten Publikums. 2013 und 2014 starteten Formate wie „2 Minuten 2 Millionen“ und „Die Höhle der Löwen“ auch in Österreich und Deutschland, die demselben Schema wie „Shark Tank“ folgten. Der Thema Start Up war in der Mitte der Gesellschaft angekommen. Förderprogramme, Events und Wettbewerbe für Start Ups gehören heute zum Inventar jeder Wirtschaftsförderung. Junge Unternehmen werden gezielt unterstützt und Unternehmertum als erste Bürgerinnenpflicht verkündet. 2020 ist der Hype rundum Start Ups weder am Abflachen noch am vermeintlichen Höhepunkt angelangt.

Geld regiert die Welt | Copyright: Lorenzo Chiappani

The next big thing

Von Erfolgsgeschichten geblendet, versuchen immer mehr junge Menschen den Erfolg anderer nachzuahmen und ihre eigenen Träume zu verwirklichen. Dass der Schritt in die Selbstständigkeit mit Wagnissen und Verpflichtungen einhergeht, wird dabei oftmals schwach gewürdigt.

Die Unerfahrenheit vieler Gründer und Gründerinnen mündet nicht selten in der Unterschätzung des gesamten Aufwandes. Gerade in der Frühphase der unternehmerischen Tätigkeit treten vermehrt Hürden auf, mit denen man zunächst nicht gerechnet hat und die Mehrheit junger Unternehmen scheitern bereits hier an deren Bewältigung. Flasche Kalkulation oder mangelnde Nachfrage führen dabei schneller als gedacht zu einem jähen Ende vieler Start Up Ideen.

Die durch die Medien konstruierte Traumwelt vieler Unternehmer scheint verlockend. Reichtum, Erfolg und berufliche Freiheit sind jedoch in der Realität nicht immer der Fall. Die traurige Realität ist, dass neun von zehn Start Ups scheitern und bereits in den ersten drei Jahren eingehen. Selbst vielversprechende Unternehmen konnten den Erwartungen nicht standhalten. Nicht nur die mediale Berichterstattung und die damit verbundenen konstruierten Idealbilder erfolgreicher Start Ups sind für diese Entwicklung verantwortlich. Das eigentliche Produkt oder die Dienstleistung, das zum Verkauf steht, rückt immer mehr in den Hintergrund. Rasantes Wachstum ist für den Aktienhandel das Wichtigste. Wie schon 2000 steht bedingungsloses Wachstum im Vordergrund und alles andere wird untergeordnet.

Auch bei dem Unternehmen Wirecard stand Wachstum ganz oben auf der Prioritätenliste. 2020 dann der Schock, das Unternehmen meldete Insolvenz an. Verluste wurden vertuscht, die Unternehmensstruktur war veraltet und angebotene Produkte galten als undurchsichtig. Nach außen hin zeigte man sich dennoch jahrelang als vorzeige Fintech-Unternehmen. Unregelmäßigkeiten gab es wohl schon länger, doch Finanzaufsichtsbehörden und Wirtschaftsprüfer*innen sei beim Vorzeige-Start Up Deutschlands nichts aufgefallen. Wie es soweit kommen konnte, ist schwer zu sagen, bedingungsloses Wachstum auf der einen Seite und vermeintliches Wegschauen auf der anderen Seite, trugen wohl wesentlich zum Untergang des Finanzdienstleisters bei.

Die nach außen hin gezeigte Scheinwelt funktioniert perfekt. Start Ups versprechen auch im Jahr 2020 vermeintlichen Erfolg, Prestige und Reichtum. Risiken werden ausgeklammert und das Produkt „Start Up“ weiterhin gewinnbringend vermarktet. Ob die neue Blase platzt, bleibt abzuwarten.

 

Über den Author

Copiright: Lorenzo Chiappani

Lorenzo Chiappani wurde am 19.Mai 1998 in Wien geboren. Seit 2018 absolviert er an der FH St. Pölten das Bachelorstudium Medienmanagement. Contentmanagement und Marketing & Sales sind dabei seine Schwerpunkte. In seiner Freizeit spielt er gerne Fußball und musiziert mit Freunden. Kontaktmöglichkeit unter mm181090@fhstp.ac.at.