Bei Fremden zu Hause: grenzüberschreitende Berichterstattung

Copyright: Ondrej Svatos

Es sind diejenigen, die uns mit dem Geschehen in unseren Nachbarländern, aber auch in den fernsten Teilen unserer Erde bekannt machen – AuslandskorrespondentInnen. SUMO erhielt eine Einladung von Danko Handrick zu einem Besuch im Auslandsstudio der ARD in Prag. Zusätzlich führte das Magazin noch ein Gespräch mit Ernst Gelegs, dem Korrespondenten des ORF in Budapest. SUMO erhielt somit Informationen aus erster Hand, welche Prozesse vor der Rezeption von Nachrichten aus dem Ausland passieren müssen. 

Laut AMS-Berufslexikon sind AuslandskorrespondentInnen jene JournalistInnen, die im Ausland für eine einheimische Presse-, Radio-, Fernseh- oder Nachrichtenagenturredaktion tätig sind. Ihr Ziel ist es, die heimische Öffentlichkeit über Ereignisse in einem spezifischen Land bzw. in einer spezifischen Region zu informieren, in dem oder der sie sich auch tatsächlich aufhalten. Jedoch kommt es häufig vor, dass ein/e Auslandskorrespondent/in über mehrere Länder berichten muss, wie es z.B. bei Ernst Gelegs vom ORF der Fall ist. In dieser Situation stehen zusätzlich sogenannte ProducerInnen zur Verfügung, die vorzugsweise die Sprache des jeweiligen Landes perfekt beherrschen (beim ORF sind es sogar StaatsbürgerInnen des Landes). Diese halten die KorrespondentInnen kontinuierlich auf dem Laufenden, benachrichtigen sie bei außerordentlichen Geschehnissen oder bereiten Interviews vor. Handrick meint zur Arbeit der AuslandskorrespondentInnen, dass sie nur einen gewissen Umfang an Übersetzungsarbeit leisten sollen. Wenn sie sich in einem Land längere Zeit aufhalten oder sogar dort beheimatet sind, verlieren sie laut ihm den objektiven Blick auf die Entwicklungen und Geschehnisse, der für die Berichterstattung in ihrem Heimatland aber unbedingt nötig sei. Deswegen findet es Handrick auch gut, dass die KorrespondentInnen der ARD nach fünf Jahren wechseln.  

Das typische Auslandsbüro 

Die Größe der Auslandsredaktion ist das Alpha und Omega bei der Suche nach Unterschieden zwischen einem inländischen und einem ausländischen Studio. In den Auslandsredaktionen sind alle Ressourcen (personelle, finanzielle, materielle usw.) auf einem niedrigeren Niveau gehalten. Ernst Gelegs gibt SUMO ein Beispiel: „Eine Innenpolitikredaktion beschäftigt hunderte MitarbeiterInnen, darunter SpezialistInnen im Bereich der Statistiken, Analysen usw. Ein/e Auslandskorrespondent/in muss sich alle Informationen selbst verschaffen und das auch für acht Länder!“ 

Ein weiterer Unterschied liegt in der Tatsache, dass jedes ORF-Auslandsbüro selbst entscheide, welche Inhalte das Studio eigentlich produzieren wolle. „Wir bekommen überhaupt keine Anweisungen“ sagt Gelegs. Die Gestaltung der Berichterstattung eines Auslandsbüros laufe so ab, dass die Redaktion zuerst eine Auswahl an Möglichkeiten anbiete. Stimme der Abnehmer (also sämtliche Abteilungen des ORF) zu, werde dieses Thema produziert. Werde der Vorschlag abgelehnt, komme es nicht zur Realisierung der Idee. Bei der ARD sei die Gestaltung laut Handrick ähnlich. Jedoch sei sein Büro vorwiegend dem „Ersten Deutschen Fernsehen“ zulieferungspflichtig und stehe erst dann anderen Sendern zur Verfügung. Das Team des Auslandsbüros beobachte das Geschehen im Land und schreibe Angebote für mögliche berichtenswerte Begebenheiten. In weiterer Folge entstehe der Inhalt für Sendungen wie z.B. „Europamagazin“ oder „Weltspiegel“, aber auch für viele Sendungen von dritten Sendern wie MDR. Damit schaffen die Auslandsbüros der ARD sehr hohe Reichweiten und  kooperieren deswegen auch mit mehreren Redaktionen innerhalb der ARD. 

