Vom Sendeschluss zur Sendervielfalt

Anlässlich des 60-jährigen Jubiläums des ORF im Jahr 2015 betrachtete SUMO die Entwicklung des öffentlich-rechtlichen Senders gemeinsam mit Johanna Zwerenz, der ehemaligen Leiterin der Abteilung „Kultur/Events“ des ORF Niederösterreich.

 

Die gebürtige Tirolerin arbeitete 37 Jahre lang im Radiobereich des ORF-Landesstudios Niederösterreich und von Beginn an, als es noch keine neun Landesstudios gab bis zur Differenzierung eigener Bundesländersendungen wie „Niederösterreich heute“ an der Programmentwicklung mit.

 

Vom schwarz-weißen Einzelsender zur farbigen Sendervielfalt

Am Beginn gab es bloß einen Kanal in Schwarz-Weiß, auf dem das Programm mit der österreichischen Bundeshymne und einer im Wind wehenden Österreichfahne als visuelle Unterstützung endete. 26 Jahre vor Ende des Sendeschlusses im Jahr 1995 begann der ORF sein Programm in Farbe zu übertragen.

 

Als der Kanal FS 2 – heute ORF 2 – 1961 startete, waren die Radio-Regionalsender noch teilweise zusammengeschaltet, so etwa Wien, Niederösterreich und Burgenland. Als die Sendertrennung eingeführt worden war, musste jedes Bundesland rund um die Uhr ein Programm ausstrahlen, so Zwerenz. „Die nächste Herausforderung war, dass die Bundesländer ihre eigenen Bundesländer- und Informationssendungen im Fernsehen bekommen haben.“ Anschließend wurde beschlossen, dass MitarbeiterInnen des Hörfunks und des Fernsehens kooperieren. GesprächspartnerInnen, die im Hörfunk befragt wurden gaben dann im Fernsehstudio ein weiteres Interview.

 

Den Erfolg des öffentlich-rechtlichen Senders macht das Zusammenspiel aus Qualität und Quantität aus. Um diese zu sichern, entwickelte der ORF ein Qualitätssicherungssystem, bestehend aus Programmstrukturanalyse, Public Value-Bericht, ORF-Publikums- und ExpertInnengesprächen. Dieses Qualitätssicherungssystem wurde auch notwendig, um den gesetzlichen Anforderungen in Bezug auf die Ausgewogenheit des Inhaltsangebots gemäß ORF-Gesetz gerecht zu werden. Dazu gehört auch die regelmäßige Befragung des Publikums, um dessen Zufriedenheit sicherstellen zu können. Der Public Value-Bericht des ORF besteht aus fünf Qualitätsdimensionen: dem individuellen Wert, dem Gesellschaftswert, dem Österreich-Wert, dem internationalen Wert und dem Unternehmenswert.

 

Laut der Programmanalyse der Rundfunk- und Telekom-Regulierungs-GmbH (RTR) machte im Jahr 2006 – ORF 1 und ORF 2 zusammen – Unterhaltung einen Großteil (7.573 Stunden) der Sendezeit aus, Information 3.820 Stunden. Bei Betrachtung der Fernsehsender wird die Orientierung an Publikumszufriedenheit und Bildungsauftrag deutlich: So hat von 2009 auf 2011 der Unterhaltungsanteil in ORFeins von 86% auf 83% abgenommen, während der Anteil an Information von 3% auf 5% gestiegen ist. In ORF 2 belegt Unterhaltung 38% der Sendungen, der Informationsanteil war hier weit höher.

ORF-Mikrofon
Quelle: Metropolico.org via Visualhunt / CC BY-SA; ORF

Und dann kamen die Privaten – Umgang mit Dualität

Im Jahr 2001 kam es schließlich und endlich zur Etablierung des dualen Rundfunksystems in Österreich. Wie ist der ORF mit dieser Veränderung umgegangen? „Ich glaube, er hat sich gegen die Privatsender festigen können“, meint Zwerenz. Dies wollte der ORF mit der Sendereihe „Great Moments“ im Jubiläumsjahr 2015 zeigen, in welcher er den Umgang mit der Dualität des Rundfunksystems forsch postulierte: „Vom Monopol zum Marktführer“.

