SUMO hat mit Arie Bohrer, Film Commissioner bei Location Austria und Jakob Pochlatko, Geschäftsführer und Produzent bei epo-film, über die derzeitige Situation in der österreichischen Filmlandschaft gesprochen.
Thematisiert wurden die Besonderheiten von Österreich, der Förderbedarf und wie Koproduktionen bzw. Streaming dem österreichischen Markt helfen könnten.
Philipp H., geboren 1966, beschreibt die Zeit der heimischen Filmrezeption, als „Netflix“ und Co. noch nicht mal als Idee existierten. Damals hätte es nur Fernsehen zu bestimmten Uhrzeiten gegeben und nicht rund um die Uhr, wie man es heute kennt. Filme in Farbe zu sehen war keine Selbstverständlichkeit. Auch die Kino-Erfahrung war eine andere. Besuchte man beispielsweise das Gartenbaukino in Wien, so kaufte man sich um 7,50 bis 15 Schilling (0,55 bis 1,10 EUR) ein Kinoticket für beispielsweise Disney’s „Ein toller Käfer“ oder „James Bond 007 – Diamantenfieber“ mit Sean Connory. Zum Ticket kaufte man sich ein „Kinogramm“: Dadurch konnte man Informationen bekommen zu der Besetzung und dem Produktionsteam und Fotos aus dem Film, sowie zum Inhalt des Films – bei Filmen wie „James Bond“ auch Auszüge aus einem Interview mit BBC zum Film. Ehe der Film startete, gab es auch schon Werbung, allerdings in einer anderen Form, etwa dass eine bekannte österreichische Modekette wie Fürnkranz eine Modeschau mit der neuesten Kollektion vorführte.
Und heute? SUMO hat den Filmproduzenten und Geschäftsführer von epo-film Jakob Pochlatko gefragt, wie es mit der Filmlandschaft in Österreich momentan aussieht und ob die großen Hollywood-Filmschaffenden und Franchises wie Marvel und Disney ein Grund sein könnten, wieso österreichische Filme nicht mehr so häufig rezipiert werden. Es gebe grundsätzlich eine erkennbare Schere bei den Kinobesucherzahlen. Sehr viele Menschen nutzen wenige große Filme und die Zahl an kleineren Filmen, mit soliden Zuschauerzahlen, ginge stärker zurück. Der Hauptanteil der Kinofilmbesucher*innen beziehe sich auf die wenigen Großen und man könne bemerken, dass Franchise und eingeführte Marken gut funktionieren, erklärt Pochlatko. „Marken und große Blockbuster-Produktionen mit dem entsprechenden Werbebudget tun sich leichter und ziehen einen Großteil der Zuschaueraufmerksamkeit auf sich. Das ist im Kino sicherlich so, aber auf der anderen Seite im linearen Fernsehen etwas anders, als dass österreichische Inhalte schon sehr stark nachgefragt werden. Das sieht man nach wie vor bei den sehr guten Quoten im ORF oder mittlerweile auch bei ‚ServusTV‘, die sich nach wie vor auf regionale Inhalte konzentrieren und das kommt gut bei den Zuschauer*innen an.“
Österreich hat filmtechnisch viel zu bieten. Um den (Film)Standort Österreich zu promoten, gibt es Location Austria. Als Unterabteilung der ABA (Austrian Business Agency), der staatlichen Agentur für Industrieansiedlung- und Wirtschaftswerbung, ist sie die erste Anlaufstelle für internationale Filmproduktionen, die in Österreich drehen wollen. Arie Bohrer, Film Commissioner bei Location Austria, erklärt, dass die Kontaktaufnahme telefonisch, über Mail, die Website sowie über das vorhandene Netzwerk internationaler Kontakte erfolgen könne. Die Kund*innen von Location Austria seien zahlreiche internationale Produktionen. Deutsche Produktionsfirmen hätten aufgrund langjähriger Kooperationen ohnehin schon Kontakte in Österreich, daher kämen die meisten internationalen Kontakte beispielsweise aus Amerika, Großbritannien, Indien, Ungarn oder auch Tschechien. Die Kontaktvermittlung zu den betroffenen Locations laufe in den meisten Fällen über Location Austria, aber es sei abhängig, wie viel die Produzent*innen vorab recherchiert hätten und ob schon ein Kontakt zu der Location aufgebaut sei.
