Black Mirror: Leben wir in einer dystopischen Zukunft?

Von Karoline Szakal

Von implantierbaren Speicherchips bis hin zu Stimulationen des menschlichen Bewusstseins zeigt die dystopische Serie Black Mirror einige Erfindungen, die noch weit in der Zukunft scheinen. Doch wie viel davon ist tatsächlich noch reine Fiktion, was ist bereits in der Forschung und was ist bereits Realität?

Stellen Sie sich vor, Sie würden in einer Realität leben, in der Sie und alle, die Sie kennen, Mikrochips implantiert hätten, die alles aufzeichnen, was Sie tun und sagen. Black Mirror, eine dystopische Sci-Fi-Serie, die von Charlie Brooker produziert wurde, zeigt dieses und mehr Szenarien. Jede Folge erzählt eine eigenständige Geschichte, die zum Nachdenken über möglichen Konsequenzen von Technologien in der Zukunft anregt. Das scheint auch beim Publikum gut anzukommen, denn Black Mirror zählt beim Streamingdienst Netflix zu den erfolgreichsten Serien seit Beginn des Streamingdienstes. Beim Start der dritten Staffel kam die Serie auf 1,6 Millionen Zuseher*innen. Insgesamt gibt es Stand Juni 2023 sechs Staffeln der Serie.

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Black Mirror oder Kristallkugel?

Seit dem Start der Serie im Jahr 2011 hat sich im Hinblick auf die Technologie einiges getan. Was damals noch unmöglich schien, ist heutzutage Realität. Ein Beispiel dafür ist die Episode Nosedive, in der eine Welt dargestellt wird, in der Ansehen und Privilegien auf Bewertungen sozialer Interaktionen basieren. Dies erinnert an das Social-Credit-System in China, das eine ähnliche Idee verfolgt und das Verhalten und die Aktivitäten der Bürger*innen bewertet und sanktioniert. Parallelen zwischen der Fiktion und der Realität gibt es ebenfalls zwischen dem in der Episode Metalhead gezeigten Roboter und dem Roboterhund „Spot“ von Boston Dynamics. Es scheint jedoch als hätten sich die Schreiber*innen der Serie in beiden Fällen von der Realität inspirieren lassen, da das Social-Credit-System bereits 2014 angekündigt und der Roboterhund schon 2016 vorgestellt wurde, die beiden genannten Episoden erschienen erst später.

Ein perfektes Gedächtnis dank KI?

In Black Mirror werden häufig Implantate eingesetzt, um verschiedene Technologien zu präsentieren. Zum Beispiel ist es in der Folge The Entire History of You möglich, sich mittels eines Speicherimplantates an jedes Detail des Lebens zu erinnern. Obwohl es noch keine Implantate gibt, die dies ermöglichen, gibt es tatsächlich Forschung in diesem Bereich. Ein Unternehmen, dass sich tatsächlich mit der Herstellung von Implantaten auseinandersetzt, ist Neuralink. Aber ist es wirklich möglich, in naher Zukunft so ein Implantat auf dem Markt zu sehen? „Grundsätzlich ist es möglich, mit Hilfe von Sensoren Gehirnwellen aufzuzeich – nen und damit den Leuten die Möglichkeit zu geben Dinge zu steuern“, sagt Constantin Brîncoveanu, Machine Learning Engineer bei Cloudflight. „Ich glaube, Neuralink behauptet, sehr viel zu können, aber ob das so wie in Black Mirror möglich sein wird, kann man nicht so leicht sagen“, meint der Experte. Denn: „Eine komplette Aufzeichnung aller Gedanken und Eindrücke zu haben, erscheint mir noch sehr weit entfernt, aber ich würde es nicht ganz ausschließen“.

Doch wie genau könnte KI dabei helfen, diese Fiktion Realität werden zu lassen? Andreas Stöckl, Professor am Campus Hagenberg der FH Oberösterreich, berichtet von einem im September 2022 veröffentlichten Paper der Cornell University, demzufolge Menschen in eine MR-Röhre geschoben wurden, man ihnen Bilder zeigte und infolge die Gehirnaktivität maß. Daraufhin hätte man aus den aufgezeichneten Gehirnaktivitäten mithilfe von bildgenerierenden Verfahren, wie beispielsweise Midjourney, Bilder generieren lassen und dann verglichen, wie ähnlich das generierte Bild mit dem Bild war, das man den Proband*innen vorher gezeigt hat, schildert er. „Die generierten Motive zeigten erstaunliche Ähnlichkeit mit den Bildern, die man den Probanden vorher gezeigt hat. Wie das jedoch in der Episode gezeigt wurde, ist das alles noch sehr fiktional“, sagt Stöckl.

