Tiefenrecherche gegen Junk-Food-Journalismus: Das Monatsmagazin „DATUM“

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SUMO sprach mit Stefan Apfl, dem Chefredakteur des Monatsmagazins „DATUM“, und Univ.-Prof. Dr. Rudolf Renger, Leiter der Journalistik-Abteilung an der Universität Salzburg, über Qualität im Journalismus, dessen Finanzierung und die Rolle von „DATUM“.

Im Juni 2019 hat das Monatsmagazin „DATUM“ seinen 15. Geburtstag gefeiert. Seit seiner Gründung war es stets das Ziel, unabhängigen, sauberen Journalismus zu betreiben. Kurz: Qualität steht an oberster Stelle. Gegründet wurde das Magazin von Klaus Stimeder und Johannes Weyringer, die ein Pendant zum amerikanischen „New Yorker“ schaffen wollten, wie Renger sagt. In den 15 Jahren seit der Gründung gab es Erfolge und ein Beinahe-Aus. Im Frühling 2016 übernahm Stefan Apfl, der erst 2015 Chefredakteur geworden war, das Magazin von der Medienbeteiligungsholding Medecco, da diese damit nichts mehr anfangen konnte, so Apfl, der es vor dem Aus bewahren wollte. Apfl konstatiert heute, dass es richtig war, sowohl das finanzielle Risiko einzugehen, als auch sämtliche Energie und Zeit zu investieren. „‚DATUM‘ solle Teil des vielstimmigen Konzertes des recherchierenden Journalismus im deutschsprachigen Raum bleiben“. Zum Zwecke ökonomischer Stabilität wurde ebenfalls 2016 der Satzbau-Verlag gegründet, in welchem das Monatsmagazin erscheint. Neben Apfl, der zu 22.5% am Satzbauverlag beteiligt ist, gehören 25% Sebastian Loudon und 52,5% der Firma AZH Beteiligungs GmbH. Am 4. Mai 2018 wurde bekannt, dass der „ZEIT Verlag“ und „DATUM“ eine Verlagspartnerschaft starten, die sich besonders auf gemeinsame Veranstaltungen und Vertriebskooperationen fokussiert. Die Schnittstelle dabei bildet Sebastian Loudon, der neben seiner Tätigkeit als Österreich-Repräsentant des „ZEIT Verlags“ seit Mai auch die Rolle des „DATUM“-Herausgebers übernommen hat. „DATUM“ erscheint zehn Mal jährlich, wobei es zwei Doppelausgaben gibt, nämlich für die Sommermonate Juli und August und die Wintermonate Dezember und Jänner. Neben der Printausgabe, die das Herzstück bildet, gibt es auch Online-Beiträge zu lesen bzw. Podcasts zu hören. Das Magazin ist multithematisch aufgestellt und so findet man neben Reportagen und Analysen zur Innenpolitik auch Bilderstrecken und Reportagen zur Außenpolitik. Im Interview mit SUMO sagt Chefredakteur Apfl: „‚DATUM‘ ist ein General Interest Magazin. Wir interessieren uns für Themen jenseits dessen, was man Tagesaktualität nennt. Eine ‚DATUM‘-Geschichte muss entweder etwas Unerzähltes erzählen oder etwas oft Erzähltes anders erzählen.“ 

