Die Welt, vernetzt und überflutet von Nachrichten, ist im Begriff zu ersticken. Nicht an einem Mangel, sondern an einem Überfluss an Informationen. Hier, wo jeder Klick eine neue Schleuse öffnet und einen Tsunami an Daten entfacht, steht der Klimajournalismus vor einer komplexen Herausforderung, vergleichbar mit dem Klimawandel selbst. Es ist eine Gratwanderung zwischen dem Erwecken von Umweltbewusstsein und der Gefahr, im Strom vielfältiger Schlagzeilen unterzugehen.
von VICTORIA KNEIL
In der heutigen Medienlandschaft wird intensiv über den Klimawandel und seine Auswirkungen berichtet. Diese Informationsflut führt zu einer Überlastung, die die öffentliche Wahrnehmung negativ beeinflusst. Klimajournalismus muss sich daher der Aufgabe stellen, Informationen und Botschaften effektiv, effizient und in angemessenem Maß zu vermitteln.
Soll Journalismus mobilisieren?
„Es ist fraglich, ob Journalismus mobilisieren oder lediglich berichten soll. Es gibt Unterschiede zwischen Aktivismus, Mobilisierung und Journalismus. Journalismus soll den wissenschaftlichen Konsens, den die Klimaforschung sehr eindeutig herstellt, angemessen vermitteln“, meint Matthias Karmasin. Er ist österreichischer Medien- und Kommunikationswissenschaftler, forscht und lehrt als Professor für diese Fachgebiete an der Universität Klagenfurt und ist Direktor am Institut für vergleichende Medien- und Kommunikationsforschung (CMC) der Österreichischen Akademie der Wissenschaften.
Klimajournalismus steht vor der Herausforderung, inmitten der Informationsüberflutung die richtige Balance zu finden. Effektive Kommunikation spielt eine Schlüsselrolle, um die Gesellschaft zu mobilisieren. Karmasin betont die Notwendigkeit, den Konsens der Klimaforschung zu vermitteln und kritisiert die klare Trennung von Journalismus, Aktivismus und Mobilisierung aus ethischer Sicht. Die Vermittlung wissenschaftlicher Erkenntnisse erfordert zwei Prinzipien: Verzicht auf „False Balance“ zur angemessenen Darstellung des wissenschaftlichen Konsenses und Betonung, dass wissenschaftliches Wissen zwar bestgesichert ist, aber nicht absoluten Prinzipien unterliegt. In Österreich besteht ein Bedarf, klar zu kommunizieren, warum bestimmte Erkenntnisse als bestgesichert gelten und wie die Qualitätssicherung durch Verfahren wie Peer-Reviews funktioniert.
Ein weiterer Fokus liegt auf der Aufklärung über Lobby-Strategien und interessengeleitete Kommunikation, die systematisch Zweifel an wissenschaftlichen Erkenntnissen wecken. Der als „Science Populism“ bekannte Ansatz versucht, Wissenschaft als abgehobene Elite zu präsentieren und als irrelevant für die Bedürfnisse der Menschen darzustellen. Eine kritische Reflexion dieser Darstellungen ist notwendig, um das Vertrauen in die Wissenschaft zu stärken und Missverständnisse zu vermeiden.
Notwendigkeit für investigativen Journalismus
Torsten Schäfer, Forscher an der Hochschule Darmstadt, Umweltjournalist und seit den 1990er-Jahren im Naturschutz engagiert, hebt die zentrale Bedeutung des Klimajournalismus für die Mobilisierung der Gesellschaft hervor. Massenmedien und Journalismus seien entscheidende Instrumente. Insbesondere betont er die Rolle des Journalismus im Bereich sozialer Medien: „Medien vermitteln seit jeher Wissen zu Klima, Umwelt und Ökologie und bleiben ein entscheidender Faktor für die Information der Bevölkerung. Wenig hat sich daran geändert. Allerdings hat sich in den vergangenen Jahren die Art der Medien und ihre Informationsvermittlung verändert. Plattformen wie YouTube, TikTok, Podcasts und Co. spielen heute eine wesentlich entscheidende Rolle, wenn es darum geht, die jüngere Bevölkerungsschicht zu erreichen.“
Übergang von „Living from nature“ zu „Living as nature“
Die Veränderung der Medienlandschaft beeinflusst nicht nur das „Ob“ der Mobilisierung, sondern auch das „Wie“. Die Vielfalt der heutigen Medien und die ständige Informationsflut stellen Klimajournalisten vor einzigartige Herausforderungen. Neue Medienformate verändern die Art und Weise, wie Informationen über den Klimawandel verbreitet werden. Obwohl diese Entwicklungen das Feld unübersichtlich gemacht haben, bieten sie auch neue Möglichkeiten für breites Engagement. „Es braucht mehr investigativen Journalismus, der auch politisch ist, harte Fragen stellt“, meint Schäfer. Seine Erkenntnisse verdeutlichen den Bedarf an spezialisierten Klimajournalist:innen und weisen auf die Herausforderungen hin, denen der Klimajournalismus auch im Hinblick auf Finanzierung und Vielfalt der Themen ausgeliefert ist.
