Die Generation des Generierens: Wem gehört die künstliche Kunst?

Von Nikolas Rode

Künstliche Intelligenz ist längst Teil unserer Gegenwart geworden. Doch was bedeutet das für Künstler*innen und ihre Werke? Wie verändert sich das Berufsfeld? Und vor allem: Wer gilt eigentlich als Urheber in diesen Fällen?

Vom Papst in weißer Puffer­jacke, bis hin zu Abbildungen bekannter Politiker im Re­naissance-Stil: In der Welt der künstlich generierten Fotos er­scheint mittlerweile alles mög­lich. Mit Programmen wie Jasper Art, Runway oder Midjourney lassen sich binnen Sekunden Bilder und Kunstwerke erstellen.

Copyright: Matthias Leidinger

Den Überbegriff dafür bildet das Text-to-Image-System: Diese Programme sind darauf spe­zialisiert, auf Anweisung, auch Prompt genannt, ein beliebiges Bild zu erstellen, welches aus verschiedenen Datensätzen errechnet wird. Schon ist ein weiteres Bild kreiert worden. Das machen sich auch Kunst­schaffende und Fotograf*innen zunutze. Wie arbeitet man aber genau mit diesen Programmen und wer besitzt die Rechte an diesen Fotos? In Österreich schützt das Urheberrecht der­zeit nur „von Menschen ge­schaffene Werke“ (§ 1 Abs. 1 UrhG): Künstlich generierte Wer­ke sind derzeit urheberrechtlich demnach nicht geschützt.

SUMO lässt drei Personen zu Wort kommen: den Fotografen Matthias Leidinger, den Unter­nehmer Stefan Pichler und die Rechtsanwältin Jeanette Gor­zala. Matthias Leidinger spricht über seine Arbeit mit künstlich intelligenten Programmen und die zukünftigen Auswirkun­gen dieser auf sein Berufsfeld. Stefan Pichler hat sich gründ­lich in seiner Masterarbeit mit dem Thema Urheberrecht von generierten Werken auseinan­dergesetzt. Jeanette Gorzala hat sich auf das Gebiet „Recht bei künstlich generierten Fotos“ spezialisiert und gibt Ausblicke auf die Zukunft, sowie Grauzo­nen und Streitpunkte der The­matik.

Zwischen Schutz und Schranken

Im österreichischen Recht ist das Urheberrecht im Persönlich­keitsrecht sehr stark verankert, sagt Pichler. Die Urheber*innen bringen ihre Persönlichkeit in das Werk ein, aber genau die­ser Fakt macht vollkommen ge­nerierte Bilder schwer mit dem Urheberrecht vereinbar. Hier sei die Persönlichkeit des Schaffen­den schwer wiederzuerkennen. Gorzala erklärt, dass rechtlich die Urheberschaft in Europa und auch nach dem österreichischen Urheberrechtsgesetz aktuell nur einer natürlichen Person zu­steht. Im Falle der Abwandlung von Werken spricht man von ei­ner Werkbearbeitung. Möglich ist auch, dass durch die Benut­zung eines Werks im künstle­rischen Schaffensprozess ein selbständiges neues Werk ent­steht. Hier weist Gorzala darauf hin, dass bei der Nutzung von Künstlicher Intelligenz bei Be­arbeitungen oder der Erstellung neuer Werke sowohl Fragen der Urheberschaft als auch der Haf­tung zunächst beachtet werden müssen. „Bei der Werkbearbei­tung eines Bildes können die ursprünglichen Künstler*innen jedoch klagen, dass ihre Bilder benutzt wurden“, so Pich­ler, welcher sich in seiner Ma­sterarbeit gründlich mit dem Thema auseinandergesetzt hat. Bei künstlich generier­ten Bildern, welche keinen Urheber*innen zustehen, heißt es nicht, dass diese von jeder/ jedem benutzt werden dürfen.

Der Urheber bestimmt, wie sein Werk genutzt werden kann – was grundsätzlich nicht durch den Urheber erlaubt wurde, ist unzulässig. Künstler*innen kön­nen zusätzlich vorab klar schrei­ben, dass das Werk für das Trainieren von Künstlicher In­telligenz nicht verwendet wer­den darf und falls dies trotzdem passiert, können Ansprüche geltend gemacht werden. „Das Beweisthema, wessen Werke verwendet wurden, ist das Schwierige“ erklärt Gorzala. In Australien gab es vor kurzem ein interessantes Urteil: „Dort überlegt man, maschinelle Ur­heberschaft anzuerkennen.

