Im Finanzierungsdschungel: Zalando, SevenVentures und Media for Equity

Copyright: rawpixel/pixabay

Zalando, About you oder E-Darling – Unternehmen, die wir alle instinktiv kennen. Woher? Irgendwann begannen diese Namen über den Bildschirm zu flackern. Wie kamen sie ins Fernsehen und was haben Fernsehsender damit zu tun?

Media for Equity hat sich über die Jahre als ein Investmentmodell in der Medienindustrie etabliert. Schon in den 1990iger Jahren haben einzelne Medienunternehmen, wie die Störer SE & Co. KGaA oder die ProSiebenSat.1 Media SE mit SevenVentures, dieses Finanzierungs- beziehungsweise Investitionsmodell aufgegriffen. Darüber hinaus gibt es auch eigenständige Media for Equity-Fonds, wie den GMPVC – German Media Pool GmbH. Das Prinzip des Modells ist simpel, ein Unternehmen, vor allem Start-ups, geben einem Medienunternehmen Beteiligungen am Unternehmen im Tausch für Media, also grob formuliert für Werbung. Welche Chancen und Risiken birgt so ein Vertrag nun aber für ein junges Unternehmen?

Im Finanzierungdschungel des Fernsehens © Janina Schmid


Das Start-up, das heute keines mehr ist:  Zalando  

Oktober 2008: die Zalando SE wird gegründet. Das Konzept „Schuhe online kaufen“ war weitgehend unbekannt. Die Geschäftsidee orientiert sich am Vorbild des amerikanischen Unternehmens Zappos von Robert Gentz. Die Schuhe werden anfangs vom Keller im Bürogebäude täglich von den Mitarbeitern verpackt und von der DHL abgeholt. Schon einige Monate nach dem Startschuss nimmt das Unternehmen weitere Marken in das Sortiment auf und plant als nächsten Schritt den Verkauf von Handtaschen. Als erster Investor wird Holtzbrinck Ventures ins Boot geholt. Die Bilanzsumme 2008 liegt bei 326.618 Euro.

Wie aber war es für ein derart junges Unternehmen möglich schon im zweiten Jahr des Bestehens eine, nicht gerade kleine, TV-Kampagne zu schalten? Stichwort „Schrei vor Glück“.


Die “Lösung“: Ein Media for Equity Deal?

Bei Media for Equity (dt. Werbeträger gegen Eigenkapital) handelt es sich um eine alternative Art der Private Equity Finanzierung. Vorwiegend wird diese Finanzierungsmethode von internetbasierten Start-ups in Anspruch genommen.

Die Funktionsweise ist relativ simpel erklärt: ein Start-up erhält freie Werbekapazitäten von einem Medienunternehmen, hierbei kann es sich um Werbung im Fernsehen, Printbereich, Außenwerbung, Radiowerbung oder auch Onlinewerbung handeln. Im Gegenzug erhält das Medienunternehmen Unternehmensanteile des Start-ups. In der Regel entspricht die Beteiligung der Höhe des Preises des zur Verfügung gestellten Werberaums. Zudem steckt auch oft eine strategische Motivation auf der Seite des Medienunternehmens hinter solch einem Deal. Sie erweitern damit ihr Geschäftsmodell.

Darstellung eines einfach Media for Equity-Deals © Janina Schmid

Einer der stärksten Player auf diesem Markt ist SevenVentures, das 2011 gegründete Tochterunternehmen von ProSiebenSat.1. Noch bevor das Start-up in das Programm von SevenVentures aufgenommen wird, steht der ProSiebenSat.1 Accelerator. Hierfür muss das Start-up einen Umsatz zwischen 250.000 und 2,5 Millionen Euro pro Jahr aufweisen können, denn nur so sei es möglich das angebotene Mediavolumen von 1,5 Millionen Euro vollständig ausschöpfen zu können. Im Gegenzug erhält der Accelerator eine Minderheitsbeteiligung am Start-up.

In der Post-Accelerator-Phase investiert SevenVentures selbst in das Start-up, das einen Jahresumsatz von mindestens 5 Millionen vorzuweisen hat. Im Fokus steht die Steigerung der Markenbekanntheit und des Umsatzes. Zusätzlich umfasst das Programm eine Mediaplanung sowie die Online-Optimierung und die Produktion eines Werbespots. Hat das Start-up schlussendlich eine bestimmte Größe erreich, wird des an SevenOne Media übergeben, eine weiter Tochtergesellschaft von ProSiebenSat.1, welche für die gesamte Werbung des Konzerns verantwortlich ist.


