Terrorismus und Medien – Parasit und Wirt

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Im Gespräch mit SUMO: Mischa Kronenfels, Nachrichten-Chefredakteur des Privatradiosenders „KRONEHIT“, über die Abhängigkeiten von Medien und Terrororganisationen. „KRONEHIT“ ist das einzige österreichische Privatradio und ist mit einer Tagesreichweite von rund 12% das erfolgreichste Österreichs.

Bastian Berbner, tätig als Journalist der Wochenzeitung „die Zeit“, äußerte sich am 13. November 2017 im Inforadio des „Hessischen Rundfunks“ zum Thema Medien und Terrorismus. Einer der von ihm vertretenen Punkte: „dass weniger Berichterstattung tatsächlich Terrorismus verhindert“. In dieser Aussage mag mehr Wahres liegen als manch einer annehmen möchte, denn eine aktuelle Studie der University of Western Australia in Perth belegt, dass intensive Berichterstattung den Terrorismus begünstigt. Die Darmstädter Akademie Bergstraße für Ressourcen-, Demokratie- und Friedensforschung hat in dem 2016 erschienenen Buch „Anleitung gegen den Krieg“ empfohlen, die Berichterstattung über Terroranschläge drastisch einzuschränken, um dem Terrorismus den Boden zu entziehen.

Wäre es demnach der richtige Weg, die Berichterstattung über Terrorattentate auf das Mindeste zu reduzieren? Dienen die Medien als Wirt für den parasitären Angstgedanken, der hinter dem Terror steckt?

Das Abhängigkeitsverhältnis in dem Medienunternehmen und Terrororganisation stehen ist genauso simpel wie effizient. Ohne die mediale Berichterstattung erzielen terroristische Aktionen nicht den gewollten Effekt: die Angst vor dem Terror selbst. Gleichzeit sind Medienunternehmen gewillt wie auch gezwungen, über Terroranschläge zu berichten, zum einen im Sinne einer aufgeklärten Berichterstattung, zum anderen um die Zahl der RezipientInnen und damit verbundenen Verkaufszahlen zu steigern.

Auf die Frage, ob eine eingeschränkte Berichterstattung die Wirksamkeit des Terrors hemmt, antwortet Mischa Kronenfels, er sei der Überzeugung, dass terroristisches Gedankengut auch ohne Medien bestehen bleibt. Die Berichterstattung über Anschläge wirke zwar verstärkend, dennoch sei es wichtig eine möglichst ausgeglichene und objektive Berichterstattung zu gewährleisten. Dass Einzelpersonen dadurch zu Nachahmungstätern werden und sich bekräftigt fühlen, gehört somit zu den Kollateralschäden der Medienarbeit in diesem Bereich.

Kronenfels streicht hervor, dass es in der Verantwortung der Medien liegt, so zu berichten, dass Tatsachen dargelegt, jedoch nicht mit grausamen Bild- und Videomaterial untermauert werden. Ähnlich wie bei Suizidfällen sollten keine genauen Details veröffentlicht werden, sondern Medienorganisation sollten eine Filter- und Orientierungsfunktion einnehmen. So werden RezipientInnen an Themen herangeführt und informiert, sind aber immer noch in der Lage diese Information selbst einzuordnen.

Gerade Medien wie „KRONEHIT, welche in erster Linie als Infotainment-Sender fungieren, ein sehr junges Zielpublikum bedienen und nur sehr kurze und bündige Nachrichten senden, befinden sich in einer heiklen Lage. In einer zweiminütigen Nachrichtensendung können Hintergründe nicht erklärt und näher beschrieben werden, wie es bei Journalsendungen der öffentlich-rechtlichen Medien getan wird. Sender wie „KRONEHIT“ reduzieren sich auf den Bericht selbst, der als eine Art Statusmeldung übermittelt wird, unterstützt von ExpertInnen oder Personen die sich vor Ort befinden. Es wird also versucht, ein Bild dessen abzubilden, was vor Ort geschieht.

Eine große Problematik ist auch die schier große Anzahl an Terroranschlägen. Fast kein Tag vergeht, ohne dass es irgendwo auf der Welt zu Attentaten kommt, dennoch wird nicht darüber berichtet. Mittlerweile finden nur jene Berichte Platz in den Nachrichten, die durch ihre geografische Nähe, besondere Grausamkeit oder Andersartigkeit herausstechen. Womit sich der Kreis schließt und wieder die Frage aufwirft, wie denn eine passende Berichterstattung in solchen Fällen auszusehen hat. Sowohl Medienschaffende als auch RezipientInnen zeigen eine Ermüdungserscheinung und Abstumpfung, wenn es um Terror geht. Diese Abgestumpftheit der Öffentlichkeit und der Medien im Zusammenhang mit Terror sieht Mischa Kronenfels aus ethischer Sicht furchtbar, aber auch als natürlichen, positiv zu wertenden Schutz und Abwehrmechanismus, ohne die ein alltägliches Leben nicht mehr möglich wäre.

Eine Berichterstattung von Terror im Stil von Clickbaiting und Live-Ticker-Erlebnissen beobachtet Mischa Kronenfels als verwerflich und extrem problematisch. Eine Monetarisierung auf dem Rücken der Leidtragenden und Opfern bei gleichzeitiger Unterstützung und Förderung von Angst ist auch für Unterhaltungssender wie „KRONEHIT“ ein absolutes No-Go.

Abschließend erzählt er im Gespräch mit SUMO von den neu entstandenen Möglichkeiten und Gefahren, welche die Veränderung der Medienlandschaft mit sich bringt. Jede/r kann mithilfe von Smartphone und Internet zum Medienschaffenden werden. Zum einen bedeutet das eine Vielzahl an Bildern und Eindrücken aus Teilen der Welt, die vor wenigen Jahren noch unmöglich gewesen wären. Zum anderen bedeutet es, das Zepter als Medienschaffender aus der Hand zu geben. Eingehende Informationen, Fotos und Videos können schwer überprüft und auf ihre Zuverlässigkeit gecheckt werden, was die Arbeit von Medienschaffenden drastisch verkompliziert und erschwert.

Abschließend bleibt zu sagen, dass mit wachsendem Fortschritt in der Technologie, einer globalen Vernetzung und der bestehenden Informationsflut, noch mehr Fingerspitzengefühl von Medienunternehmen gefordert wird. Eine ausgewogene, objektive und hochwertige Berichterstattung wird somit immer schwieriger und gleichzeitig immer notwendiger.

 

 

Julian Illsinger