Wie definiert man die lebenswerteste Stadt der Welt?

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Wien befindet sich seit Jahren bei Lebensqualität-Rankings auf einer Spitzenplatzierung. SUMO ging der Sache auf den Grund und sprach mit Vera Reuland, Marketing Managerin bei der Mercer Deutschland GmbH, und mit Nikolaus Summer, Senior Expert in der Smart City Agency, über die Datenerhebung sowie die Bedeutung solcher Städterankings. 

Wien ist die lebenswerteste Stadt der Welt – das sagt zumindest das populäre Quality of Living-Ranking von Mercer. Das Beratungsunternehmen analysiert jährlich die Lebensqualität in Städten anhand von 39 Kriterien. Vorrangig wird die Studie für internationale Unternehmen erhoben, ganz speziell für Expatriates – das sind MitarbeiterInnen, die von Unternehmen ins Ausland entsandt werden. Die Erhebung befasst sich etwa mit politischen, sozialen, wirtschaftlichen und umweltorientierten Aspekten, aber auch mit Gesundheit, Bildungsangeboten und der Verfügbarkeit von Konsumgütern. Detaillierte Berichte können käuflich erworben werden. Da aber auch ein großes Interesse seitens der Öffentlichkeit besteht, veröffentlicht Mercer eine vereinfachte Version des Rankings. „Städte sind natürlich auch sehr interessiert an dem Ranking, um sich besser einordnen zu können“, so Vera Reuland von der Mercer Deutschland GmbH.

Wie kommt Mercer zu den Daten?

Reuland erläutert: „Zu 99% werden viele verschiedene, neutrale Quellen und Statistiken herangezogen, die so objektiv wie möglich sein sollten. Der restliche Teil wird von einem Agenten pro Stadt vor Ort bewertet.“ Man halte letzteren Prozentsatz absichtlich gering, da die Umfrage sonst zu subjektiv werde. Weitere konkrete Quellen will Mercer jedoch nicht offenlegen, um ihr „Intellectual Capital“ zu schützen.

Ergebnisse aus dem Quality of Living-Ranking

Wien wurde 2019 zum zehnten Mal in Folge als lebenswerteste Stadt ausgezeichnet. Warum? Die Bundeshauptstadt punktet neben einem stabilen politischen und sozialen Umfeld vor allem durch die sehr gute Gesundheitsversorgung, das abwechslungsreiche Kultur- und Freizeitangebot und die hohe Anzahl an internationalen Schulen. Der Wohnungsmarkt und der Zugang zu Konsumgütern für Expatriates werden ebenfalls mit der Bestnote bewertet.

Zürich liegt im Mercer-Ranking knapp dahinter. München, Auckland und Vancouver belegen gemeinsam den 3. Platz. Schlusslicht ist – wie in den Jahren zuvor – Baghdad.

>Mercer Quality of Living Ranking 2019<

Platz

Stadt

Land

1

Wien

Österreich

2

Zürich

Schweiz

3

Vancouver

Kanada

3

München

Deutschland

3

Auckland

Neuseeland

6

Düsseldorf

Deutschland

7

Frankfurt

Deutschland

8

Kopenhagen

Dänemark

9

Genf

Schweiz

10

Basel

Schweiz

Das hervorragende Ergebnis im Mercer-Ranking sei für die Stadt Wien sehr erfreulich und fließe auch in die Aktivitäten des Stadtmarketings ein, trotzdem versuche man einen sachlichen Blick darauf zu haben und zu bewahren, betont Nikolaus Summer von der Smart City Agency – Urban Innovation Vienna. „Jedes Ranking baut auf einem Set an Indikatoren auf, die mit unterschiedlichsten Methoden gemessen werden. Aus eigener Erfahrung wissen wir, dass dieser Prozess nicht zu 100% neutral sein kann.“ Man müsse sich bewusst sein, dass diese Rankings zwar zahlreiche Anhaltspunkte liefern, aber eine Stadt nicht vollständig beschreiben können. „Aufgrund der Einzigartigkeit von Städten ist die Vergleichbarkeit daher immer mit etwas Vorsicht zu genießen.“ Man merke aber, dass nicht nur Mercer, sondern auch andere Rankings wie das „Global Liveability Ranking“ von „Economist“ oder der „Smart City Strategy Index“ von Roland Berger wesentlich dazu beigetragen haben, dass in den letzten Jahren das Interesse – besonders seitens Fachpublika – an der Stadt Wien bzw. der Smart City Wien enorm zugenommen hat. 

