Der ORF und sein neues Format – „ORF M.Eins“ 

Österreichs öffentlich-rechtlicher Rundfunk will mit „ORF M.eins“ „das Fernsehen ins Web verlängern“. Es wird von der Redaktion bespielt, welche die verschiedenen ZIB-Programme mit Inhalten versorgt. Pro Woche wird ein gesellschaftlich-relevantes Thema aufgearbeitet. SUMO hat sich mit der Website auseinandergesetzt und im ORF-Zentrum mit den RedakteurInnen Irina Oberguggenberger und Arthur Einöder über das Format sowie auch mit Konrad Mitschka über den Public Value von „ORF M.Eins“ gesprochen. 

Unter www.meins.orf.at kann man die als Onepager recht simpel gehaltene Website besuchen Onepager sind Internet-Seiten, auf der die Inhalte auf einer langen, nach unten laufenden Seite präsentiert werden. „Beim Arbeiten an der Seite sprechen wir von ,Hauptstraße‘ und ,Nebenstraße‘“, erklärt Irina Oberguggenberger, die als Redakteurin die Seite aktiv mitgestaltet. Wenn das Team von der „Hauptstraße“ spricht, dann meint es den Hauptartikel. Die „Nebenstraßen“ sind die diversen vertiefenden Informationen und Links, auf die man klicken kann. Beim Runterscrollen werden diese nach und nach eingeblendet und sind oft mit einem „Mehr Erfahren“-Button gekennzeichnet. Man findet auf der Seite sowohl Interviews, Grafiken als auch andere Texte. Für die RedakteurInnen gilt jedoch: Wenn es möglich ist, visuellen Inhalt zu erstellen, dann wird dies getan. So können die Qualitäten des ORF als Fernsehstation optimal genutzt werden. Darin besteht laut Oberguggenberger auch der USP der Website: „Das Zusammenspiel aus Text, Grafik und Video ist sicher eine unserer Stärken. Unser Vorteil gegenüber Print-Angeboten, die auch online existieren ist der, dass wir hervorragenden Video-Content produzieren. Unser Know-How in diesem Bereich ist sicher das, womit wir punkten können.“ Das neue Format soll abseits der TV-thek – wo der Inhalt aus den verschiedenen ZIBs sieben Tage verfügbar ist – den Informationen „einen gewissen Rahmen geben, der der Realität des Medienkonsums entspricht“. Es wird also vor allem darauf geachtet, Informationen zu vertiefen, mit Text und Bild anzureichern und „diese in einen neuen Kontext zu stellen, der medienadäquat ist“, sagt Arthur Einöder. Zusammengefasst geht es darum, die Inhalte des ORF crossmedial – also sowohl im linearen Fernsehen als auch im Netz – zu verwerten und sich dabei nicht damit zu begnügen, Video für Video auf die TV-thek zu stellen.

Was die Themenauswahl betrifft, will „ORF M.Eins“ das Verlangen hervorrufen, „draufklicken zu wollen“. Den UserInnen soll die Frage nach dem „Warum?“ hinter einem komplexen Thema beantwortet werden: „Der Anspruch ist auch, dass die Leserinnen und Leser die gesamte Seite konsumieren, sich überall durchklicken und danach das Gefühl haben, zu diesem Thema nun Bescheid zu wissen“, so Oberguggenberger. Ein Vorteil für die RedakteurInnen von „ORF m.eins“ ist, dass sie eine ganze Woche Zeit haben, um ein Thema aufzubereiten. So nimmt man sich aus dem immer stärker werdenden Aktualitätsdruck in der Medienwelt heraus und befasst sich eine Woche mit den Hintergründen von Ereignissen. „Wir beschäftigen uns mit dem ,warum eigentlich?‘. Dem mehr Platz zu geben und sich ein bisschen mehr Zeit dafür zu nehmen, ist der Anspruch den wir haben“, erläutert Einöder.

Auch für Konrad Mitschka, der seit 1997 beim ORF tätig und mittlerweile für den Public Value-Bericht und damit die Qualitätssicherung innerhalb des Unternehmens verantwortlich ist, kann „ORF m.eins“ mit dieser in die Tiefe gehenden Berichterstattung eine Alternative zur schnellebigen Informationswelt bieten. Für ihn liegt der Mehrwert ganz klar in der Bewahrung von Qualitätsjournalismus, auch im Internet. Das Format ist damit ein Gegenpol zu dem normalen Nachrichtenmagazin, da es eine Woche lang konsequent ein Thema ergänzt und damit in die Tiefe gehen kann. „Es ist eine Aufgabe öffentlich-rechtlicher Medien, so etwas wie eine Kompassfunktion wahrzunehmen, Orientierung zu schaffen. Und gerade in unserer kurzlebigen Welt geht es hier nicht nur darum, rasch irgendeine Schlagzeile zu produzieren, sondern Informationen einordenbar zu machen, Zusammenhänge aufzuzeigen, Hintergründe zu bieten.“ Mit seinem neuen Angebot will der ORF vor allem eine junge Zielgruppe ansprechen. Diese sei mit linearen Angeboten kaum mehr zu erreichen, man müsse deshalb das Angebot an deren Bedürfnisse anpassen. Eine Umfrage unter 14-25 Jährigen soll zeigen, ob dies tatsächlich gelingt. Hier die Ergebnisse:

 

 

 

Böse Zungen könnten behaupten, es handelt sich bei dem Angebot nur darum, ein neues Argument für die immer wieder aufkommende Debatte zur Haushaltsabgabe zu finden. Die in Deutschland bereits eingeführte Haushaltsabgabe ist eine Abänderung der Rundfunkgebühr: Man bezahlt dabei nicht mehr für jedes „empfangsfähige“ Gerät, sondern der ganze Haushalt bezahlt einen pauschalen Preis. Schon seit Jahren setzt sich der ORF dafür ein, dass die Haushaltsabgabe auch in Österreich durchgesetzt wird. Gerechtfertigt wird dies durch den Medienwandel und die Möglichkeiten, lineare Inhalte auch über andere Geräte als den traditionellen Fernseher und das Radio zu nutzen. Doch während sich die Argumente dafür vor kurzem darauf beschränkten, dass Radioangebote über Streams und Fernsehangebote über die TV-thek wahrnehmbar seien, könnte „ORF M.eins“ Schwung in die Debatte bringen. Außerdem ist stark anzunehmen, dass dies nicht das letzte Internetangebot des ORF bleiben wird. Man wird also nicht darum herum kommen zu definieren, inwiefern die Angebote des Unternehmens auch mit Internet-fähigen Geräten wahrzunehmen sind und wie sich das auf die Art der Finanzierung bzw. der Gebühren auswirken sollte. Ob der ORF mit dem Format seine Vormachtstellung im Fernsehen auch ins Web verlängern kann, bleibt abzuwarten.