Wer bezahlt die „Gratiszeitungen“ in Österreich? Als meritorische Güter gelten Tageszeitungen als gesellschaftlich erwünschte Güter, die aus staatlicher Sicht in zu geringem Maße nachgefragt werden. Dabei stellt sich die Frage, ob Österreichs Gratis-Tageszeitungen dieser Logik folgen. Mithilfe des Medientransparenzgesetzes wird die Werbefinanzierung dieser untersucht.
Politik und Medien seien in Österreich oft sehr eng verknüpft und dahingehend wird die Verwendung von Steuergeldern zur Kommunikation mit Bürgern massiv kritisiert. Es ist zu erkennen, dass diese Gelder in wenige Medienunternehmen fließen, obgleich ungeklärt ist, ob die damit unterstützen Kampagnen Wirkung erzielen. Es liegt in der Natur der werbefinanzierten Medien, dass am österreichischen Medienmarkt Inhalte kostenlos, beispielsweise durch Online-Auftritte von Verlagen oder von Privatfernsehanstalten, angeboten werden. Aber kann es wirklich ein Gut geben, das von der öffentlichen Hand mitfinanziert wird und frei und kostenlos für die Allgemeinheit verfügbar ist, ohne dass sich die Allgemeinheit dessen bewusst ist? Im Grunde genommen sind Medieninhalte einer Gratis-Tageszeitung öffentliche Güter, da sie kostenlos sind und niemand von deren Nutzung ausgeschlossen werden kann. Bei einem Allmendegut, wie der Gratis-Tageszeitung, besteht Konsumrivalität unter den Lesern, da es eine bestimmte Auflagenzahl je Standort gibt. Österreichs Verlage sind trotz ihrem Interesse der umfassenden Informationsbereitstellung Unternehmen, die gewinnorientiert handeln. Von gesellschaftlichem Selbstzweck kannbei kostenloser Bereitstellung nicht gesprochen werden.
Gratis- vs. Kauf-Zeitung: differenzierte Zielgruppe
Der Trend zur Gratis-Tageszeitung erreichte 2001 Österreich mit „U-Express“, publiziert vom Verlag der Kronen Zeitung. Den Durchbruch in diesem Bereich des Printmarktes schaffte die „Heute“ im Jahr 2004. Derzeit erscheinen im Land 193 Gratiszeitungen unter dem Dach der Regionalmedien Austria (RMA). Es gibt jedoch nur zwei Blätter, die täglich publiziert werden: „Österreich“ und „Heute“. Diese haben es geschafft, dass zehntausende Menschen bevor sie morgens in ein öffentliches Verkehrsmittel steigen in eine offenstehende Zeitungsbox greifen und sich eine Zeitung mit auf den Weg nehmen. Dabei sprechen sie die spezifische Zielgruppe der Pendler an, die nun die bislang ungenutzte Fahrzeit von durchschnittlich 20 Minuten sinnvoll nutzen kann. Die meisten Gratiszeitungen erscheinen im übersichtlichen Tabloid-Format, welches dem Leser einen inhaltlich schnellen und umfassenden Überblick über das aktuelle Geschehen bietet. Der Unterschied in der Zielgruppe zwischen Lesern von „U-Bahn-Zeitungen“ und Lesern von abonnierten Tageszeitungen liegt darin, dass Erstere oftmals Gelegenheitsleser sind, die nach Information verlangen aber keinen direkten Bezug zu einer bestimmen Zeitung haben und daher nicht bereit sind viel Zeit und Geld in Medien zu investieren. Darüber hinaus sucht das junge Publikum nach Information ohne Meinung der Journalisten, soTonini, Tamedia-Chef und unterstreicht dabei die Differenzierung in der Zielgruppe.
Das Geschäftsmodell: urban und gratis
Ein Grund für den Erfolg der Gratis-Tageszeitung liegt im Geschäftsmodell, das sich von Kauf-Zeitungen insofern unterscheidet, als dass die Erlösquellen ausschließlich aus Werbeeinnahmen in Form von Anzeigen und Inseraten, bestehen. Das Geschäft mit Gratistageszeitungen ist vor allem von der Dichte des Ballungsraumes abhängig, so Medienwissenschaftler Michael Haller. Demzufolge ist das Vertriebsmodell der Gratis-Tageszeitung konzentriert. Die Verteilung erfolgt überwiegend durch Handverteilung oder in Zeitungsboxen bei öffentlichen Verkehrsmitteln, sowie bei freier Stapelauslage in Geschäften. Der Aufbau einer Gratis-Tageszeitung ist an die Zielgruppe angepasst und besteht aus wenig Text, großen Bilder und viel Werbung. So besteht die Möglichkeit einer kleinen, kostengünstigen Redaktion.Die Medienbehörde KommAustria veröffentlicht seit 2012 Daten nach dem Medientransparenzgesetz. Dieses Bundesgesetz sorgt für Transparenz von Medienkooperationen sowie von Werbeaufträgen und Förderungen an Medieninhaber eines periodischen Mediums. Dadurch wurden unter anderem Erlösquellen von Tageszeitungen transparent gemacht. Es ist zu erkennen, dass die öffentliche Hand im Jahr 2015 rund 188 Millionen Euro für Inserate und Werbekampagnen ausgegeben hat, insbesondere in Boulevard-Zeitungen. Allen voran gab die Gemeinde Wien mit den ihr nahestehenden Unternehmen etwa 46 Millionen Euro aus. An die Gratiszeitung „Heute“ gingen etwa 14,4 Millionen und an „Österreich“ 14 Millionen. Nun ist geklärt, wer die Hauptwerbekunden der Gratis-Tageszeitungen in Österreich sind. Daraus kann geschlossen werden, dass Verlage mit Steuergeldern ohne gesetzlichen Auftrag und ohne gesetzliche Legitimation arbeiten, denn wie bereits erwähnt hält sich die Leistungsfähigkeit des journalistischen Inhalts gegenüber Abonnementzeitungen weit zurück. In anderen Ländern Europas ist das Verhalten ähnlich. In der Schweiz setzte ein Student ein Zeichen für mehr Transparenz bei Politikfinanzierung, indem er über 138.000 Franken sammelte, um ein Inserat auf der Titelseite von „20 Minuten“ zu schalten.
Wenn ein Pendler am Morgen beim Lesen einer Gratis-Tageszeitung im Glauben ist, diese völlig kostenlos zu erwerben, so kann er nun erkennen, dass diese zu einem gewissen Teil indirekt aus Steuermitteln bezahlt sind.Steuergelder fließen hier zwar einerseits legitim in kommerzielle Unternehmen, andererseits werden jedoch Teile der Gesellschaft außerhalb der Verbreitungsgebiete von einem Nutzen ausgeschlossen, so dass der Einsatz von Inserate-Einschaltungen zumindest aus Steuergeldern und nicht aus Parteimitteln kritikwürdig erscheint.
AUTORIN
Katharina Andratsch