Das Besondere an Österreich
Was den (Film)Standort Österreich attraktiv mache, seien die Infrastruktur, die Motive bzw. Settings und, neben diversen anderen Fördereinrichtungen, die Förderinstitution Filmstandort Austria (FISA), so Bohrer. Die Förderung durch FISA biete auch für Produktionen, die nach Österreich kommen und keine Koproduktionen sind (wobei auch Letztere FISA-Förderung erhielten), die Möglichkeit, dass 30% der in Österreich getätigten Ausgaben refundiert werden können, fügt der Film Commissioner hinzu. Er erzählt, dass Berge häufig nachgefragt werden würden, genauso wie die Städte Wien und Salzburg, aber es gebe keine „Peaks“. Aber wo ein Produktionsteam letztendlich filmt, sei abhängig vom Inhalt. Auch der Filmproduzent von epo-film stimmt zu, dass Österreichs Landschaft einen Teil beitrage: „Ich glaube, es ist die Kombination aus Humor, Landschaft und Schauspieler*innen. Die Zuschauer*innen sehen gerne Dinge, die sich in ihren Lebenswelten abspielen. Da holt man Leute emotional anders ab.“ Die Identifizierung mit der Lebenswelt sei sehr relevant: „Wenn das eine Lebenswelt ist, mit der sie sich identifizieren können, also eine Kombination von bekannten Regionen und Schauspieler*innen mit Wiedererkennungspotential. Humor ist in jedem Land anders“. Er fügt hinzu, dass der österreichische Humor speziell sei, aber natürlich sehr gut beim österreichischen und erfreulicherweise auch beim deutschen Publikumankomme. Dass deutschsprachige Komödien gerne von österreichischen Zuseher*innen rezipiert werden, wird von der Statistik der erfolgreichsten Filme in Österreich 2018 bestätigt. Zieht man alle deutschsprachigen Filme heran, so sind vier von sechs Filmen der Kategorie „Comedy“ zugeordnet konstatieren das Österreichische Filminstitut, Rentrak 2020 bzw. Statistik Austria.
Location-Suche
Um für Filmproduzent*innen eine passende Location zu finden, werde zuerst bei Location Austria besprochen, was nötig sei, dann eingekreist, präzisiert und definiert, um sich dann auf die Suche zu machen. Das Team von Location Austria mache ihren Klient*innen dann Vorschläge, fertige bei Passung Bilder an und wenn diese entsprächen, folgen meist Terminbesichtigungen. Location Austria vermittle Locationmanager*innen und Produktionsfirmen. Sollten Probleme außerhalb der Routine auftauchen, beispielsweise Genehmigungen von Filmmotiven wie Transportmittel oder Schlösser, aber auch schwieriger erwerbbare, dann schalte sich die Institution ein. „Wir versuchen, Probleme zu lösen, die auftauchen könnten im Rahmen von Motivverträgen und Verhandlungen bezüglich diverser Filmmotive. Da gibt es oft hohe Erwartungen und Behörden oder Privatpersonen als Eigentümer*innen. Wir schalten uns dann in die Verhandlungen ein, um zu einem positiven Ergebnis zu kommen.“
Förderungen
Neben der Vermittlung von Locations gibt es noch die oben erwähnte Förderung, die über die Film Commission mit abgewickelt wird und über die das Austria Wirtschaftsservice (AWS) beantragt werden kann. Die FISA-Förderung ist ein Zuschuss, der nicht zurückgezahlt werden muss. FISA fördert die Herstellungskosten und je nachdem, ob es sich um eine nationale, internationale oder eine Koproduktion handelt, wird mit einem anderen Zuschussprozentsatz gerechnet. Als Bemessungsgrundlage dienen maximal 80% der Herstellungskosten. Um Fördergelder von FISA zu bekommen, muss ein/e Förderungswerber*in Qualifikationskriterien erfüllen. Die Auswahl der Kriterien werde von einem Beirat festgelegt und nach internationalen Maßstäben ausgerichtet. Eines der Kriterien