Die Bedeutung von Klickzahlen im Online-Journalismus

Copyright: Melanie Gruber

Kommerzielle Nachrichtenmedien im Web sind überwiegend von Werbeerlösen abhängig und müssen sich dementsprechend an Online-Nutzungsdaten orientieren. Der ständige Blick auf Klickzahlen beeinflusst den Online-Journalismus auf vielen Ebenen.

Die digitale Nutzung von Nachrichten steigt kontinuierlich, das zeigen die Zahlen des Digital News Report 2020. 38,6 % der befragten Österreicher nutzen demnach Websites oder Apps von Zeitungen als Hauptnachrichtenquelle. Trotz steigender Nachrichtennutzung und Online-Werbeerlösen in den vergangenen Jahren kämpfen Zeitungsverlage mit wirtschaftlichen Problemen, denn sie können die rückläufigen Erlöse von Printzeitungen im Digitalbereich nicht oder nur schwer kompensieren.

Online-Journalismus agiert in einem medienökonomischen Spannungsfeld zwischen Werbemarkt und Publikumsmarkt. Um den Erfolg einer Website beurteilen zu können, werden Visits bzw. Page-Impressions herangezogen. Je mehr Klicks eine Nachrichtenplattform hat, desto attraktiver ist sie für Werbekunden. Darüber hinaus werden auch andere Maßnahmen wie das Engagement – meist in Form von Teilen oder Kommentieren – berücksichtigt. Diese Nutzungsdaten sind alle in Echtzeit verfügbar. Das Redaktionsmanagement kann detailliert verfolgen, wie erfolgreich ihre Artikel geklickt wurden, was ihnen eine unmittelbare Anpassung ihrer Inhalte erlaubt. Berichte werden optimiert, damit möglichst viele Leser darauf anspringen. Hier entsteht aber die Problematik, dass sich Online-Redaktionen zu sehr auf Klickraten fixieren und diese Quoten mit Qualität gleichsetzen. Themen werden teilweise nicht nach Wichtigkeit oder gesellschaftlicher Relevanz ausgewählt, sondern werden am potenziellen Erfolg der Klickzahlen festgemacht.

Masse will leichte Themen und provokante Schlagzeilen

Der Nutzer steuert durch sein Leseverhalten den Journalismus und Medienunternehmen müssen ihr Angebot daran ausrichten. Mit der Orientierung an Publika entstehen aber auch die Befürchtungen, dass die Orientierung an Online-Nutzungsdaten die journalistische Qualität schwächt und es zu einer Zunahme von boulevardesken und weichten Themen führt, da viele Leser an sensationellen Nachrichten und leichtem Unterhaltungsstoff interessiert sind.

Eine unrühmliche Strategie, um höhere Zugriffszahlen und somit höhere Werbeeinnahmen zu generieren, nennt man „Clickbaiting“. Hier werden im Online- und insbesondere Social-Media-Umfeld User mit reißerischen Titeln oder Cliffhanger auf eine Website gelockt. Falsche Erwartungen werden kreiert, der Mehrwert an Informationen erfüllt sich beim Seitenaufruf allerdings gar nicht oder nur teilweise. Die Strategie des Clickbaitings kann zwar kurzfristig zu einem erhöhten Traffic führen, langfristig scheint diese Strategie zur Nutzergewinnung allerdings wenig erfolgsversprechend, denn die Seitenbesucher sind so schnell wieder weg, wie sie gekommen sind. Die wohl bekanntesten Beispiele für Clickbaits sind heftig.co und Buzzfeed. Auch österreichische News-Seiten nutzen reißerische Claims, um Aufmerksamkeit zu generieren und ihre Artikel oder Videos besser zu vermarkten:

Reichweite ≠ Qualität

Aber was sagen Klicks über die Qualität eines Mediums aus? Visits und Page Impressions zur alleinigen Messung der Aufmerksamkeit des Publikums geben ein unvollständiges Bild des Leserengagement, denn Klicks bedeutet nicht Lesen. Um tatsächlich die Qualität eines Mediums beurteilen zu können, bedarf es neue Mess-Standards für Leitmedien. Demnach könne man mithilfe der Verweildauer das Klick-Dilemma unterbinden, da sie die Qualität besser darstelle als der simple Klick. Denn mittels Verweildauer lässt sich feststellen, wie lange sich ein Nutzer auf der Internetpräsenz aufgehalten hat.

Gut recherchierte Beiträge zu aktuell relevanten Themen werden zwar weniger angeklickt, aber dafür tatsächlich gelesen. Dass sich Qualitätsjournalismus im Digitalbereich auszahlt, zeigen beispielsweise „The Guardian“, „The Times of London“ und „Le Monde“. Nach dem Motto „Qualität statt Quantität“ haben sie die Anzahl ihrer Artikel reduziert und konnten damit mehr Traffic, eine höhere Verweildauer und mehr Abonnenten generieren.

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Journalisten mögen zum Teil immer noch versuchen, möglichst unabhängig von Klickzahlen zu arbeiten. Dennoch ist der Druck in der Medienbranche hoch, sich an die scheinbare Objektivität von Online-Nutzungszahlen zu orientieren. Letztendlich müssen sich Medienunternehmen aber die Frage stellen, auf welche Kriterien sie ihren Erfolg festmachen wollen: die Anzahl der Klicks oder Qualität im Angebot.

Über die Autorin

Copyright: Melanie Gruber

Melanie Gruber wurde 1993 im Burgenland geboren. Derzeit studiert sie Medienmanagement an der Fachhochschule St. Pölten. Sie interessiert sich für Online-Marketing und digitale Medien. Qualitative Berichterstattung ist ihr wichtig.
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