 

Dabei plädiert Zwerenz wieder auf den Faktor Qualität als entscheidendes Wesensmerkmal des ORF: „Wenn man Qualität produziert, dann hat man auch ein gutes Standbein und braucht vor den Privatsendern keine Angst zuhaben.“ Ähnliches zeigt eine Studie zur Qualität des Programmangebots im Auftrag der RTR-GmbH. So sei das Informationsangebot des ORF verglichen mit den anderen österreichischen Sendern sehr gut, im Besonderen betreffe dies die Online-Angebote.

 

Dass der ORF gut mit der privaten Konkurrenz leben kann, zeigen auch die Zahlen. Von 2014 auf 2015 ist der Marktanteil des gesamten TV-Sendespektrums des ORF – also inklusive ORF III und ORF Sport+ – laut eines „Standard“-Artikels vom 4. Jänner 2016 von 35,1 auf 35,3% leicht gestiegen. Und laut der Österreichischen Web-Analyse lag die Internet-Reichweite pro Monat des gesamten Onlineangebotes des ORF im Jahr 2015 verglichen mit den gebündelten Onlineangeboten anderer österreichischer Medienhäuser bei rund 50% und damit auf Platz 1.

 

Da die Anforderungen an die Qualität ob der Diversifizierung des Medienangebotes und ob der Gesetzesnovellen im Laufe der Jahre immer weiter anstiegen, wurde letztendlich die Etablierung zweier Spartensender – ORF III und ORF Sport+ – im Jahr 2011 notwendig. Der Betrieb dieser beiden ist im § 4 des ORF-Gesetzes vorgeschrieben, um „sich an der Vielfalt der Interessen aller Hörer und Seher zu orientieren und sie ausgewogen zu berücksichtigen“.

 

Farbfernsehen im dualen Rundfunk
Quelle: flash.pro via Visualhunt.com /
CC BY

Was bringt die Zukunft?

Auf die Frage hin, ob es für Zwerenz noch gesetzlicher Änderungen bedarf, um dem Auftrag in Bezug auf die Zufriedenheit des Publikums noch besser gerecht zu werden, antwortet diese: „Der Bildungsauftrag wird vollends ausgeübt. Ich glaube, dass der ORF mit seinen Fernseh- und Hörfunksendern ganz gut aufgestellt ist. Und dann gibt es auch noch die Zusammenarbeit mit Schweizer und deutschen Sendern in Form von 3Sat.“ Laut Zwerenz sei die Zukunft des ORF die Distribution seiner Programme auf Video-on-Demand-Plattformen. Dabei stelle sich die Frage, welche Sendungen man zukünftig auf der TV-thek publiziert, da man auch die Rechte für beispielsweise Opernübertragungen klären müsse. Ob solche Übertragungen einmal zweitverwertet werden dürfen, sei also noch offen. Auf lange Sicht würde es auf der TV-thek mehr und im Archiv immer weniger geben, so Zwerenz.

 

Markus Schächter, Sachverständiger für das ORF-Qualitätssicherungssystem, forderte in einer Presseaussendung, das Onlineangebot des ORF auszuweiten, das strengen gesetzlichen Rahmenbedingungen unterliegt. Konkret meint dieser damit das Verbot des Betreibens eines eigenen Social Media-Forums und die Begrenzung der Abrufbarkeit von Sendungen in der TV-thek.

 

Einen Änderungsbedarf postuliert der ORF auch in Bezug auf die Lokalberichterstattung. Diese darf zum Schutz der Printmedien nicht allzu detailliert ausfallen, denn laut § 4e des ORF-Gesetzes darf sie nur erfolgen, wenn „lokale Ereignisse von bundesweitem oder […] landesweitem Interesse sind“. Im Zusammenhang zur Landesberichterstattung steht auch die Erweiterung der Archive, wobei durch die Bundesländerarchive, die seit 2014 laufend entwickelt werden – bisher gibt es nur Archive für Niederösterreich, das Burgenland, Salzburg und Kärnten –, bereits ein Schritt erfolgt ist.

 

Fazit: Auch und gerade nach 60 Jahren bleibt es spannend „on air“.