Stadt versus Land: Wird Klimajournalismus in den Regionen anders wahrgenommen?

Regionale Medien erreichen in Summe weit mehr Menschen als einzelne überregionale Tageszeitun- gen. Ihr Einfluss aufs Meinungsbild der Österreicher:innen scheint also unbestritten. Wie aber geht man in den Regionen mit dem Thema Klimajournalismus um? Zwei Expert:innen geben Auskunft.

von JULIAN HOFER

Mit Sicherheit ist jedem von uns schon einmal eine Ausgabe von einer meist wöchentlich erscheinenden Gratiszeitung in den Briefkasten gekommen. Und das ist kein Wunder. Die „RegionalMedien Austria“ (RMA) – größter entsprechender Verlag im Land – geben 128 verschiedene lokale Zeitungstitel heraus, mit denen sie laut der Media-Analyse durchschnittlich fast 2,9 Millionen Leser:innen pro Ausgabe erreichen. Maria Jelenko-Benedikt ist die zentrale Chefredakteurin des Unternehmens, hinter dem der Grazer Styria Verlag und die Tiroler Moser Holding stehen. Sie steuert quasi die Berichterstattung aller lokalen Titel über Schwerpunktsetzungen und Sonderthemen. Wie geht sie mit Klimathemen um?

„Umwelt“ statt „Klima“

Ein klarer Unterschied zwischen nationaler und regionaler Berichterstattung über Klimafragen liegt für Jelenko-Benedikt etwa darin, dass regional oft viel „persönlicher“ berichtet wird: „Überregional berichte ich in den Zeitungen zum Beispiel über neue Gesetze, und das eher auf theoretischer Ebene, während es in der regionalen und lokalen Berichterstattung mehr um die Umsetzung geht. Es wird einfach persönlicher und weniger theoretisch.“ Zudem gebe es auch Unterschiede in der Terminologie. Jelenko-Benedikt dazu: „Klima bedeutet globale meteorologische Zusammenhänge. Sicher kann das jeder oder jede Einzelne im Kleinen mit beeinflussen, auch wenn der Effekt nur ein geringer ist. Im regionalen Bereich, also wenn es um Österreich geht, würde ich eher den Begriff „Umwelt“ verwenden, da kann sich jeder etwas darunter vorstellen.“

Im Kontext eines in den „RMA“ erschienenen Kommentars über Windräder erzählt sie: „Die Reaktionen waren im Prinzip sehr positiv. Dort, wo etwas stark in den eigenen Lebensbereich hineinreicht, kommen allerdings schon sehr viele Reaktionen in Richtung: Stellen sie sich einmal ein Windrad vors Fenster, dann werden wir schauen.“ Aber es gebe bei manchen Themen auch klar positive Reaktionen: Die Berichterstattung über örtliche Müllsammelaktionen könne beispielsweise dazu führen, dass Leser:innen selbst die Initiative ergreifen und mithelfen.

„Per se gilt im Journalismus: Je mehr Bezug du durch eine Geschichte schaffen kannst, desto stärker wirst du In- teresse bei den Leser:innen wecken“ -Ralf Hillebrand „Salzburger Nachrichten“

Relevanz und persönlicher Bezug

Regionale Medien haben also Relevanz für die Bevölkerung und schaffen es, Feedback zu erzeugen und durch persönliches Engagement Leser:innen zu aktivieren. Woran das liegt? Ralf Hillebrand – er ist Ressort- leiter Wissenschaft, Gesundheit, Medien und Technologie bei den „Salzburger Nachrichten“ – meint dazu: „Per se gilt im Journalismus: Je mehr Bezug du durch eine Geschichte schaffen kannst, desto stärker wirst du Interesse bei den Leser:innen wecken. Und mit einem Plus an Reichweite gibt es dann auch ein Mehr an Rückmeldungen.“ Gilt das für Hillebrand auch in Sachen Klimajournalismus? „In der Lokalberichterstattung muss auf den regionalen Bezug Rücksicht genommen werden und darin liegt dann schlussendlich auch der Unterschied. Bei uns in der überregionalen Berichterstattung ist es ein Kann, in der Lokalredaktion ist es ein Muss“, so der „SN“-Journalist zu SUMO. Hillebrand schildert grundsätzlich zwei Zugänge in der Branche: „Es gibt zwei Trends. Zum einen gibt es Medienhäuser, die eigene Klimaressorts aufgezogen haben. Zum anderen gibt es Häuser, in denen das Thema über die verschiedenen Ressorts verteilt wird. Wir bei den ‚SN‘ haben eigene, stark auf das Thema spezialisierte Kolleg:innen. Ausgespielt werden die Themen über alle Ressorts.“

„Lokalaugenschein“

Und wie stellt sich „Klimaberichterstattung“ in den regionalen Medien ganz konkret dar? Ein „Lokalaugenschein“ zeigt folgendes: Plakativ große Überschriften oder Reiter auf der Website zum Themenbereich sucht man oft vergeblich, dennoch sind einzelne Texte zu finden. Meist leicht versteckt, findet man online in Unterkategorien wie „Klimawandel“ oder „Klimaschutz“ Beispiele dafür. Und bei den „RMA“ auch die eingangs erwähnten Sonderthemen und Schwerpunktsetzungen, die in den einzelnen Bezirken auch individuell umgesetzt werden. Maria Jelenko-Benedikt nennt hier als Beispiel das Thema „Nachhaltiges Feiern“, welches 2020 im Zuge einer Klimathemen-Reihe „Unsere Erde“ aufgriffen wurde. In vielen Medienhäusern ist die von Hillebrand für die „SN“ beschriebene Vorgehensweise an der Tagesordnung. Auch in regionalen Printausgaben wird dieser Zugang bevorzugt, welcher das Auffinden von Klimathemen jedoch insgesamt schwieriger gestaltet. Klimathemen scheinen insgesamt eher versteckt, weil sie mit anderen Themen „Symbiosen“ eingehen und einem nicht direkt ins Auge springen. Fazit: Das Klimathema spielt überall mit, explizit ausgewiesen wird es in regionalen Titeln aber selten.

Julian Hofer | Copyright: Julius Nagel