ist beispielsweise, dass ein vergleichbarer Referenzfilm in Österreich oder einem anderen Staat des Europäischen Wirtschaftsraums (EWR) hergestellt und kommerziell verwertet wurde. „Wenn zum Beispiel jemand im Fernsehfilmbereich aktiv war und nicht im Kinofilmbereich, aber nachweislich gute Arbeit geleistet hat, dann werden selten, aber doch, Ausnahmen gemacht“, erklärt der Film Commissioner. Bei einer Sache sind sich Bohrer und Pochlatko einig und zwar, dass es noch Förderungsbedarf gebe. „Österreich ist bei weitem nicht gut aufgestellt. Wir brauchen mehr für die FISA-Förderung, für internationale Produktion, und es wäre gut, wenn man die Bereiche Video on Demand (Streaming) und Fernsehen in den Fördergeldern inkludieren könnte. FISA ist nur zuständig für Kinofilm und das ist eigentlich zu wenig“, findet Bohrer. Filmproduzent Pochlatko sieht das ähnlich: „Wo es auf jeden Fall noch Bedarf gibt, ist die österreichische Fernsehförderung in Form des Fernsehfonds Austria. Es ist ein wirkungsvolles Instrument, um Österreich als Film- und Wirtschaftsstandort für Filmproduktionen attraktiv zu machen. Nun ist es so, dass momentan einfach mehr im TV-Bereich produziert wird, und auch mehr PayTV und Streaming-Anbieter auf den Markt drängen. Dahingehend gehört der Fernsehfonds aufgestockt und angepasst.“ Das Budget sei seit Jahren das gleiche und würde die Entwicklungen und Fernsehen nicht berücksichtigen. Dies wird auch von Statistiken des Österreichischen Filminstituts, des Filmfonds Wien, der RTR und von FISA bestätigt: Sieht man sich die Gesamtdotierung an, so sind die Fördergelder bis zum Jahre 2015 gestiegen und betrugen rund 82 Mio. Euro, im Vergleich dazu lag der Betrag immer zwischen 72 und 75 Mio. Euro in den letzten Jahren. Auch bei Kinoproduktionen sei die Frage, ob sich Förderungen auf wenige Produktionen fokussieren sollten und diese mit mehr Geld ausstatten, oder es so belässt wie es sei. Grundsätzlich seien höhere Förderungen wichtig, da die Produktionen immer teurer werden: „Die Kollektivverträge steigen, die Teammitglieder*Innen werden besser bezahlt, Produktionen werden teurer und dementsprechend müssen die Förderungen angepasst werden.“ Man könne sich mit höheren Fördertöpfen trauen, innovative Projekte anzugehen. Pochlatko merkt an, dass mehr Geld nicht das einzige Mittel sei, damit ein Film erfolgreicher werde: eine klare Ausrichtung auf ein breites Publikum oder etwa ein künstlerisch-anspruchsvoller Film für Festivals und internationale Anerkennung, – „im Idealfall eine Kombination aus beiden.“ Diese Grundsatzentscheidung müsse man sehr früh treffen. „Dann kann man mit den im Vergleich zu internationalen Studio-Produktionen budgetär beschränkten Produktionsmitteln in Österreich ein größeres Publikum erreichen.“ Der Produzent fügt hinzu, dass er das Fördersystem in Österreich als ein sehr gutes und im internationalen Vergleich gut ausgestattetes hält. Die relevanteste Förderung für die Filmherstellung daher sei laut Pochlatko die Herstellungsförderung: „In der Regel wird ein Drittel bis maximal die Hälfte aller Entwicklungen auch tatsächlich realisiert.“ Die Projektentwicklung erfolge zu großen Teilen mit eigenen Finanzierungsmitteln und somit mit eigenem Risiko. „Da wäre es schon gut, mit einem höheren Budget zu arbeiten – also auch höherer Förderung –, weil im Umkehrschluss dann die Möglichkeit bestünde, weniger Eigenmittel in die Produktion zu stecken. Dann hätte man weniger Druck, jeden Film, der in der Projektenwicklung steckt auch letztendlich zu produzieren.