Die „Arbeitsgemeinschaft der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten der Bundesrepublik Deutschland“ (ARD) besitzt insgesamt 30 Auslandsstudios in vielen Gebieten der Welt und beschäftigt mehr als 100 KorrespondentInnnen. Die ARD ist aber nicht für die Auslandsstudios zuständig, sondern die Landesrundfunkanstalten, die auch gemeinsam die ARD-Sendungen produzieren. Demgemäß wird die angesehenste Sendung der ARD, die „Tagesschau“, in Hamburg beim „Norddeutschen Rundfunk“ (NDR) produziert, das „Mittagsmagazin“ bei „Rundfunk Berlin-Brandenburg“ (RBB) und das TV-Magazin „Brisant“ beim „Mitteldeutschen Rundfunk“ (MDR) in Leipzig. Diese Landesrundfunkanstalten teilen sich auch die Auslandsredaktionen auf der Welt. Demnach besitzt der NDR Redaktionen in London, der WDR betreibt das Studio in Moskau und der MDR hat die Auslandsredaktionen in Neu-Delhi und ist auch für Länder wie etwa Afghanistan, Pakistan und Sri Lanka kompetent. Der MDR betreibt noch wie schon erwähnt das Auslandstudio in Prag, das SUMO besuchte. Die Redaktion in Prag ist die kleinste der insgesamt 30 ARD-Auslandsbüros und hat nur fünf-sechs vor allem freie MitarbeiterInnen. Es wurde im Jahr 1964 eröffnet. 

„Einen Alltag gibt’s bei uns nicht!“… 

…antwortet Handrick auf die SUMO-Frage nach seinem Tagesablauf. Eine permanente Rufbereitschaft sei notwendig, da man nie vorhersehen könne, was im Laufe des Tages passieren werde.  

„Festgelegte Zeiten, wie 8:00 Uhr Beginn und 16:00 Uhr Ende des Dienstes, existieren in diesem Job nicht. Ein/e Auslandskorrespondent/in muss sich die Arbeitszeit selber einteilen und stets für Unvorhersehbares bereit sein. Ein aktuelleres Beispiel war der Tod von Karel Gott. Bei solchen unerwarteten Ereignissen muss ein/e Auslandskorrespondent/in die bereits begonnene Arbeit zur Seite stellen und sich rasch in dieses Thema einarbeiten“, fügt er hinzu. Ernst Gelegs kann dies nur bestätigen und gibt SUMO ein Beispiel von einem Tagesablaufszenario bei Wahlen. Dabei sei der Korrespondent oder die Korrespondentin für mehrere Sendungen bzw. Gattungen zuständig. Die erste Berichterstattung finde schon in der Früh für das „Ö1-Morgenjournal“ statt und danach für das „Ö1-Mittagsjournal“, da der Hörfunk die Prime-Time in der ersten Tageshälfte habe. Im Rahmen der Morgenberichterstattung werde die Erwähnung der Wahlen durchgeführt und die Ausgangsituation erörtert. Nach dem „Mittagsjournal“ komme aber schon die Prime-Time für das Fernsehen, wie etwa „ZiB“ um 17:00 oder „ZiB 1“ bzw. „ZiB 2“, in denen bereits die Hochrechnungen präsentiert werden können. Nach der Ausstrahlung dieser Live-Interviews folge die Vorbereitung auf die Sendungen, die am nächsten Tag am Vormittag ausgestrahlt werden. „An einem Tag mit Breaking News kann es leicht vorkommen, dass die Arbeit länger als 13 Stunden dauert“, sagt Gelegs. Jedoch gebe es auch wesentlich ruhigere Tage: „Das passiert, wenn der Schwerpunkt der Berichterstattung auf innenpolitischen Themen wie z.B. bei der Ibiza-Affäre, Bundeswahlen usw. liegt“. 

Einheimische des jeweiligen Staates Pro und Contra ihrer Auslandsberichterstattung 

Es ist klar, dass sich die MitarbeiterInnen eines Medienhauses sehr gut in dem jeweiligen Land auskennen müssen, über das sie berichten. Das können natürlich vor allem einheimische BürgerInnen, also bei einer Berichterstattung über die Slowakei die SlowakInnen selbst. Diese Personen sind mit der Umgebung und der politischen Lage vertraut und verstehen auch alle Spezifika des Landes, die JournalistInnen aus anderen Ländern unbekannt bleiben würden. Andererseits kann es bei diesen RedakteurInnen leicht vorkommen, dass ihre Berichterstattung subjektiv geprägt ist oder dass sie uninteressante Informationen übermitteln, weil sie den/die typische/n österreichische/n Rezipienten/in nicht so gut kennen wie ein/e Journalist/in aus Österreich. „Für mich ist es wichtig, mit einer deutschen Brille auf Themen zu schauen. Themen, die für meine tschechischen oder slowakischen KollegInnen nicht interessant sind, könnten für die deutschen ZusachauerInnen durchaus interessant – weil unbekannt sein“ meint Handrick. Dazu ist es aber wichtig zu erwähnen, dass die ARD noch über ein Projekt namens „Ostblogger“ verfügt. Der ORF hingegen setzt auf Menschen des jeweiligen Landes. Auf die Frage, ob es negative Aspekte haben könnte, antwortet Gelegs: „Alle bei uns angestellte ProducerInnen sind professionell ausgebildete JournalistInnen, die mit dieser Herausforderung zielgerichtet umgehen können. Der/Die Auslandskorrespondent/in übernimmt dann ihre Arbeit, was eine zusätzliche Kontrolle darstellt. Gibt es Zweifel, muss man immer nachfragen. Andere Denkweisen, Informationsinteressen bzw. Sichtweisen bestehen immer.“  

