Wieso es in der kalifornischen Wüste schon lange nicht mehr um Musik geht und was das Event für Marketingzwecke so attraktiv macht.
Von Valeria Brunner
Ein kurzer Blick in die Geschichtsbücher
Begeben wir uns auf eine kleine Zeitreise in das Jahr 1999, als das Festival als “Coachella Valley Music and Arts Festival” von den Partnern Paul Tollett und Rick Van Santen ins Leben gerufen wurde. Ursprungsidee war es, dass sich die Veranstaltung an europäischen Festivals orientieren und klar auf die Kunst, nicht auf Populärmusik, fokussieren soll. Nun mag Coachella mittlerweile zwar zum Haushaltsnamen geworden sein, doch der Weg dorthin war steinig. Die erste Ausgabe der Veranstaltung fand an einem Wochenende, dem 9. und 10. Oktober 1999, im Empire Polo Club in Kalifornien statt. Der Ansturm hielt sich, vielleicht auch auf Grund des schrecklichen Ausgangs des wenige Monate vorher stattfindenden Woodstock Festivals, in Grenzen. Dort kam es zu Krawallen, Bränden, Plünderung, Vergewaltigungen und sogar drei Todesfällen. Im Jahr 2000 wurde die Veranstaltung abgesagt und erst 2001 wieder organisiert. Seitdem hat sie dank der prominenten Teilnehmer und des digitalen Wandels an Popularität gewonnen und wird an zwei aufeinander folgenden Wochenenden im April abgehalten.
Was das Festival für Marketingzwecke so attraktiv macht
Da das Coachella jedes Jahr, die geographische Lage erlaubt es, im April stattfindet, ist es eines der ersten großen jährlichen Festivals auf der Nordhalbkugel. Damit bietet es Marken für Konsumgüter und Dienstleistungen nach der Erholung vom Weihnachtsgeschäft eine einzigartige Gelegenheit Produkte und Images für die kommende Sommersaison zu bewerben. Doch wer meint, dass jede Marke einfach so entscheiden könnte, das Coachella Festival für Marketingzwecke zu nutzen, liegt falsch. Der Festivalveranstalter Goldenvoice scheut sich zwar keinesfalls davor, Unternehmen einzuladen, um auf dem Festival zu werben. Dafür werden aber sehr hohe Gebühren verlangt, die dabei helfen, das Spektakel zu finanzieren. Aufgrund der hohen Kosten für eine Partnerschaft mit Goldenvoice ist das Influencer-Marketing auf dem Coachella ausschließlich großen internationalen Marken oder Unternehmen vorbehalten, die über ausreichende Marketingbudgets verfügen.
Die Sache mit der Digitalisierung…
Der wohl entscheidende Punkt, der das Coachella von einem Musik- und Kunstfestival zur Superbowl des Influencer Marketings gemacht hat, ist die Digitalisierung. Denn wie wir Veranstaltungen heutzutage erleben, unterscheidet sich deutlich von den Gegebenheiten von vor 20 Jahren. Doch nicht nur das “wie”, sondern auch das “wie viele” ist hier wesentlich. Social Media ermöglicht es uns nämlich, an Events zu partizipieren, ohne überhaupt vor Ort zu sein.
Nun sind Tickets für das Coachella nicht unbedingt günstig: sie schlagen mit Preisen von mindestens 500 US-Dollar zu Buche und sind dennoch heißbegehrt. Da sie jedes Jahr wieder in nur wenigen Minuten ausverkauft und teuer sind, haben sich vermutlich viele Interessierte schon längst damit abgefunden, dass eine persönliche Teilnahme am Festival wohl nur ein Traum bleiben wird. Dazu kommt die Post-Corona-Gewöhnung, nicht aktiv an Veranstaltungen teilzunehmen, sondern nur über den Bildschirm zu partizipieren. Der menschliche Urinstinkt nach dem “dazu gehören” bleibt aber natürlich trotzdem – es bietet sich also an, rund um am Coachella von Influencern beworbene Artikel, einen Narrativ der Dazugehörigkeit zu schaffen.
