Von Emily Pobst
Während einige die Kreativität von KI-generierter Kunst infrage stellen, betrachtet Martin Dörsch sie als ein mächtiges Werkzeug, das die Grenzen sprengt und die Kunstlandschaft revolutioniert.Tauche ein in die kontroverse Diskussion und erfahre, wie KI die Zukunft der Kunst prägen könnte.
Du stehst auf dem Hof eines weißen, renovierten Bauernhauses mit Holzfassade. Vor dir befindet sich eine helle, aber kleine Holztür, die gerade groß genug ist, damit du hindurchgehen kannst. Du trittst ein, die Wände sind weiß gebleicht und das Einzige, was deinen Augen erlaubt, sich schnell an die Veränderung des Lichts zu gewöhnen, sind die steilen, schmalen Holzstufen, die nach oben führen. Bei jedem Schritt, den du machst, hältst du dich am Geländer fest und kämpfst dich die Treppe hinauf, bis du es endlich schaffst.
Vor deinen Augen siehst du Fotos. Im Augenwinkel siehst du ein Bild von einer Frau, das gleich deine Aufmerksamkeit erregt. Plötzlich ziehen dich deine Beine zu dem Bild und du stehst davor, schaust es dir genau an und liest die Bildunterschrift: „35mm analogue film photography of a beautiful woman in a red dress with white dots. William Eggleston Style“ von Martin Dörsch. Deine Augenbrauen ziehen sich verwirrt zusammen. Du erinnerst dich, dass du über ihn und seine Arbeit mit KI-generierten Bildern gelesen hast.
Die faszinierende Verbindung zwischen Künstlicher Intelligenz und Fotografie
Dieser Moment der Verwunderung führt dich zu der faszinierenden Welt des Fotografen und Pädagogen Martin Dörsch, der eine einzigartige Verbindung zwischen Künstlicher Intelligenz und Fotografie herstellt. Dörsch hat im Rahmen eines Fotografie-Workshops, der sich auf die Nutzung von KI spezialisiert, ein Bild mithilfe eines Programms namens Midjourney generiert. Midjourney ist ein Programm für Künstliche Intelligenz, das Bilder aus sprachlichen Beschreibungen, den sogenannten Prompts, erzeugt und produziert. Das Bild, das vor dir hängt, hat Dörsch mit Midjourney geschaffen. Es zeigt eine Frau mit schönem, gestyltem langem blonden Haar in einem roten Kleid mit weißen Punkten. Sie steht aufrecht mit dem Rücken zum Betrachter. Ihr Kopf ist leicht nach rechts gedreht, sodass der Betrachter die Hälfte ihres Gesichts sehen kann. Sie steht vor einem Haus und im Hintergrund sieht man ein zweites Haus mit einem alten Auto davor. Während Dörsch das Bild betrachtet, sagt er: „Midjourney ist aktuell – aus meiner Sicht – eines der mächtigsten bildgebenden oder Bild-generierenden KI-Tools, darum habe ich mich damit beschäftigt.“
Angesichts dieser faszinierenden Entwicklung stellt sich die Frage, welche Rolle Künstliche Intelligenz in der Zukunft der Kunst spielen wird. Dörsch gibt an, dass KI voraussichtlich vieles auf den Kopf stellen werde und dass traditionelle Kunstformen wie Malerei und Fotografie weiterhin Bestand haben werden. Er betont, dass KI weit mehr sei als ein herkömmliches Werkzeug und die Fähigkeit besitze, Grenzen zu durchbrechen, und das ohne großen Aufwand. „Man kann sich das wahrscheinlich noch gar nicht vorstellen, aber es wird sich extrem viel verändern”, fügt Dörsch hinzu.
Die Herausforderungen, die KI in der Kunstwelt darstellt
Geschaffene Kunst ist die Essenz menschlicher Gefühle, Meinungen, Gedanken und Leidenschaften. Viele nutzen Kunst, um sich auf möglichst originelle und einzigartige Weise auszudrücken und damit Neues zu erschaffen. Die vielen Kritiken aus der Kunstwelt zu KI scheinen berechtigt. Jerry Saltz, ein bekannter amerikanischer Kunstkritiker, der seit 2006 für das New York Magazine arbeitet, hat eine eher kritische Meinung zu KI-generierter Kunst. Er bezeichnet sie als minderwertige Kunst und beschrieb DALL-E 2 – ein KI-Bildgenerator – in seinen eigenen Worten: „This is pretty crapola illustration.“ Er ist der Meinung, dass es der Mehrheit der KI-Kunst an Kreativität und echter Fantasie mangelt.
Die Frage, ob von KI geschaffene Kunst als Kunst angesehen werden sollte, wird uns noch länger beschäftigen. Was als Kunst angesehen wird, ist sehr subjektiv, da jeder eine andere Meinung darüber hat, was Kunst ist. Wie steht also ein Kunst- und KI-Experte zu diesem kritischen Thema? Nach Dörschs Ansicht ist der Zug bereits abgefahren. Denn es hätte keinen Sinn mehr, sich dagegen zu wehren, da der Zug uns sonst nur überrollen würde. „Als Fotograf oder Kunstschaffender sollte man sich prinzipiell mit den Programmen der Künstlichen Intelligenz auseinandersetzen. Oder man ist eben eine Galerie, die nur analoge Fotografie ausstellt. Für mich persönlich lautet die Antwort: Folgen Sie dem Trend, wohin er sich auch entwickelt“, meint Dörsch.
