Was Diversität und Gender mit der Klimakrise zu tun haben.
von ALICE APOLLONER
Auf der Titelseite: Greta Thunberg. Mit ernster Mimik hält sie eine Ansprache auf einer Klima- Demonstration. Zwei, drei Seiten später: Eine Klimaaktivistin mit neon-oranger Warnweste und knallig gefärbten Haaren ist gerade dabei, sich mit Sekundenkleber auf eine stark befahrene Straße zu kleben. Noch ein paar Seiten weiter: Zwei junge, weiße Frauen, die aus Protest eine Dose Tomatensuppe über ein bekanntes Kunstwerk schütten. Diese Bilder haben eine Gemeinsamkeit: Sie alle verkörpern die stereotypische Darstellung von Klimaaktivis- mus in den Medien.
Rollenbilder haben die Macht, positive Vorbilder zu schaffen, Menschen mit inspirierenden Geschichten zu motivieren und ganze Generationen dazu ermutigen, selbst aktiv im Umweltschutz zu werden. Doch hat die stereotype Darstellung im Klimajournalismus auch eine Schattenseite: Klimaaktivist:innen sind nicht immer weiß, jung und weiblich. Die Unterrepräsentation von Diversität und Gender in den Medien läuft Gefahr, nur einen Bruchteil der Realität abzubilden und soziale Ungleichheiten zu verstärken. Von indigenen Völkern, Menschen aus dem globalen Süden bis hin zu „Klimaseniorinnen“ in der Schweiz – die Vielfalt der Hautfarbe, des Alters, des Geschlechts und des Einkommens von Klimaaktivist:innen auf unserem Planeten könnte unterschiedlicher nicht sein. Ein bewusstes Augenmerk auf eine diverse Darstellung von Minderheiten statt Stereotypen im Klimajournalismus zu legen, könnte dazu beitragen, ein inklusiveres Bild zu schaffen, das Vorurteile widerlegt und eine Grundlage dafür schafft, dass sich alle Leser:innen angesprochen fühlen.
Zusammenspiel von Klima- und Gendergerechtigkeit
Doch woher kommt das Rollenbild der Frau im Zusammenhang mit Klimaangelegenheiten? Die Klimaexpertinnen Marianne Dobner und Nicole Katsioulis des Wiener Vereins „Hallo Klima!“ sprechen in ihrem Workshop „Klimakrise und Geschlechtergerechtigkeit: Retten Frauen die Welt?“ über ein enges Zusammenspiel von Klima- und Gendergerechtigkeit, welches nicht außer Acht gelassen werden darf, wenn Rollenbilder im Klimaaktivismus zur Sprache kommen. Laut Dobner und Katsioulis hängt die erhöhte weibliche Beteiligung am Kampf für unsere Umwelt damit zusammen, dass Frauen unter dem Strich mehr unter den Auswirkungen der Klimakrise leiden als ihre männlichen Pendants. Frauen auf der ganzen Welt leiden nämlich unter dem sogenannten „Eco Gender Gap“ – ein Strukturfehler in einem kapitalistischen System. Dass Frauen den Großteil der unbezahlten Care-Arbeit in Form von Altenpflege, Erziehung der Kinder oder Hausarbeit erledigen, wird laut den Klimaexpertinnen von Hallo Klima! in unserem System der Vollzeitarbeit nicht berück- sichtigt.
Auch unter den Auswirkungen des Klimawandels in Form von katastrophalen Überschwemmungen oder extremer Hitze, leiden Frauen – insbesondere im globalen Süden – stärker. Aufgrund von traditionellen Rollenbildern und fehlenden Schwimmkenntnissen retten sie bei Überflutungen zuerst ihre Kinder und die hilfsbedürftigen Ältesten der Familie, bevor sie an sich denken. Auch die pralle Hitze wird den Frauen, die um Lohn auf Baumwollplantagen arbeiten – kaum ausreichend, um die Familie zu ernähren – bei der körperlichen Feldarbeit zum Verhängnis.
Im Workshop von Hallo Klima! fällt auch der Begriff „Petro Masculinity“. Dieser leitet sich von „petrochemischer Industrie“ ab und beschreibt den Zusammenhang von Männlichkeit und der globalen, wirtschaftlichen Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen.
