Playlisten auf „Spotify“: Korsett oder Wunschkonzert? 

„Spotify“ nutzt die Daten seiner Hörerinnen und Hörer, um personalisierte Playlisten zu erstellen. Entdecken die NutzerInnen durch Playlisten wirklich neue KünstlerInnen oder bekommen sie ein zugeschnittenes Musikprogramm ohne Überraschungen? SUMO sprach mit Benjamin Brüst, Head of Digital bei „Universal“ Österreich.  Mit jeder Bewegung im Internet hinterlassen Nutzerinnen und Nutzer Daten, so auch beim Musikhören. IT-Fachkräfte, Labels oder JournalistInnen sammeln sie und Algorithmen spucken dann Fakten über das Hörverhalten aus. Zum Jahresabschluss hat z.B. „Spotify“ seinen NutzerInnen mit „Year in Music“ die Möglichkeit gegeben, ihr Musik-Jahr Revue passieren zu lassen. Welchen Song hat der Nutzer oder die Nutzerin 2015 als erstes gestreamt? Welche Lieder, KünstlerInnen und Genres hat der Hörer oder die Hörerin am meisten genützt? Interessant ist es auch, dass man sehen kann, in welcher Jahreszeit man welche/n Interpreten/in bevorzugt hat, wieviele Minuten man Musik konsumiert hat und wieviele verschiedene KünstlerInnen und Songs man gehört hat. Hauptsächlich werden die gesammelten Daten aber dafür genutzt, HörerInnen und AbonnentInnen maßgeschneiderte Playlists zu bieten. Dem Nutzer  und der Nutzerin sollen sich durch vorgeschlagene Listen des Streaming-Dienstes auch neue MusikerInnen und Genres erschließen, die ihm oder ihr bis dahin vielleicht nicht so bekannt waren.

Playlists als Hauptgeschäft

Vor allem der Streaming-Dienst „Spotify“ hat das Erstellen von Playlisten zu einem seiner USP gemacht. „,Spotify´ funktioniert stark über seine Playlisten. Und deshalb ist es als Künstler wichtig, dort vertreten zu sein“, sagt Benjamin Brüst von „Universal“ Österreich. Als Head of Digital leitet er die digitale Verkaufsabteilung in Österreich und auf dem Balkan. Er kümmert sich dabei um den Vertrieb von digitaler Musik, die Promotion und das Marketing in den jeweiligen Ländern. Durch seine Tätigkeit steht er in regelmäßigem Kontakt mit Streaming-Diensten wie „Spotify“, „Deezer“, „Tidal“ und „Apple Music“. Mit „Digster“ hat „Universal“ eine eigene Playlist-Marke vor allem im Mainstream-Bereich. Doch als Label hat „Universal“ nur begrenzte Möglichkeiten seine Musik über Playlisten zu vermarkten. Deshalb ist es wichtig, dass Songs aus dem Haus in den Playlisten von „Spotify“ erscheinen: „Man sieht natürlich, dass ein Song, der in die Top100-Streaming Playlist rutscht, dann auch öfter gestreamt wird.“ Einfluss auf die Algorithmen und die Auswahlverfahren der Playlisten hat „Universal“ jedoch nicht. Es gibt auch keinen direkten Zusammenhang zwischen einem häufigeren Streaming und steigenden Verkauf eines Titels. Die Anzahl, wie oft ein Song im Radio gespielt wird, wirkt sich ebenso auf die Verkaufszahlen eines Albums oder einer Single aus. Als aktuelleres Beispiel verweist Brüst auf das Lied „7 Years“ von Lukas Graham, welches zwar in der „Spotify Top 50 Österreich“-Liste im Dezember 2015 auf Platz 6 rangierte, in anderen Streaming-Diensten aber kaum vertreten ist.

„Fan Insights“: Eine Hilfe für KünstlerInnen und Managements

„Spotify“ bietet seit kurzem außerdem den Dienst „Fan Insights“ an. Auf die Frage, wie Major-Labels diese Daten für sich nutzen können, antwortet Brüst: „Wir haben gar keinen Zugang, sondern bekommen von ,Spotify‘ Reportings und darin sind die Daten enthalten, die wir dann für uns auswerten. ‚Fan Insights’ ist nur für KünstlerInnen und deren ManagerInnen gedacht und dabei sehr hilfreich. Kein anderer Service bietet so etwas an.“ „Fan Insights“ zeigt MusikerInnen zum Beispiel, wer ihre Fans sind und wo diese herkommen, wie die Größe ihres Publikums sich mit der Zeit verändert oder was für andere musikalische Präferenzen ihre Fans haben. Diese Daten können sie und ihr Management dann nutzen, um etwa eine Tour zu planen. „Universal“ hingegen erhält nur die Reportings, welche normale Streamingdaten enthalten. „Natürlich wollen wir mehr, aber wir bekommen eben nur die Daten, die wir auf rechtlicher Ebene erhalten können“, meint Brüst.

Gläserne HörerIn

Als wir auf das Konzept des „gläsernen Menschen“, bezogen auf die Metapher eines Menschen der durch die ständige Datensammlung über seine Person vollkommen überwacht und „durchleuchtet“ ist, zu sprechen kommen, erklärt Brüst, dass so etwas wie ein „gläserner Hörer“ sehr wohl existiert. „Years in Music“ von „Spotify“ ist schließlich das beste Beispiel dafür, wie diverse Nutzerdaten verwertet werden. Den Vorwurf an „Spotify“, dass KünstlerInnen für die zur Verfügung gestellte Musik nicht genug entlohnt werden, sieht Brüst aus der Perspektive des  Musik-Fans: „Es ist eine Künstlerentscheidung, die jeder für sich selbst treffen muss. Aber als Musik-Fan wünsche ich mir, dass die Musik auf allen Services verfügbar ist, damit es keine Benachteiligung in diesem Sinne gibt.“ Jeremie Machto / Stefanie Wurzer