Denn wer das Leben lieben und gute Tage sehen will, der hüte seine Zunge, dass sie nichts Böses rede, und seine Lippen, dass sie nicht betrügen. Er wende sich ab vom Bösen und tue Gutes; er suche Frieden und jage ihm nach.
1 Petrus 3:10-11 | LUT |
Die katholische Kirche und Social Media haben auf den ersten Blick wahrscheinlich nicht sonderlich viel gemeinsam. Das eine ist voraussichtlich bereits mindestens 1.980 Jahre alt, das andere ist erst vor kurzem entstanden – Facebook beispielsweise dürfte mit seinen frischen 16 Jahren erst seit diesem Jahr Alkohol trinken in Österreich. Auch wenn der Katholizismus und Instagram, Snapchat und Co. augenscheinlich wenige Gemeinsamkeiten haben, so sind sie sich doch von gegenseitigem Nutzen.
Das Buch Social Media
Soziale Netzwerke sind für die Menschen unabdinglich geworden. Jeden Tag wird die Chronik überprüft, eine neue Story hochgeladen oder die Wartezeit auf den nächsten Bus auf Tik Tok totgeschlagen. Es gibt verschiedene Vermutungen und Gründe, warum sie in den vergangenen Jahren so populär geworden sind. Ob es die Möglichkeit ist, dass Nutzer*innen ihren eigenen Content erstellen können oder die Möglichkeit sich Tag und Nacht mit anderen Menschen aus der ganzen Welt auszutauschen zu können, muss jeder für sich selbst beantworten. Die individuellen Gründe einen (oder mehrere) Social Media-Kanäle zu unterhalten sind grenzenlos. Und vor nicht allzu langer Zeit haben es auch Glaubensgemeinschaften geschafft, den Sprung auf den Digitalisierungszug zu wagen. Innerhalb kürzester Zeit besaß der Papst plötzlich offizielle Twitter-Kanäle in mehreren Sprachen, der österreichische Kardinal Schönborn war auf Instagram vertreten und kirchliche Gemeinden konnten sich online organisieren und untereinander austauschen.
Die Klagelieder der Extremisten
Jede Medaille hat zwei Seiten, genauso auch die katholische Kirche in der Welt der sozialen Netzwerke. Radikale Randgruppen (unter anderem mit antisemitischen, frauenfeindlichen und homophoben Ansichten), verbreiten in der Social Media, aber auch auf ihren eigenen Webseiten aktiv vom Mainstream abweichende Sichtweisen.
Vorreiter war kreuz.net, eine „christliche“ Seite, auf der Überzeugungen verbreitet werden, welche wenig mit Nächstenliebe zu tun haben. Die deutschsprachige Seite wurde 2012 nach einem Gerichtsverfahren verboten. Der Seitenverantwortliche selbst ist zwar unbekannt, doch die Autoren – zu denen sowohl deutsche, als auch österreichische Politiker, Ökonomen und auch Holocaustleugner zählen – haben sich in der Welt der Online-Predigten bereits einen Namen gemacht. So sind diese, nach der Abschaltung von kreuz.net zu der österreichischen Seite kreuz-net.info gewechselt und verbreiten dort ihre Ansichten verdeckt und weniger radikal, um der nächsten Abschaltung entgegenzuwirken. Zudem wurden Funktionen wie Kommentar und das Eröffnen von eigenen Foren nicht auf die neue Seite übernommen.
Ebenfalls eine Abspaltung von kreuz.net ist gloria.tv. Auch diese Seite wurde neu eröffnet und ist online. Der Aufbau der Webseite erinnert stark an das Erscheinungsbild des Social Media-Netzwerkes Facebook – der einzige Unterschied ist, dass sich die Nutzer*innen selbst nicht aussuchen können, welche Nachrichten und Meldungen sie empfangen möchten. Nach nur wenigen Minuten auf der Seite ist erkennbar, dass auch die Betreiber von gloria.tv ein konkretes Ziel verfolgen: die Verbreitung von fremden-, frauenfeindlichen und homophoben Ansichten. Genauso wie kreuz-net.info haben die Verantwortlichen von gloria.tv aus den Fehlern von „kreuz.net“ gelernt und versuchen ihre Message so verdeckt wie möglich und nah an den gesetzlichen Grenzen zu halten. In manchen Posts scheint es besser zu funktionieren, als in anderen.