Hideaki Ogawa, Direktor des ARS Electronica Futurelabs, ergänzt, dass Künstliche Intelligenz (KI) in Implantaten dazu genutzt werden könne, um unser Hirn zu analysieren. „Ich denke jedoch, dass die technische Entwicklung noch mindestens ein Jahrzehnt oder länger benötigen wird und, dass das Endprodukt nicht so aussehen wird wie in der Episode gezeigt, aber eine KI könnte unsere Vorstellungskraft erkennen und analysieren“, sagt Ogawa. Ein vollkommenes Gedächtnis scheint daher weder derzeit Realität zu sein noch in naher oder weit entfernter Zukunft erreichbar zu sein.

Ein Spiel wie kein anderes

In der Episode Playtest wird gezeigt, wie ein Spiel mittels Künstlicher Intelligenz in einem Implantat lernt, was dem Spieler Angst macht und in Folge so ein höchst individuelles Horrorspiel generiert. Obwohl es zurzeit noch kein derartiges Spiel am Markt gibt, ist KI in der Gaming-Industrie weit verbreitet. Künstliche Intelligenz wird verwendet, um das Gameplay zu verbessern, indem es die eigene Spielweise erlernt und daher gezielt Herausforderungen anpasst oder um personalisierte Inhalte anzubieten. Ist es also denkbar, dass es in naher Zukunft ein Spiel geben könnte, wie in der Episode gezeigt wurde? Laut Ogawa gäbe es bereits alle benötigten technologischen Faktoren in einer anderen Form als dem Implantat. Zudem bleibe es fraglich, ob die breite Masse jemals bereit sein wird für Implantate, die Einfluss auf unsere physische Wahrnehmung haben. In Bezug auf Wearables steige die Akzeptanz jedoch: „Es gibt VR-Brillen und Sensoren, die unseren Puls messen können. Fügt man dem noch eine KI hinzu, die misst und analysiert, wie wir auf gewisse Dinge reagieren, denke ich, ist so ein Spiel bereits heutzutage absolut im Bereich des Möglichen. Man benötigt jedoch einen starken Prozessor“, erklärt Ogawa.

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Artenvielfalt durch KI?

In einer anderen Episode werden Drohnen vorgestellt, die Bienen ersetzen können, um die Bestäubung von Pflanzen sicherzustellen und den Rückgang der Bienenpopulation zu bekämpfen. Diese Technologie ist bereits in der Forschung. Auch die EU unterstützt ein ähnliches Projekt, welches 2026 endet. In dem EU geförderten Projekt Robo-Royale wird versucht, das Wohlergehen der Bienenkönigin zu gewährleisten, um den Fortbestand der Kolonie zu sichern. Die Verwendung von KI ist dabei essenziell. Beim Projekt RoboBee der Harvard University müssen die Drohnen manuell gesteuert werden, doch KI könnte dabei helfen die Drohnen autonomer zu gestalten. Ulrich Bodenhofer, Professor für Künstliche Intelligenz am Campus Hagenberg der FH Oberösterreich, ortet in der Bilderkennung für eine KI kein Problem mehr. Egal, ob es sich dabei um Blumen, Früchte oder Tiere handle. Für diese Dinge stünden genügend Datensätze zu Verfügung. Ein größeres Problem bei der Umsetzung der Drohnen sei, dass man zurzeit bei solch einer kleinen Drohne nicht genügend Rechenleistung zur Verfügung habe, um das so umzusetzen. Ob eine Umsetzung eines Tages möglich sein wird, da die Entwicklung stetig voranschreitet, bleibt derzeit noch fraglich.

Beim Thema Künstliche Intelligenz haben jedoch viele Menschen das Szenario vor Augen, eine KI könne sich selbstständig machen und Böses tun. Laut Bodenhofer sei es technisch gesehen möglich, etwas zu programmieren, das böse Intentionen hat. Dafür müsse man eine Belohnung für böse Handlungen in die lernende Komponente der KI integrieren. Doch Bodenhofer gibt Entwarnung: „Von sich aus würde eine KI solche Aktionen nicht durchführen.“ Zusammenfassend lässt sich sagen, dass Künstliche Intelligenz vieles möglich macht, es ist jedoch wichtig, sich der möglichen Auswirkungen Künstlicher Intelligenz auf unsere Gesellschaft bewusst zu sein. KI-Systeme können uns dazu bringen, nur mit Menschen zu interagieren, die ähnliche Meinungen und Interessen haben, wie wir selbst, was zur Fragmentierung und Polarisierung unserer Gesellschaft führen könnte. Es ist daher wichtig, eine Serie wie Black Mirror zu haben, die unter anderem dafür Bewusstsein schafft, wie KI eingesetzt werden könnte, um sicherzustellen, dass sie im Einklang mit unseren Werten und Prinzipien steht und unser Leben auf eine positive Weise verbessert. Es bleibt jedoch abzuwarten, ob und wann die Erfindungen aus der Serie ihren Weg in die Realität finden.

Karoline Szakal | Copyright: Nikolas Rode