Politischer Journalismus und PR – zwischen Menschenbildern und Feindbildern

Digitalisierung, Pandemie und Ukrainekrieg – Krisen sind fest in unserem Alltag verankert. Ein Nebenprodukt dieser turbulenten Zeiten ist eine Flut von Informationen, die für normale Bürger*innen unmöglich alle einzuordnen sind.

Hinzu kommt die Verschmelzung von PR-Botschaften und journalistischen Inhalten in klassischen wie auch sozialen Medien. Dabei stellt sich die Frage, wer die Oberhand in diesem Wettbewerb um unsere Aufmerksamkeit behält und wieweit die Beziehung zwischen den beiden Parteien gehen darf. Das Abhängigkeitsverhältnis der Public Relation und des Journalismus ist keine neue Thematik. In vielen wissenschaftlichen Texten, wie beispielsweise die Studie „PR & Journalismus“ von Mathias Hadwiger, wird das Spannungsverhältnis der Berufsgruppen beleuchtet. Selten jedoch ist die Problematik dieser gegenseitigen Abhängigkeit so offenbar als in Zeiten der Krise. SUMO sprach mit Klaus Fröhlich, Redakteur beim ORF, und Johannes Kalteis, Kommunikation & Strategie beim Land Niederösterreich, über ihre Erfahrungen. 

Abhängigkeitsverhältnis und Grenzen 

PR-Berater*innen und Journalisten*innen verfolgen dasselbe Ziel. Bei beiden steht die Vermittlung von Informationen im Vordergrund, ihre Schwerpunkte sind aber verschieden. Während der bzw. die Pressesprecher*in versucht, die eigene Agenda zu transportieren, will der/die Journalist*in diese hinterfragen und Ungereimtheiten aufdecken. Oft wird den Berufsgruppen in ihrer Arbeit eine Abhängigkeitsbeziehung nachgesagt. Einerseits ist Journalismus auf gewisse Informationen wie Gründe von Haltungen, Entscheidung und organisationale Motive angewiesen. Andererseits profitiert die PR-Arbeit umgekehrt von Multiplikationseffekten und der Selektion des Journalismus. Wesentlich ist dabei die Fremddarstellung, die gegenüber der Selbstdarstellung der Organisation eine höhere Glaubwürdigkeit genießt. Die Kunst der PR-Verantwortlichen ist demzufolge die ungefilterte Veröffentlichung ihrer Nachricht in vorwiegend Printmedien. „Wir bereiten unsere Meldungen in einer Weise auf, dass wir den Journalisten den bestmöglichen Service bieten“, erklärt PR-Experte Johannes Kalteis. Dabei sei von Vorteil, wenn ein Pressesprecher schon für das Medium gearbeitet habe und weiß, was bei den Leser*innen ankommt.  „Wichtig ist, dass Pressemeldungen überprüfbare Fakten und Quellen enthalten ansonsten verliert die Pressearbeit an Glaubwürdigkeit“, merkt Kalteis an. Besonders bei komplexen Themenbereichen besteht für  Journalist*innen die Gefahr der Instrumentalisierung. „Journalisten können nicht in jedem Bereich Experten sein“, meint ORF Redakteur Klaus Fröhlich. Um nicht instrumentalisiert zu werden, müsse man dieses Basiswissen durch gründliche Recherche vervollständigen. 

Vor allem in Zeiten des Jobabbaus im Journalismus und des daraus resultierenden häufigen Kontakts wie auch der steigenden Arbeitsbelastung aufgrund des Personalmangels vergrößert sich die Gefahr der Abhängigkeit. Die Grenze ziehe Fröhlich überall dort, wo es über ein professionelles Verhältnis hinausgehe: „Eine berufsbedingte Bekanntschaft ist schwer in Ordnung. Freundschaft ist schon zu viel, da automatisch Abhängigkeitsverhältnisse entstehen.“ Er merkt weiter an, dass eine Grenzüberschreitung direkte Auswirkungen auf das mediale Endprodukt habe: „Das ist Gift für das journalistische Gut.“ 