Der Prophet für Weiterbildungen
Der Hass mag von manchen Standpunkten der katholischen Kirche zwar stark sein, doch es ist hier wichtig zu betonen, dass der Großteil der kirchlichen Oberhäupter – unter anderem auch die österreichische Kirche – von Seiten wie „kreuz-net.info“ und „gloria.tv“ streng abgrenzt. Und um in Zukunft dafür zu sorgen, dass Priester, Pfarrer und Bischöfe wissen, wie sie mit Social Media umgehen sollen, gibt es mittlerweile bereits explizite Social Media-Weiter- und Ausbildungen laut Hannoverschen Allgemeinen Zeitung. Beispielsweise wurden in Deutschland im Jahr 2019 50 angehende Priester im zweitägigen „Smart Camp“ in Themen wie Instagram, YouTube und Bloggen weitergebildet. Der Grund dafür ist, dass die Kirche ihre Zielgruppe erweitern möchte. Die Jugendlichen erhalten kaum noch Informationen über die Kirche, da sich ihre Welt in einer völlig anderen Lebensrealität abspielt, wie die von dem Großteil der kirchlichen Oberhäupter.
Die Motivation sich an das digitale Zeitalter anzupassen und ein sogenanntes „modernes Testament“ einzuberufen, ist allerdings nicht nur in Deutschland groß. Der Vatikan möchte beispielsweise ein Pokémon-Go ähnliches Spiel veröffentlichen, das junge Generationen wieder zurück zur Messe locken soll.
Evangelium der Tweets/Posts
Während es die einen lernen, setzen es die anderen bereits um. Der Papst geht seinen Anhängern mit einem Beispiel und seinen Twitter-Accounts voran. Im Jahr 2017 hatte er gesamt bereits über 40 Millionen Follower und zählte somit zu einem der beliebtesten Accounts weltweit.
Nicht nur dem Papst wollen die Menschen näher sein, sondern auch anderen bekannten Gesichtern der katholischen Kirche, wie zum Beispiel dem österreichischen Kardinal Christoph Schönborn, der Verwalter von 7.738 Follower auf Instagram ist, was vergleichsweise zu den 4,98 Millionen gemeldeten Katholiken in Österreich noch ausbaufähig wirkt. Auf dem Account des österreichischen kirchlichen Oberhauptes gibt es nicht nur Posts von diversen Festlichkeiten oder besonderen Messen, sondern auch eigens angelegte Story-Highlights zu Veranstaltungen wie dem Aschermittwoch oder dem YOUCAT.
Genauso wie Papst Franziskus und Kardinal Schönborn, betreiben weltweit bereits hunderte von Pfarrern, Priestern und Kardinalen Social Media Accounts, um eine jüngere Zielgruppe erreichen zu können und den katholischen Glauben mittels below-the-line-Marketingmaßnahmen verbreiten zu können. Nur eine Gruppe wird im Falle Social Media von der katholischen Kirche ausgeschlossen; Frauen. Nonnen dagegen wurden vom Papst 2018 gewarnt zu viel Zeit auf Social Media-Kanälen zu verbringen und dazu aufgefordert Twitter, Facebook und Co. Mit „Ernsthaftigkeit und Diskretion“ zu nutzen. So steht es in den Richtlinien für kontemplative Frauenorden.
Die Offenbarung der Online-Menschlichkeit
Die Welt der sozialen Netzwerke kann den Menschen den Glauben nehmen. Doch wenn die Menschheit einen Blick aus dieser Bubble wirft, kann sie erkennen, dass Social Media noch sehr viel mehr zu bieten hat. Ob das nun Hilfsorganisationen sind, die online eine riesige Aktion organisieren, ob das Communitys sind, die sich im Internet austauschen, oder ob es Online-Messen sind, die den Menschen in harten Zeiten, wie denen von Covid-19, unterstützen. Die katholische Kirche versucht zu großen Teilen auch ihre eigenen Mitglieder in Krisenzeiten nicht zu verlieren und hat es geschafft digitale Messen in die Welt zu setzen. Weitere Schritte in Richtung Digitalisierung und Anpassung an unser technologisch fortgeschrittenes Zeitalter wurden bisher nur wenige gemacht, besonders in ländlichen Regionen. Inwiefern die katholische Kirche in den kommenden Jahren ihr eigenes modernes Testament gestalten möchte, bleibt daher weiterhin offen.
Denn wo zwei oder drei versammelt sind in meinem Namen, da bin ich mitten unter ihnen. Matthäus 18:20 | LUT |
Über die Autorin
Denise Docekal wurde 1998 in Niederösterreich geboren. Sie studiert seit 2018 Medienmanagement mit den Schwerpunkten Content-Management sowie Marketing & Sales an der FH St. Pölten und lebt derzeit in Wien. In ihrer Freizeit ist sie als Persönlichkeitstrainerin tätig.