Die Recherche im Ausland  

…unterscheidet sich grundsätzlich nicht sehr von der Datensammlung im Inland. Es kommt aber natürlich auf die Story an, die durch die Recherche gewonnen werden soll. In erster Instanz sind es Agenturen, wie beim ORF die internationale Nachrichtenagentur Reuters. Da einige KorrespondentInnen wie etwa Ernst Gelegs mehrere Länder betreuen müssen, sind sie noch durch RedakteurInnen in Wien unterstützt, die ihren Content mit Hilfe der European Broadcasting Union (EBU) produzieren können. Handrick meint dazu, dass die Berichterstattung vor Ort immer höhere Präferenz haben müsse, denn dort könne ein/e Journalist/in die Ausgangssituation und ihre weiteren Folgen besser einschätzen. Handrick gibt ein Beispiel dazu, das die Lage der deutschen Redaktionen in Prag beschreibt. Aufgrund finanziellen Mangels und Konkurrenz seien in dieser Stadt bereits mehrere deutsche Redaktionen geschlossen worden. Das bedeutet, dass die Mitteilungen über das Geschehen in Tschechien nicht direkt aus dem Land, sondern aus Deutschland kommen. Dies sei nicht genügend, da diese Nachrichten durch eine oberflächliche deutsche Sicht beeinflusst sind. Es komme auch häufig vor, dass den MitarbeiterInnen in Deutschland die hintergründigen Informationen unbekannt bleiben. AuslandsredakteurInnen gewinnen ihre Expertise auch durch die tägliche Lektüre der inländischen Zeitungen des Landes, die oft in mehreren Sprachen verfasst sind.  Darum bestehe eine der wichtigsten Fähigkeiten eines Auslandsjournalisten oder einer Auslandsjournalistin darin, die jeweiligen Landessprachen zu beherrschen. Dadurch habe der/die Korrespondent/in die Möglichkeit, die BürgerInnen des Staates direkt in ihrer Muttersprache anzusprechen. Da diese Methode möglichst präzise sein müsse, um Objektivität zu gewährleisten, erfolgen alle Gespräche des ORF oder der ARD mit der dortigen Bevölkerung ausschließlich in der Sprache des jeweiligen Landes, denn nur so seien die Befragten nicht durch eine Fremdsprache limitiert.  

Während sich ein/e Journalist/in, der oder die sich außerhalb des betroffenen Landes befindet, zuerst einen gewissen Überblick über eine Problematik verschaffen muss, ist den vor Ort stationierten ReporterInnen die erste Basis für ihre Nachricht höchstwahrscheinlich bereits bekannt.  

Entscheidung, welche Nachrichten auf Sendung kommen und welche nicht 

Redaktionen sind bei Formaten wie etwa „Zeit im Bild“ generell durch ein enges Zeitfenster begrenzt und es ist nicht immer leicht, in diesem alle wichtigen Ereignisse auf der Welt für das österreichische Publikum informativ abzubilden. Bei der ARD entscheide der oder die ChefIn vom Dienst in Hamburg oder Leipzig, welche Nachricht eine höhere Priorität habe. Innerhalb des ORF liege diese Entscheidung bei den AuslandskorrespondentInnen selbst. Gelegs und Handrick sind einer Meinung, dass die höchste Präferenz, ob die Nachricht auf Sendung komme oder nicht, die Bedürfnisse der einheimischen RezipientInnen seien. Laut Gelegs sollte man sich immer diese Fragen stellen: „Ist das tatsächlich für eine/n österreichische/n Rezipient/in interessant?“ oder „Betrifft diese Nachricht auch das Leben in Österreich?“ – Falls ja, sei die Präferenz natürlich höher. Handrick gesteht ein, dass die ARD zwar über Länder wie Tschechien oder die Slowakei berichten wolle, diese aber nicht so große Dimensionen wie die USA oder China hätten. Wenn sich etwa eine Nachricht über den US-amerikanischen-chinesischen Wirtschaftsstreit ergebe, habe sie Vorrang vor anderen.  

Eigenschaften eines/r idealen Auslandskorrespondenten/in  

„Neugierig sein“ – war die prompte erste Antwort beider SUMO-Interviewpartner. Handrick betonte zusätzlich die Flexibilität in allen Bereichen und auch die Fähigkeit, mit verschiedenen Inhaltsformaten (Berichte, Filme…) umgehen zu können. Gelegs betont ausdrücklich die Gleichheit mit jedem anderen Redakteur oder jeder anderen Redakteurin. Er hält zusätzlich noch fest, dass ein Journalist bzw. eine Journalistin nicht gleich von Anfang als AuslandskorrespondentIn arbeite, sondern erst langsam durch das Sammeln nötiger Erfahrungen in diese Funktion hineinwachse. 

Von Ondrej Svatos