„Petro Masculinity bedeutet, dass fossile Brennstoffe für manche Männer mehr sind als nur Profit, sondern dass über dieses Thema auch ihre Identitäten gebildet werden“
So sei es für die Identität von „richtig männlichen“ Männern selbstverständlich, dass sie gerne ein schnelles Auto fahren, das viel CO2 ausstößt, sie in männlich dominierten Bereichen arbeiten, die oftmals in der petrochemischen Industrie sind und daher mit viel Risiko verbunden, oder, dass nur Fleisch auf den Griller komme. Ein vegetarischer oder gar veganer Ernährungsstil würde in diese Selbstwahrnehmung nicht hineinpassen. Das Thema Gender und Klima ist laut Dobner und Katsioulis – insbesondere in der tagesaktuellen Medienberichterstattung – eine Herausforderung, da in der Berichterstattung meist nur tagesaktuell auf das Jetzt und vor Ort reagiert wird und das seien meist Extremwetterereignisse. Es gäbe nur wenige Reportagen über die Zusammenhänge, grundlegenden Verbindungen oder Porträts von betroffenen Minderheiten. „Es gibt ganz klar Geschlechterzuschreibungen in der Klimaberichterstattung: Frauen im Zusammenhang mit Natur, Hysterie und Klimakrise – während Männer beim Thema Klimakrise erhaben und mit technologischen Lösungen, um es stereotypisch zu sagen, dargestellt werden,“ so Marianne Dobner.
Medien bevorzugen oft weibliche „Role Models“
Barbara Huemer, Landtagsabgeordnete, Sprecherin für Gesundheit und Pflege der Grünen und ehemalige Frauensprecherin der Grünen Frauen Wien, beleuchtet in einem Interview auch die Folgen der Klimakrise für Frauen in Städten wie Wien und warum sich diese daher verstärkt im Klimaaktivismus einsetzen. Huemer zufolge trifft Frauen im Stadtklima die extreme Hitze der Klimaerwärmung stärker, da Frauen aufgrund der ökonomischen Verhältnisse nachweislich einkommensschwächer sind als Männer und daher in schlechteren Wohngegenden leben, die ohne viel Grün einer Hitze-Insel gleichen.
„Ich glaube, dass das wirklich nicht nur eine Darstellung in den Medien ist, sondern eine Realität – dass Klimaaktivistinnen häufig Frauen sind und dass eine junge Generation da keine Scheu hat die erste Reihe zu besetzen, dort aufzustehen und zu sprechen. Dass sich Frauen nicht hinten anstellen, sondern ganz im Gegenteil, hier eine junge, selbstbewusste Frauengeneration für ihre Rechte und Zukunft eintritt“
Rollenbilder in der Klimakrise, so betont Huemer, seien weiterhin ein Hindernis für eine verstärkte Beteiligung von Männern am Klimaaktivismus. Dies könnte an historischen Vorbildern wie der Öko-Feminismus-Bewegung der 1970er-Jahre liegen, wo Frauen bereits eine Verbindung zwischen Umweltausbeutung und Frauenrechten herstellten. Obwohl bei Demonstrationen auch Männer sprechen, werden in den Medien oft weibliche „Role Models“ bevorzugt dargestellt. Medienberichterstattung müsse sensibler vorgehen und auch Männer – egal ob jung oder alt – vor die Kamera holen, da es unsere gemeinsame Zukunft und unsere gemeinsame Natur sei. Ein diverseres Bild in der Klimaberichterstattung würde zweifellos dazu beitragen, dass sich auch Männer bei dem Thema angesprochen und inkludiert fühlen, so Huemer. Die Darstellung von Klimaaktivist:innen in den Medien ist oft stereotyp und begrenzt. Frauen sind nicht nur häufiger ein Opfer des Klimawandels, sondern spielen auch eine wichtige Schlüsselrolle als aktive Umweltschützerinnen. Rollenbilder, Gender- und Klimagerechtigkeit gehen Hand in Hand und sollten in der Berichterstattung des Klimajournalismus mit Diversität behandelt werden.