Auf europäischem Gebiet wurde eine mögliche Rechtspersönlichkeit für Maschinen zwar diskutiert, jedoch abgelehnt: Auch in Öster­reich kann nur eine natürliche Person Urheber*in sein“, sagt Gorzala.

 Grauzonen und Grenzbereiche

Komplex ist die Rechtslage beim Einge­ben des Prompts in Verbindung mit den un­terschiedlichen Nutzungsbedingungen der Programmanbieter*innen. „Die Plattformen si­chern sich sehr weitreichende Rechte zu, welche in ihren AGBs zu finden sind. Die Norm ist, dass derjenige, der den Prompt macht, ein beschränk­tes Nutzungsrecht für das Ergebnis hat“, erklärt Gorzala. Die Plattformen sichern sich oft Verwen­dungsrechte z.B. an den Inputdaten oder auch am Ergebnis, welches durch den eigenen Prompt entsteht. Sehr oft unterliegen die AGBs zudem US-Recht. Eine weitere Grauzone ist, ab wann das Werk eine so einzigartige geistige Schöpfung ist, dass es wieder ein neues Werk darstellt: Eine Frage, die vor allem Kunstschaffende sehr be­schäftigt. Eine zentrale Frage ist, welche Daten man zum Trainieren und Testen verwenden darf. „Viele neue Plattformen, die zum Beispiel Stock­fotos anbieten, klären bereits in den AGBs, dass ihre Werke nicht verwendet werden dürfen. Zur Frage der unrechtmäßigen Verwendung von Da­ten für das Trainieren von generativer Bild-KI gibt es bereits anhängige Gerichtsverfahren in den USA“, sagt die Rechtanwältin Gorzala.

„Die Kreativität sollte unbedingt honoriert werden“

Auf die Frage der Ethik bei künstlich generierten Fotos angesprochen, erklärt Gorzala vorab, wie faszinierend es sei, was man mit dieser Technolo­gie bereits leisten kann. Obwohl wir ihrer Meinung nach noch entfernt von Perfektion sind, wurde im Bereich von Bildern, Videos und im Audio-Bereich bereits Großartiges geleistet. Es geht dabei im­mer um die Frage, ob das bereits etwas Neues ist oder einfach nur eine neue Kombination von vorhandenen Daten. Für Gorzala steht die menschliche Kreativität immer im Vordergrund:

„Es sollte ein Zusammenspiel zwischen einer natürlichen Person und einer Tech­nologie sein, die einem nur dabei hilft, besser zu arbeiten oder zu experimen­tieren. Es muss ein Miteinander sein, bei dem die Intuition der Kunstschaffenden nie untergehen dürfe.“

Die Idee dahinter in Form des Prompts kommt vom Menschen, der sich die­ser Technologie bedient. Das Er­stellen solcher Fotos ist also gene­rell nicht verwerflich, vertritt Gorzala. Künstler*innenrechte müssen aber respektiert und geschützt werden, vor allem im Digitalkunstbereich: „Die Kreativität sollte unbedingt honoriert werden. Niemals sollten Künstler*innen ausgebeutet werden, da die Kunst ei­nen gesellschaftlichen Aspekt erfüllt.“ Künstliche Intelligenz bietet ein riesiges Potenzial, aber der Mensch sollte immer im Vordergrund stehen, damit das Ver­hältnis nicht kippt.

„Unethisch ist das Einsetzen der Pro­gramme dann, wenn es darum geht Persönlichkeitsrechte zu verletzen oder Personen in unvorteilhaften Arten und Weisen darzustellen, insbesondere in Richtung Gewalt oder Pornographie. Desinformationen durch Deep-Fakes und Fake News zu erzeugen, ist ein weiterer völlig unethischer Aspekt und kann massive Schäden verursachen“, so Gorzala.

Künstliche Kreativität unter Kontrolle?

Das Wichtigste in diesem Bereich ist, Klarheit über den Umgang mit Daten zu schaffen, die die Grundlage der Mo­delle bilden. Für Modellentwickler*innen müssen klare Regelungen geschaffen werden. Gorzala meint, dass sich durch eine EU-weite Regelungen, EU AI Act genannt, auf europäischer Ebene et­was verändern wird: „Dabei geht es vor allem darum, dass von Herstellerseite

bestimmte Standards und Regelungen in geordnete gesetzliche Wege geleitet werden müssen. Man rechnet damit, dass dieser Prozess Ende 2023 abge­schlossen sein und Anfang 2024 in Kraft treten wird, sollten keine weiteren tech­nischen Entwicklungen dazwischen­kommen“, fügt Gorzala hinzu.