Qualitätsjournalismus und dessen Finanzierung 

Woran sich Qualitätsjournalismus messen lässt, erklärt Univ.-Prof. Renger folgendermaßen: „Wenn ein Produkt die Erwartungen der KonsumentInnen erfüllt und mit qualitativer Ware hergestellt wurde, dann liegt Qualität vor. Dabei müssen Dimensionen wie: die Nachricht muss Relevanz haben, die Nachricht muss Nachrichtenfaktoren in sich einschließen, die Nachricht muss eine gewisse Nähe haben oder auch die Nachricht muss vielfältig sein, erfüllt werden.“ „DATUM“ zeigt mit seinen tiefgründig recherchierten Texten, dass es möglich ist, diese Anforderungen zu erfüllen, allerdings hat diese Qualität ihren Preis. Nicht zuletzt ist das der Grund, warum sich online in etwa zwei Drittel der Artikel hinter einer Paywall (meist zwischen ein-drei Euro) befinden. Die Finanzierung von Qualitätsjournalismus ist sowohl anders als auch schwieriger geworden, so Apfl. (Qualitäts-)Journalismus habe historisch gesehen zwei Einnahmequellen: die KäuferInnen und zum anderen Inserate. Dadurch, dass die Digitalisierung RezipientInnen dahingehend sozialisiert habe, dass online alles gratis zur Verfügung gestellt werde, habe die Bereitschaft für Qualität zu zahlen stark abgenommen. Ebenso hat die Inseraten-Schaltung in Printmedien an Wert verloren, da online veröffentlichte Werbung für den Werbetreibenden besser nachvollziehbar (Stichwort: Tracking) und individuell anpassbarer ist. Wie kann dem also entgegengewirkt werden? Diversifikation ist in diesem Zusammenhang essentiell. Obwohl der Hauptfokus auf der Print-Ausgabe liege, sei „DATUM“ breit aufgestellt. Apfl sieht Print als eine Art Vinyl, das es immer geben werde, und die Redaktion von „DATUM“ bestehe aus „Paperholics“, die es fasziniere, welche Möglichkeiten das Trägermedium Papier hat. Neben den Online-Beiträgen und dem Podcast „DATUM-Kosmos“ über die Hintergründe und Entstehung der jeweiligen Ausgabe, gibt es ein Talente-Programm, dass die Ausbildung junger JournalistInnen zum Ziel hat. Hierbei engagieren sich Unternehmen in Form von Bildungssponsoring. Im Sommer 2019 wurde ein Buch veröffentlicht und immer wieder finden Diskussionsveranstaltungen statt. Außerdem ist sich „DATUM“ seines Wertes bewusst. Laut Stefan Apfl sei Informationsqualität in einer liberalen Gesellschaft ein zentrales Gut, für das es ein Bedürfnis gebe. Er vergleicht Journalismus-Qualität mit Lebensmittelqualität: Es gebe viel Junk-Food-Journalismus, aber eben auch qualitativ hochwertigen. Ziel sei es, diesen Qualitätsjournalismus anzubieten; das Angebot wahrnehmen müssen die Menschen jedoch selbst. Man wolle und müsse die LeserInnen davon überzeugen, dass es Sinn mache, für guten Journalismus zu zahlen.   

Obwohl die Finanzierung nicht einfach sei, meint Renger, dass man sich momentan keine allzu großen Sorgen um den Qualitätsjournalismus machen müsse. Zum einen habe dieser seit geraumer Zeit einen stabilen Marktanteil, der zwar nicht übergroß sei, sich aber dennoch etabliert habe. Zum anderen habe die momentane politische Lage dazu beigetragen, dass verstärkt auf das Wohlergehen von Qualitätsjournalismus geachtet werde. Renger zitiert Paul Lendvai, der behauptet, dass die Tatsache, dass momentan in der Weltpolitik einige „Politclowns“ und gewählte Diktatoren am Ruder seien, einen positiven Effekt hätte: Qualitätsjournalismus wurde wieder ins Zentrum der Perspektiven gebracht. Renger: „Man stellt sich schützend vor diesen wertvollen Gut-Journalismus, dies ist überlebensnotwendig in einer Demokratie.“ Die Bedeutung von Qualitätsjournalismus ist groß, da sind sich Renger und Apfl einig. Der Zugang beziehungsweise das Verständnis jedoch ist nicht für alle möglich. Journalismus-Professor Renger stellt fest, dass es viele Menschen in Österreich gebe, die mit hochwertigem Journalismus nichts anfangen, da sie diesen nicht verstehen könnten. Das, ebenso wie die Aussage von Apfl, dass Qualitätsjournalismus und das Papier als Trägermedium eine Art Vinyl seien, deutet darauf hin, dass Qualitätsjournalismus Spartenjournalismus bleiben werde. Spartenjournalismus von großer Bedeutung, aber nicht gemacht für jedermann. Besonders schätzt Renger an „DATUM“, dass es die Durststrecken immer überwunden habe und dass gute JournalistInnen in einer guten Redaktion guten Journalismus machen. 

Für die Zukunft von „DATUM“ hat Apfl folgende Pläne: Es sollen weiterhin die Ressourcen in den Qualitätsjournalismus und die damit einhergehende Ausbildung von QualitätsjournalistInnen investiert werden. Außerdem die Diversifikation: Im Frühsommer 2020 komme – als nächste große Zündstufe von „DATUM“ – ein großes neues Projekt auf den Markt. Für die Zukunft des österreichischen Journalismus wünscht sich Apfl bessere JournalistInnen, als sich das Land verdient habe und interessierte LeserInnen.  

Von Annabelle Schleser