>Übersicht Wien in unterschiedlichen Städterankings mit Schwerpunkt Lebensqualität<

Platz

Städteranking

1. Rang von 231

Quality of Living Survey 2019 (Mercer)

1. Rang von 140

Global Liveability Ranking 2018 (Economist Intelligence Unit)

1. Rang von 153

Smart City Strategy Index 2019 (Roland Berger)

5. Rang von 25

Liveable Cities Index 2019 (Monocle)

 Die Smart City Wien

Ungeachtet der aktuellen Städteergebnisse bringt die Smart City-Rahmenstrategie Wiens ihr Hauptziel zum Ausdruck: Man wolle die sehr hohe Lebensqualität in der Stadt Wien bei gleichzeitig größtmöglicher Ressourceneffizienz erhalten. Das solle mit sozialen und technologischen Innovationen gelingen. Die „Smart City Wien“ ist ein sehr komplexer Prozess, weil es alle städtischen Lebensbereiche betrifft (Gesundheit, Soziales, Mobilität, Energie, digitale Transformation, Infrastruktur, Wohnen etc.). „Im besten Fall transformiert sich die ganze Stadt in eine Smart City“, sagt Summer. Um diesen Prozess steuern sowie den Fortschritt messen zu können, müsse man für ein seriöses Monitoring Daten und Beobachtungen aus mehr als 50 Teilbereichen regelmäßig erheben. Innerhalb der Fachbereiche bzw. Arbeitspakete gibt es naturgemäß verschiedene Prioritäten. Die Ziele seien obendrein oft stark voneinander abhängig. Dabei können auch Zielkonflikte auftreten. „Eine Smart City muss sich dann Konzepte überlegen, wie man beispielsweise leistbares Wohnen mit hohen Baustandards bei gleichzeitig hohem Grünflächen-Anteil in einer kompakten Stadt der kurzen Wege unter einen Hut bekommt“.

Wien steht vor spannenden Herausforderungen

Weltweit zieht es immer mehr Menschen in Städte, die Bevölkerung in Österreichs Bundeshauptstadt wächst stetig. Es wird prognostiziert, dass der Großraum Wien in den nächsten 25 Jahren die 3-Millionen-Hürde knacken wird. Die Herausforderungen, denen sich Wien stellen muss, hänge immer vom Blickwinkel ab, erklärt Summer. „Zieht man den ökologischen Fußabdruck heran, so sind der motorisierte Autoverkehr, aber auch die Renovierung des älteren Gebäudebestands die klarsten Herausforderungen. Aus volkswirtschaftlicher Sichtweise muss man Wachstum von Ressourcenverbrauch und Müllproduktion entkoppeln. Dazu kommt die Finanzierung großer Upgrades wie etwa beim Bau neuer U-Bahnen. Betrachtet man die soziale Perspektive, so wären z. B. der Zugang zu leistbaren Wohnungen und Dienstleistungen von allgemeinem Interesse zu nennen. Und aus Sicht der Smart City Agentur geht es oftmals um den Call-to-Action. Denn BürgerInnen müssen nicht nur ihr Konsumverhalten umstellen. Um die Gewohnheiten, die wir alle im Alltag eingelernt haben, zu ändern, bräuchte es effektive Kommunikation. Kulturelle Veränderungen dauern und sind meist von heute auf morgen nicht machbar.“ Wichtig sei, das notwendige Wissen in einer Smart City aufzubauen, um zwischen Must-haves und Nice-to-haves differenzieren zu können. Auch müssten die langfristigen Konsequenzen technologischer Innovationen noch besser verstanden werden, damit politische Gemeinschaften die richtigen Entscheidungen treffen können.

von Melanie Gruber