Der zweite wichtige Punkt in Zukunft ist die Transparenz, vor allem dort, wo es sensibel ist. Künstlich generierte Werke sollten, laut Gorzala, kennzeichnungs­pflichtig sein, vor allem dort, wo diese für Desinformation instrumentalisiert wer­den können, beispielsweise wenn es um Personen des öffentlichen Lebens geht. „Die Tools werden bleiben, die Standards müssen dazukommen, um eine ehrliche Arbeitsweise zu gewährleisten. Beson­ders bei wissenschaftlichen Arbeiten sollte es eine Kennzeichnung geben. Es besteht also viel Entwicklungsarbeit“, vertritt die Rechtsanwältin.

Die Fotografie von morgen: Veränderung der Arbeitsweisen

Leidinger glaubt, dass in den kommen­den Jahren kreatives und konzeptuelles Denken weitaus mehr in den Vorder­grund rücken werden und vielleicht auch das physische und analoge Arbeiten, wie beispielsweise durch Dunkelkam­merdrucke, wieder stark an Wertigkeit dazugewinnen, da sie eine Authentizität und Handarbeit verkörpern, wie es eben Programme nicht können. Hingegen könne er sich gut vorstellen, dass Bran­chen wie die Produktfotografie starke Markteinbrüche zu verzeichnen haben werden, da in Zukunft die Erstellung solch kommerzieller Aufnahmen durch Künstliche Intelligenz weitaus kosten­günstiger und effizienter werden könnte.

Vielleicht wird die Fotografie in ihrer Denk- und Arbeitsweise dadurch aber auch freier. „Ein guter Vergleich ist das Zeitalter, in der die Fotografie die Ma­lerei abgelöst hat: Die Möglichkeiten mit Künstlicher Intelligenz zu arbeiten könnte hier einen ähnlichen nächsten Schritt darstellen“, rundet Leidinger ab.

Copyright: Midjourney/Reddit

Wer besitzt in der Praxis nun das Urheberrecht?

Im Zuge des Gesprächs, zeigte SUMO Gorzala und Pichler zwei Beispiele und fragte sie nach der ur­heberrechtlichen Auslegung. Gorzala meint, falls das Bild komplett über Midjourney generiert wur­de, stellt sich einerseits die Frage, was dieses Pro­gramm in den AGBs stehen hat und andererseits, was die Datengrundlage des generierten Bildes ist. Ihre Einschätzung der AGBs ist, dass sich Midjour­ney ein Verwendungsrecht am Bild zusichert und auch der Ersteller des Bildes ein Verwendungs­recht erhält. Ob der Ersteller auch Urheber*in des Werks ist, hängt vom Erreichen des notwendigen Levels an Schöpfungskraft ab.

Leidingers Arbeitsweise sowie die urheberrechtliche Auslegung seines Fotos

Nachdem Leidinger die Fotos von einem männ­lichen Model gemacht hatte, bearbeitete er die verschiedenen Fotos mit den verschiedenen Po­sen alle ähnlich. Das benutze Programm für die­ses Projekt war Runway ML, eines der innova­tivsten Programme in der Welt der künstlichen Fotogenerierung.

„Die Künstliche Intelligenz versucht also basierend auf ihrem Wissen zu erkennen, was sich in sei­nen Bildern befindet und daraufhin neue, ähnliche Bilder zu generieren. Man könnte also sagen, sie versucht die Essenz der Bilder zu verstehen, um neue zu erschaffen“, so Leidinger.

Was das Foto des Fotografen betrifft, vertritt Pich­ler die Meinung, dass die Künstliche Intelligenz mit seinen Bildern trainiert wurde: „Die ganze Eingabe kam von ihm, sowie die Ausgabe und die Steuerung von der Künstlichen Intelligenz. Das bedeute, der Künstler spiele hier bei der Erschaffung eine tra­gende Rolle und somit greife das Urheberrecht bei Matthias Leidinger.“

„Er ist die natürliche Person, der die Grundlage für die Fotos geliefert hat und jedenfalls deren Urheber. Zu prüfen sind jedenfalls die AGBs von Runway, und ob sich der Programmhersteller dar­in Nutzungsrechte am Bild sichert. Der künstlich-intelligente Algorithmus ist auf jeden Fall nicht der Urheber“, meint Gorzala ebenso, ohne eine gründ­liche Prüfung durchzuführen.

Nikolas Rode | Copyright: Nikolas Rode