Kontroverse: Hinterfragung von KI in der Kunstwelt
Du drehst dich um und bemerkst eine Videoinstallation am anderen Ende des Raums. Du gehst Schritt für Schritt über den knarrenden Holzboden, bis du schließlich stehen bleibst und vor dir eine schwarz gerahmte Installation stehen hast. Die Videoinstallation hat einen weißen Hintergrund mit schwarzen dreieckigen Figuren, die in Schwärmen umherschweben. Du machst einen Schritt näher zum Kunstwerk und plötzlich flattern die Figuren. Sie reagieren auf deine Bewegung. Du neigst deinen Kopf nach rechts und liest den Titel: Vögel von Benedikt Pfisterer. Er ist ein aufstrebender generativer Künstler, der in Oberösterreich geboren wurde und derzeit in Wien lebt. Mit diesem neuesten Werk von ihm hat er mit Hilfe eines Algorithmus das Schwarmverhalten von Vögeln simuliert. Durch sein Kunstwerk hinterfragt er das Klimabewusstsein der Menschen und macht den Eingriff von Menschen in ihre Umwelt sichtbar. Pfisterer teilt seine Meinung zum Einsatz von Künstlicher Intelligenz in der Kunstwelt. Er argumentiert, dass KI als Kunst betrachtet werden sollte und verweist auf Chucky Schuster und Jon Rafman. Beide sind großartige Künstler*innen, die mit KI arbeiten. Pfisterer findet, dass man den Stellenwert von KI nicht wirklich verallgemeinern kann. Für ihn kann KI generierte Kunst durchaus Kunst sein, er fügt aber hinzu, dass viele KI-Künstler*innen ähnliches schaffen. Wenn man sich in der Kunstszene umhört, trifft man häufig auf die Meinung, dass es schwierig ist, einen Großteil der Gesellschaft für die neue Technologie der Künstlichen Intelligenz zu interessieren. Es gibt sehr viele verschiedene Meinungen zu diesem Thema, oft sind sie negativ besetzt.
In einem Blog Von Brühl zum Thema KI in der Kunstwelt meinten die Autor*innen, dass diese neue Form der Technologie mehrere Funktionen in der Kunstwelt haben kann. Es ist nicht nur wertvoll für die Erstellung von Kunstwerken, sondern auch für deren Analysierung und Klassifizierung. Speziell nützlich ist das für Kunstmuseen und Galerien, da sich diese vermehrt durch KI-Tools Kunstwerke zusammenstellen und somit einzigartige Sammlungen erstellen können. Jedoch gibt es dazu nicht nur positives Feedback, sondern auch viele negative Betrachtungen. Beispielsweise fürchten viele Künstler*innen um die Authentizität ihrer Fotos oder Kunstwerke, die für KI-generierte Kunst herangezogen werden. KI-generierte Kunst wird zwar meist nicht unmittelbar neu geschaffen, sondern imitiert oft bereits bestehende Künstler*innen und Kunstwerke. Aufgrund dieser diversen Wechselwirkungen zwischen Kunst und KI ist es von größter Bedeutung, dass die Technologie verantwortungsbewusst und ethisch korrekt eingesetzt wird. Wichtig ist, dass der kreative Prozess des Künstlers erhalten bleibt und die Technologie nicht die Oberhand gewinnt.
Pfisterer fügt hinzu: „Ich finde es gut, so wie es jetzt angenommen wird. Es gibt sehr viele kritische Stimmen, aber es gibt auch sehr viele Leute, die wirklich vorne dabei sind und KI als Werkzeug sehen. Ich finde es wichtig, dass es viele verschiedene Meinungen und Ansichten dazu gibt. Die Kunstwelt wird sich immer weiterentwickeln und man muss halt auch neue Erfindungen mitintegrieren.“ Aber ob KI-generierte Kunst noch als Kunst angesehen werden kann, hängt nicht nur von der Freiheit des Künstlers, sondern auch vom Kunstmarkt ab.
Künstliche Intelligenz hat eine große Debatte in der Kunstbranche ausgelöst. Entweder ist man der Meinung, dass Kunst unsere eigene menschliche Intention und Kreativität erfordert oder dass KI-erzeugte Kunst immer noch als Kunst angesehen wird, da sie Teil des kreativen Prozesses des Künstlers ist. Ob ein automatisiertes Kunstwerk Kunst ist, hängt von der Meinung des Betrachters oder auch einer Jury oder auch einer eventuellen Gesetzgebung ab.
KI-generierte Kunst ermöglicht es uns, unsere konventionellen Vorstellungen von Kunst zu hinterfragen und neue Formen der Kreativität und des Ausdrucks zu finden. Wir müssen die Vorstellung in Frage stellen, dass Kreativität in der Kunst nicht länger eine einzigartig menschliche Eigenschaft ist. Aber auf diesem Weg ist noch viel Raum für Diskussion.