Kunst mit einer Frauenquote regulieren? Davon halten wir wenig.

Heavy Metal Musik ist laut, hart und schnell. Da die Metalszene sehr männlich dominiert ist, liegt der Gedankengang nahe, dass sich Männer besser mit lautem Gebrüll von ebenfalls meist männlichen Sängern identifizieren können als Frauen.

Um eben dieser Vermutung auf den Grund zu gehen, sprach SUMO mit Vocal Coach und Metal Sängerin Britta Görtz sowie mit dem Herausgeber des Metal News-Portals „Dark Divas“, Florian Dünser. 

Death-, Black-, Thrash- oder Doom Metal. Heute existieren innerhalb des Genres „Metal“ unzählige Subgenres. Doch keine dieser Musikrichtung würde es heutzutage ohne den Heavy Metal geben. Er entwickelte sich bereits Ende der 1960er- bzw. Anfang der 1970er-Jahre und ging aus dem Hard Rock und dem Blues Rock hervor. Bereits damals war die Heavy Metal Szene stark männlich geprägt. „Aufgrund des zu dieser Zeit vorherrschenden, antiquierten Geschlechterbilds in der Szene wurden Frauen lange nicht in Metal-Bands akzeptiert“, erklärt Florian Dünser. Ein weiterer Grund war die sogenannte „True Metal Bewegung“ innerhalb der Szene. Diese entstand Anfang der 1980er-Jahre und im Zentrum stand der „Wahre Metal“, eine Philosophie, in deren Vordergrund Dinge wie Krieg, Ehre, Männlichkeit, die nordische Mythologie und der Kampf gegen den „Falschen Metal“ (False Metal) standen. „Anhänger des True Metal sahen Frauen lieber als Groupies hinter der Bühne, anstatt auf der Bühne als vollwertige Musikerinnen“, sagt Florian Dünser. Auch heute ist der Männeranteil in der Szene noch deutlich größer. „Ich glaube, es liegt auch daran, wie Jungen und Mädchen früher erzogen wurden. Jungs durften laute Rabauken sein, Mädchen sollten ruhiger und angepasster sein.“ Dadurch begannen eher männliche Rabauken lauten Metal zu hören.  

Behind the scenes 

Hinter den Bühnen der Metal Welt gibt es vergleichsweise mehr Frauen. „Was aber auffällt ist, dass die Rollenverteilung noch sehr traditionell ist“, schildert Britta Görtz. Das Catering oder die Betreuung von Gästen und Bands sei meist Frauensache. Anders in der Technik, die ist eine absolute Männerdomäne. Nicht nur bei den Bühnenarbeitern, die viele schwere Kisten schleppen müssen, sondern auch bei Licht- und Tontechnik. Die Sängerin erklärt: „Ich schätze, dass es hier im professionellen Bereich 5% Tontechnikerinnen gibt“. 

Im Bereich des Booking sei es recht ausgeglichen, findet Britta Görtz. Sie kenne viele Männer und Frauen, die dies Job ausüben. 

Florian Dünser hingegen macht auf einen Harvey Weinstein ähnlichen Skandal, der Ende 2020 publik wurde, aufmerksam. Im Mittelpunkt stand die Metal-Booking-Größe John Finberg, einer der einflussreichsten Männer in diesem Geschäft. Ihm wird Mobbing und sexuelle Belästigung vorgeworfen, Dark Divas berichtete. Finberg soll mehreren Musikerinnen angeboten haben, ihre Karrieren im Gegenzug für sexuelle Gefälligkeiten zu fördern. Kurz nach bekannt werden dieses Skandals beendeten Bands wie „Nightwish“, „Amorphis“ und „Delain“ die Zusammenarbeit mit dem Metal-Booker, berichtete der Rolling Stone. „Der Skandal rund um John Finberg hat gezeigt, dass die Szene auch im Hintergrund von Männern dominiert wird – mit all ihren widerlichen Schattenseiten. Auch hier brauchen wir einerseits Zeit. Und andererseits mutige Frauen, die sich diesen Tendenzen entgegenstellen“, betont Florian Dünser. 

Frauenquote auf Festivals 

Diese mutigen Frauen gibt es bereits seit Jahren in der Metal Szene. Musikerinnen wie Alissa White-Gluz („Arch Enemy“), Floor Jansen („Nightwish“) oder Tatiana Shmailyuk („Jinjer“) sind aus der Metal Szenen nicht mehr wegzudenken und gastieren regelmäßig auf großen Rock- und Metalfestivals. Dennoch sind Frauen auf den Festivalbühnen der Metal Szene unterrepräsentiert. So berichtet die Presse am 29.06.2022, kurz nachdem das Nova Rock Festival die ersten Bands für das Jahr 2023 bekannt gegeben hat, dass nur drei Frauen im vorläufigen Line-Up neben 103 Männern auftreten werden. Dieses unausgeglichene Verhältnis ließ Forderungen nach einer Frauenquote bei Festivals laut werden. Florian Dünser äußert sich zur Quotenforderung folgendermaßen: „Kunst mit einer Frauenquote regulieren? Davon halten wir wenig. Den Daumen auf die Wunde drücken, den Spiegel vorhalten und konsequent an der Sensibilisierung arbeiten, ist aus unserer Sicht nachhaltiger und zielführender als eine Quote“.  

Britta Görtz hingegen fände eine Frauenquote im Festival Line-Up gut und sagt dazu: „Du könntest jeden Festival-Slot auf jedem Festival wahrscheinlich mit 1000 Bands besetzen.“ Denn Metal ist im Vergleich mit anderen Musikrichtungen meist schwer zu spielen. Dadurch ist das Niveau auch bei unbekannteren Bands meist sehr hoch. „Schlussendlich geht es nur noch um Geschmack und nicht mehr darum, wer den Job am besten macht“, schildert Britta Görtz. Durch eine Quote wäre es also möglich, Menschen aller Geschlechter auf die Bühnen der Festivals zu bringen, ohne qualitative Verluste hinnehmen zu müssen. „Das hätte doch auf eine großartige Vorbildfunktion und kann bestärkend wirken“, erklärt die Musikerin weiter. 

Die Zukunft des Metal 

„Das Genderthema prescht so nach vorne und ich glaube, Männer beginnen ihr Verhalten zu reflektieren, wen sie sich mit Feminismus beschäftigen“, sagt Britta Görtz. Dies habe einen positiven Einfluss auf den Metal und führe dazu, dass sich Frauen in der Szene wohler fühlen. „Der Frauenanteil wird langsam, aber stetig größer“, versichert auch Florian Dünser. Denn die Akzeptanz innerhalb der Szene steigt. „Es ist noch lange nicht 50/50, aber man merkt an allen Ecken und Enden, dass der Frauenanteil zunimmt“, erklärt Britta Görtz. Positiv ist dies auch Mikael Akarfeldt aufgefallen. Er ist Sänger und Gitarrist der schwedischen Progressive Death Metal Band „Opeth“ und gab am 20.09.2022 ein Konzert in Wien, welches der SUMO-Autor Julian Landl besuchte. Gegen Ende der Show bedankte sich Akarfeldt beim Publikum und betonte, wie sehr er sich freue, dass inzwischen so viele Frauen im Publikum stünden. Den Metal sei Musik für jede*n und alle seien willkommen.  

Von Julian Landl 

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