Zalando und SevenVentures

Zalando ging den Deal mit SevenVentures 2009, nur ein Jahr nach der Gründung und mit einem Jahresumsatz von 326.618 Euro, ein und wechselte 2015/16 zu SevenOne Media. Die erste Werbekampagne unter dem Motto „Schrei vor Glück“ aus dem Jahr 2010, ist wohl jedem in Erinnerung geblieben. Bis heute gilt dieser Spot als einer der wichtigsten Erfolgsfaktoren für Zalando.

Nun stellt sich jedoch die Frage, welchen Nutzen ein Start-up, in diesem Fall eben Zalando, aus einem Media for Equity-Deal, in diesem Fall mit SevenVentures, ziehen kann. Gerade für ein E-Commerce Unternehmen ist es wichtig, eine Marke zu bilden. Da Werbung allerdings kostspielig und für ein junges Unternehmen oft nicht stemmbar ist, bietet sich solch ein Deal durchaus an. Um ein Beispiel anzuführen: der Marktanteil der ProSiebenSat.1-Gruppe lag im September 2019 bei 28,2%.

Überdies gibt es auch negative Nebeneffekte. Media for Equity-Deals erfahren zunehmend Beliebtheit, nicht zuletzt auch wegen der großen Erfolge, die die Beteiligungsgesellschaften erzielen. Für Start-ups zieht dieser Umstand allerdings Konsequenzen nach sich. Die Beteiligungsgesellschaften haben aufgrund der hohen Nachfrage eine bessere Verhandlungsbasis und können Konditionen für die jungen Unternehmen verschlechtern. Zudem werden meist Listenpreise zur Bemessung der Investitionen, beziehungsweise des zur Verfügung gestellten Werberaums, angesetzt. Hierbei sollte aber nicht vergessen werden, dass bei herkömmlichen Werbedeals oftmals große Rabatte gewährt werden. Somit können sich Beteiligungsgesellschaften also günstig in Start-ups einkaufen.


Eine andere Perspektive

Für das Berliner Interieur Start-up Urbanara rentierte sich der eingegangenen Media for Equity-Deal, zum einem mit RTL 2 und zum anderen mit SevenVentures, nicht. Hauptsächlich begründet der Gründer Benjamin Esser die misslungene Kooperation damit, dass ihr Produkt für TV einfach nicht funktioniere. Nach ihren eigenen Analysen hätte die Akquirierung eines Neukunden 1000 Euro gekostet. Essers Statement dazu war: „Das hat einfach keinen Sinn gemacht – verglichen mit sonstigen Cost per Order von unter zehn Euro.“

Zudem weißt Esser auch auf die inflationäre Präsenz der Media for Equity-Deals von Start-ups in der TV-Werbung hin. Dennoch sieht er auch einen positiven Sinn bei solchen Deals, vorausgesetzt das Produkt ist für Fernsehen geeignet, sprich Produkte, die wenige Streuverluste haben und somit praktisch jeden ansprechen.


Was wurde aus dem „Start-up“ Zalando

Schon im TV-Jahr 2015/16 wurden aus dem Media for Equity-Deal mit SevenVentures eine Partnerschaft mit SevenOne Media. Das bedeutet, dass SevenVentures heute keine Anteile an Zalando mehr hält, und somit im Divested Portfolio angeführt wird.

Zalando sieht die Kooperationen höchst positiv : „Ohen die Hilfe von SevenVentures wäre es uns nie gelungen, so schnell Zugang zu einem komplett neuen Markt zu erhalten und diesen nachhaltig aufzubauen.“ Zudem habe das SevenVentures-Team genau die richtigen Mittel für operative und strategische Unterstützung zu Verfügung gestellt.

Es gibt also, wie bei den meisten Dingen, zwei Sichtweisen von Start-ups auf Media for Equity-Deals. Gehandelt wird bei diesen Geschäften immer mit der wichtigsten Währung für Start-ups: den eigenen Unternehmensanteilen. Ob man diese für Werbung einsetzten möchte, sollte gut überlegt werden und auch an jedem Produkt auf Effektivität abgeschätzt werden. Am Ende darf man auch nicht vergessen:

Media ist nicht gleich Cash.“ – Benjamin Esser (Gründer von Urbanara)

 

Über die Autorin: Janina Schmid wurde 1999 in Melk geboren. Seit 2017 studiert sie Medienmanagement an der Fachhochschule St. Pölten. Der Grund für die Wahl dieses Studiums ist ihr Interesse an Finanzierung, Management und Medien.

Twitter: _janinaschmid_