Und wie funktioniert das besser als mit Influencer-Marketing. Die digitalen Berühmtheiten würden sich einerseits am Festival tummeln, stellen dort andererseits zeitgleich die perfekte Werbefläche dar. Denn ihre Followerschaft ist die Zielgruppe der Marken und Unternehmen, die sich am Event als hip und modern inszenieren wollen. Es trifft also in der kalifornischen Wüste der Wunsch des Dazugehörens auf die perfekte Inszenierung eines „It-Lifestyles“. Genau daraus resultiert für Unternehmen die Aussicht nach Umsätzen, deren Höhen alle finanziellen Aufwände rund um das Planen und Durchführung der Marketingkampagne in den Schatten stellen.
Revolve: keiner macht es so (gut) wie sie
Das Schaffen genau dieses Narratives durch die Vermarktung von Produkten am Coachella beherrscht keine andere Marke so wie Revolve. Seit 2015 veranstaltet der Modeanbieter das sogenannte “Revolve Fest”, ein Festival am Festival zu dem nur Influencer*innen und sonstige prominente Gäste geladen werden. Über die Jahre hinweg hat Revolve das beliebteste und exklusivste Influencer-Event am Coachella geschaffen und sich auch selbst in eine wirtschaftlich optimale Lage gebracht. Während andere Marken die höchsten Umsätze gegen Ende des Jahres, also am Black-Friday Wochenende und in der Weihnachtszeit verzeichnen, steigen die Einnahmen bei Revolve rund um das Festivalwochende herum. Zu dieser Zeit Festival-Aficionados Postings über die Marke und dem “Revolvefest” auf Social Media kaum entgehen. Traackr, eine Plattform für Influencer-Marketing, analysierte die Daten des ersten Coachella-Wochenendes 2022: das Revolve Festival war trotz einiger Ereignisse, die sich als Fehlschlag entpuppten, ein Erfolg. Das Festival wurde in mehr als 5.000 Beiträgen von über 700 Influencer*innen erwähnt. Diese Zahlen bedeuten eine enorme Reichweite. Mehr als 25 Millionen Interaktionen, einschließlich Likes, Kommentaren und Shares wurden gezählt. Auf Instagram gab es Ende April gut 5.000 Beiträge mit 13 Millionen Interaktionen. Auf TikTok gab es 520 Beiträge, die über 90 Millionen Videoaufrufe verzeichneten.
Was die Influencer*innen dabei einstecken
Von der Autorin wurden mehrere deutschsprachige Influencer*innen, die selbst schon am Coachella für diverse Brands Werbung gemacht haben, nach ihren Einblicken und Erfahrungen mit dem Coachella gefragt, jedoch war leider keine von ihnen zu einem Interview bereit. Bezüglich ihrer Bezahlung halten sich Influencer*innen persönlich generell eher bedeckt, auch wenn man aus diversen Publikationen realistisch scheinende Benchmarks entnehmen kann. Folgt man den Zahlen der New York Post, so dürften für Personen mit einer Followerschaft im sechsstelligen Bereich am Coachella bis zu 10.000 US-Dollar pro Posting herausspringen.
Es lässt sich in puncto Influencer-Marketing am Coachella also vor allem feststellen: Geld steht im und rund um den Empire Polo Club scheinbar zur Genüge zur Verfügung. Denn teuer ist dort von der Eintrittskarte bis zum gesponsorten Instagram Posting alles.
Über die Autorin
Valeria Brunner studiert im 6. Semester Medienmanagement an der Fachhochschule St. Pölten. Ihre Interessen liegen in den Bereichen Digitalisierung und Social Media. Erste journalistische Erfahrungen konnte die Autorin bereits in ihrer Schulzeit beim Osttiroler Regionalmedium “dolomitenstadt” sammeln.