Schäfer betont aber auch die Notwendigkeit eines neuen Naturverhältnisses. Klimajournalismus solle den Dualismus Mensch – Natur überwinden. Er hebt hervor, dass dieser fortlaufende Prozess – der sich über mehrere Generationen erstrecken werde – eine Öffnung und neue Haltung zur Natur verlangt. Dies schließe die Idee ein, sich in den Schreib- und Lernprozessen mit der Natur auseinanderzusetzen, um eine tiefere Verbundenheit zu entwickeln. Die Kunst der Klimakommunikation sei hier zentrales Thema. Die Sprache des Klimajournalismus, die bisher stark kapitalistisch geprägt gewesen sei und voller Metaphern und Botschaften stecke, müsse sich weiterentwickeln. Dafür schlägt der Forscher und Umweltjournalist vor, naturbezogene Metaphern zu verwenden und Erlebnisse in der Natur zu integrieren, um den Dialog zu verändern und ein tieferes Verständnis für die Klimakrise zu fördern. Er will den Übergang von „Living from nature“ zu „Living as nature“.
Schäfer beschreibt das bestehende System „als ein Gefäß, das durch die Vielfalt der existierenden Elemente kaum mehr überschaubar“ sei. „Die Veränderung des Systems ist zwar positiv, aber eine zu starke Veränderung könnte dazu führen, dass dieses Gefäß überläuft.“ Er sieht die Transformation als wilden, ungestalteten Prozess, der multipolar von verschiedenen Akteuren beeinflusst werde – von Menschen über Aktivist:innen bis hin zu Journalist:innen, die neue Medien und Netzwerke schaffen. „Die Zusammenarbeit in diesem Prozess ist herausfordernd, da nicht alle dasselbe vernünftige Maß finden können, aber dennoch ist es wichtig, sich darauf zu konzentrieren, gemeinsam zu arbeiten,“ wie Schäfer unterstreicht.
Schwer vermittelbare Dauerkrise
Matthias Karmasin wiederum bemüht das Bild einer „Dauerkrise“, die schwer vermittelbar sei. „Journalismus lebt von den Sensationen des Alltags, das heißt von der Diskontinuität, von dem Auffälligen – Stichwort Nachrichtenwert. Eine Dauerentwicklung ist etwas, was sich journalistisch schwerer bearbeiten lässt als Dinge, die disruptiv und sehr schnell passieren.“ Karmasin hebt in diesem Zusammenhang strukturelle Herausforderung hervor: „In diesem Bereich ist der Klimajournalismus deshalb herausfordernd, weil er mehr als nur Wissenschaftsberichterstattung ist. Es betrifft nicht nur das Wetterressort, sondern alle Ressorts, wie auch die Klimakrise alle Bereiche betrifft – bis hin zum Sport. Stichwort Skifahren und Skigebiete oder Formel 1-Rennen, bei denen die Leute schon ohnmächtig werden, weil es zu heiß ist. Es ist eine Querschnittsmaterie und die Kompetenz, über jene komplexe Thematik zu berichten, ist nicht in allen Redaktionen gleichermaßen vorhanden.“
Insgesamt wird deutlich, dass der Klimajournalismus in Zeiten der Informationsüberflutung vor besonderen Herausforderungen steht. Die Balance zwischen Information und Mobilisierung erfordert nicht nur eine klare ethische Grundlage, sondern auch innovative Kommunikationsansätze. Der Klimajournalismus muss nicht nur die gegenwärtigen Herausforderungen reflektieren, sondern auch den Weg für kommende Generationen ebnen. Das Ziel ist klar formuliert: Schutz unseres Klimas durch eine verantwortungsbewusste Gesellschaft, bereit, nachhaltige Prinzipien einzuhalten.
Victoria Kneil | Copyright: Julius Nagel