“ Deshalb wäre es wünschenswert, bereits in der Projektentwicklung die Möglichkeit zu haben, zumindest kleine Deckungsbeiträge zu erwirtschaften. Wenn man mehr Fördergeld für die Entwicklung hätte, so hätte man mehr Zeit und Ressourcen für eine ausführlichere Projektentwicklung. „Wenn man weniger Druck hat, die hohen Eigeninvestitionen zurückzuverdienen, hat man grundsätzlich die Möglichkeit, reifere Projekte zur Herstellungsförderung einzureichen“, erklärt Pochlatko. Denn: „Drehbücher brauchen oft lange.“ Als Beispiel nennt er eines, an dem sie seit knapp sechs Jahre arbeiteten und nun inhaltlich zufrieden seien, um es umzusetzen. Erfolgsrezepte gebe es keine. Krimis würden stark nachgefragt werden, aber man könne nicht immer nach einem „Schema F“ vorgehen: „Man muss sich da schon immer behutsam einem gewissen Innovationsprozess stellen, denn nur auf der Stelle treten wäre nicht zielführend.“ Bei einem Krimi müsse man dem Format treu bleiben, damit Zuseher*innen erkennt, worum es sich handelt. „Da muss man schon gewisse inhaltliche Rahmenbedingungen erfüllen, um dem Sendeplatz und dem Format gerecht zu werden.“
Koproduktion und Streaming als Lösung am internationalen Markt
Im Laufe des Gesprächs sind wir auch auf Koproduktionen eingegangen, beispielsweise den Film „Narziss und Goldmund“. „Der Film ist eine deutsch-österreichische Koproduktion, die federführend aus Deutschland betrieben wurde und dann hat sich eine österreichische Produktionsfirma als Partner involviert.“ In Deutschland werde momentan viel produziert, sodass deutsche Anbieter nach Österreich blicken, um auf dem österreichischen Markt nach talentierten und etablierten Partnern zu suchen. Momentan seien österreichische Filmemacher*innen im Streaming, Pay TV-Diensten und im klassischen Fernsehen „hoch im Kurs“, erklärt Pochlatko. Um die österreichischen Beteiligten in einer Koproduktion hervorzuheben, hat der Filmproduzent folgenden Vorschlag: „Es würde möglicherweise schon helfen, wenn ein Film der zum größeren Teil aus Deutschland herausproduziert wird, man dann bei den Werbeankündigungen für den österreichischen Markt dazu sagt: vom österreichischen Filmemacher X.“ Sowohl im linearen Fernsehen als auch auf Streaming-Plattformen finde diese Nennung praktisch nicht statt. „Es gibt zum Beispiel jetzt die ‚Netflix‘-Serie ‚Barbaren‘, bei der die Österreicherin Barbara Eder in den ersten vier Folgen Regie führte“ Die Serie sei eine der erfolgreichsten nicht-englischsprachigen ‚Netflix‘-Serien weltweit. „Doch es ist nicht Teil des Marketingkonzepts. In der Branche weiß man es, im breiten Publikum nicht.“ Die aktuell rege Produktionstätigkeit weltweit habe aber auch erschwerende Aspekte für die Produzent*innen in Österreich. „Es ist so, dass wir für unsere heimischen Produktionen österreichische Regisseur*innen oft nicht bekommen, weil sie schon bei deutschen Produktionen sind. Da muss man sehr frühzeitig, fast ein Jahr im Vorhinein reservieren.“ Global ausgerichtet sei das Filmgeschäft jedoch sehr spannend: „Es ist international gesehen interessant, dass jetzt durch die international agierenden Streaming-Angebote die Möglichkeit besteht, dass regionale Filme nun auch auf der ganzen Welt gesehen werden. Es gibt eine klare Aufgabenstellung von ‚Netflix‘, beispielsweise, dass österreichische Filme und Serien produziert werden, die auf der ganzen Welt verstanden werden können.“
Von Raphaela Hotarek
Infobox:
FISA Förderungsbeträge:
Nationale Förderungen: max. 20 %
Österreich-ausländische Koproduktionen: max. 25 %
Internationale Produktionen: max. 30 %