PR und Journalismus in Krisenzeiten 

Die Sicht des Journalismus auf die Public Relations hat sich auch in Zeiten der Krise nicht verändert. „Der Pressesprecher ist und bleibt ein verlängertes Organ seines Auftraggebers“, so Klaus Fröhlich. Doch merkt Fröhlich an, dass die gegenseitige Abhängigkeit durchaus aufgrund der höheren Frequenz der Berichterstattung und des vermehrten Kontakts mit Pressesprecher*innen gestiegen sei. Das Bild des Pressesprechers bzw. der Pressesprecherin hätte sich persönlich nicht gewandelt. Johannes Kalteis ergänzt, dass sich auch die Vorbereitungszeit verringert und die Schnelligkeit in der Kommunikation intensiviert habe.  

Diese Entwicklungen haben auch positive Aspekte. Die PR unterstütze laut Fröhlich besonders bei schwieriger Meldungslage die Recherche nach Grundlageninformationen. So war beispielsweise in den ersten Tagen der Evakuierungskampagne in der Ukraine die Kontaktaufnahme mit dem Pressesprecher des Außenministeriums sehr aufschlussreich und wichtig gewesen. „Schlussendlich ist es die Aufgabe des Journalismus, die Bevölkerung zu informieren“, so Fröhlich. Auch Kalteis unterstreicht die Bedeutung der PR-Arbeit in Krisenzeiten und ergänzt, dass sie ein Stück weit den Schrecken der Krise nehmen kann. Durch die Einbettung in die Verwaltungsorganisationen könne die Public Relations im öffentlichen Dienst Informationen und Prognosen zur Einordnung liefern, erklärt Kalteis. Als Beispiel einer regionalen Krise nennt er die Schließung der Lifte in Lackenhof am Ötscher. „Die PR musste sehr viel und sehr schnell kommunizieren als auch im engen Kontakt mit Journalisten die Übernahme kommunikativ begleiten“. 

Kritische Stimmen zum Spannungsverhältnis 

Der Medienhistoriker und stv. Vorstand am Institut für Publizistik- und Kommunikationswissenschaft der Universität Wien, Fritz Hausjell, sieht die PR- und Medienarbeit der letzten Krisenjahre kritisch. In einem Blogbeitrag der „Asylkoordination Österreich“ verweist er auf eine immer stärker werdende Präsenz der Public Relations in der Politik und im Umkehrschluss auf die journalistische Berichterstattung. Im Kontext der Flüchtlingskrise 2015 spricht der Medienhistoriker zum einen über das negative Framing der Flüchtlinge in der Darstellung mancher Medien und zum anderen über die fehlende Initiative des Journalismus, das Thema kreativ aufzuarbeiten. Der Journalismus solle sich intensiver mit solchen Schicksalen beschäftigen und im Sinne des konstruktiven Journalismus mehr über das Leben nach der Flucht berichten. Ein Journalismus solcher Prägung könne die kurze Aufmerksamkeitsspanne der Medien in Krisen konterkarieren. Seit der Abwahl der türkis-blauen Regierung durch das Parlament seien die Meldungen über geflüchtete Menschen in den österreichischen Medien merklich zurückgegangen. Diese Entwicklung sieht Hausjell als einen Beleg erfolgreicher Öffentlichkeitsarbeit der Regierung, die das Thema Flucht und Migration zum Nachteil der Betroffenen ausgespielt habe. Er appelliert weiter, dass der Journalismus Flüchtlinge wieder entdecken müsse und durch einen konstruktiven Zugang für mehr Menschenbilder statt Feindbilder sorgen solle. 

Klar ist, dass sich beide Seiten ihrer Abhängigkeit und gegensätzlichen Ziele bewusst sind. Obwohl die enge Zusammenarbeit in den jüngsten Krisenjahren Vorteile hatte, darf Journalismus dennoch nicht zum Sprachrohr der PR-Berater*innen werden. Letztendlich ist der Grad dieser Instrumentalisierung abhängig von der beruflichen Praxis der Journalisten*innen. Eine Neuerung der Presseförderung wäre ein erster Schritt, um Arbeitsverhältnisse zu verbessern und Journalisten*innen in ihrer gesellschaftlich wichtigen Tätigkeit zu unterstützen. 

Von Fabian Lahninger 

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