Die professionelle Fotografie steht unter Druck. Technologische Neuheiten, die Allgegenwärtigkeit der Smartphones und die dazugehörigen Fotofilter ermöglichen es auf simple Weise professionell aussehende Fotos zu schießen.
Doch wie rechtfertigt die Berufsfotografie ihr Dasein und wie kann man mit den heutigen Herausforderungen umgehen? SUMO sprach mit Univ.-Prof.in Maria Ziegelböck, Leiterin der Abteilung „Angewandte Fotografie und zeitbasierte Medien“ an der Universität für angewandte Kunst Wien, und mit Anna Obermeier, selbstständige Meisterfotografin aus Wien, über Chancen, Gefahren und mögliche Todesstöße.
Das Fenster zur Welt
November in Wien. Einer der ersten Sonnentage seit langem. Der Park ist gut besucht, vor allem Pärchen flanieren gemächlich die Wege entlang. Immer wieder bleiben sie stehen, einer zückt das Smartphone, der oder die Andere wirft sich in Pose. Das Licht ist gut, das Outfit durchdacht und das Lächeln geübt. Mit Blick auf den Bildschirm nimmt der oder die Andere verschiedene Winkel ein, einmal seitlich, einmal von unten, einmal Nahaufnahme. Die Models scheinen zufrieden, doch nur bis zum nächsten Objekt, das etwas herzugeben verspricht. Szenen wie diese erinnern an die klassischen Fotoshootings, für die früher viel Aufwand betrieben wurde. Doch statt FotografInnen sind es PartnerInnen – und statt Kameras sind es Smartphones.
Der Wunsch nach dem eigenen Abbild ist seit Menschengedenken vorhanden. Bereits vor dem Aufkommen der Fotografie war es der Job von MalerInnen Personen zu verewigen. Doch erst dank der Fotografie war es zum ersten Mal möglich, Menschen so abzubilden, wie sie tatsächlich aussahen. Diese Entwicklung hat die Welt nachhaltig verändert. 1888 kam die Kodak Nr. 1 auf den Markt, sie galt als handlich, bedienerfreundlich und leistbar. Bis heute wird diesem Modell nachgesagt, sie habe den Beginn der Amateurfotografie eingeleitet. Sie ermöglichte den Menschen einen Blick in weit entfernte Gegenden und Gesellschaften und ließ räumliche und zeitliche Grenzen verschwinden. Seitdem hat sich die Fotografie in viele verschiedene Richtungen entwickelt. Dank der technologischen Fortschritte der letzten Jahre ist es beinahe jedem Menschen möglich, beliebig viele Fotos zu schießen, deren Qualität einst undenkbar gewesen wäre. Auch für Univ.-Prof.in Maria Ziegelböck ist klar, dass mit der digitalen Wende das Medium Fotografie völlig demokratisiert worden sei. Fotografie sei für viele zugänglich und die technische Hürde gebe es nicht mehr, welche bis in die 1990er Jahre jedoch als eine Kernkompetenz der FotografInnen gegolten hatte. Laut Ziegelböck habe man in den 1980ern schon von einer Bilderflut geredet, doch mittlerweile sei daraus eine eigene Sprache geworden. Man könne nichts mehr ohne Bild kommunizieren, daher sei die Fotografie eine eigene Art der Kommunikation geworden, erklärt sie.
Herausforderungen an die Professionalität – oder Todesstoß?
Doch genau diese neuen Entwicklungen könnten sich als Gefahr für professionelle BerufsfotografInnen herausstellen, denn die Tatsache, dass Smartphones bereits Kameras mit beachtlicher Qualität standardmäßig eingebaut haben führt zu einer überwältigenden Anzahl an „schönen“ Bildern und lässt die Frage aufkommen, ob der Beruf des/der Fotografen/in noch zeitgemäß ist. Das Smartphone sei laut Ziegelböck nicht mehr nur eine zusätzliche Kamera, sondern ein ganzes Editing-Programm. Dadurch sei es leichter geworden, ein – zumindest an der Oberfläche – gut funktionierendes Foto herzustellen. Zusätzlich könne jedes Bild entweder dem Mainstream oder dem eigenen persönlichen Geschmack angepasst werden. Die Nachbearbeitung sei jetzt schon von großer Bedeutung und werde in Zukunft noch steigen.
Die Bearbeitung von Fotos ist keineswegs ein neues Phänomen, man könnte sagen die Fotobearbeitung ist genauso alt wie die Fotografie selbst, jedoch hat sich die Komplexität, und somit auch der Aufwand, der Bearbeitung so stark reduziert, dass mittlerweile kein Fachwissen mehr dafür nötig ist. Adobe Photoshop, der Klassiker unter den Fotobearbeitungs–Programmen, geht bei seiner letzten Version noch einen Schritt weiter. Angeboten wird ein neuer Filter namens Neuralfilter, welcher mittels künstlicher Intelligenz die Mimik einer Person verändern kann. Somit habe das resultierende Foto nicht mehr viel mit dem ursprünglichen Entstehungsprozess zu tun. Laut Ziegelböck sehe das Ganze jetzt noch sehr „Frankenstein“-mäßig aus, aber wenn sich solche Filter weiter in diese Richtung entwickeln, falle ein ganz wesentlicher Aspekt des Fotografierens weg, nämlich einen guten Moment und die Ausstrahlung einer Person festzuhalten, denn diese ließen sich dadurch auch eventuell nachkonstruieren. Sie bezeichnet diese Art von Filtern als möglichen „Todesstoß“ für PortraitfotografInnen, die im Dienstleistungssektor tätig sind.
Denn wenn die Kamera bereits den Großteil der Arbeit übernimmt, und Bilder dank Filter und leicht handzuhabenden Bearbeitungsprogrammen dann auch noch nach den eigenen Wünschen nachbearbeitet werden können – warum dann noch eine externe Person für diese Tätigkeit bezahlen?
Opfer der Technologie
Man sagt der Berufsfotografie schon lange nach, sie liege im Sterben. Profifotografin Anna Obermeier erinnert sich selbst noch an Aussagen, die sie während ihrer Fotografie-Ausbildung oft aufgeschnappt habe, dass der Beruf der Fotografin ein brotloser sei. Selbst stimme sie dieser Haltung aber nicht zu. Sie betont, dass es immer darauf ankäme, was man mache. De Berufsfotografie im Bereich Portrait, Hochzeit etc. empfinde sie als nicht in der Krise. Ihren KundInnen sei es wichtig, qualitativ hochwertige Fotos, vor allem von einmaligen Ereignissen, zu erhalten und sich darauf verlassen zu können, dass jemand am Werk ist, die/der das Beste aus den Situationen raushole.
Auch Ziegelböck betont, dass nur gewisse Bereiche der Fotografie den neuen Technologien zum Opfer fielen. Die Produktfotografie zum Beispiel sei ein Feld, bei dem die Kameras bereits jegliche Arbeit übernehmen. Der Beruf Fotograf/in sei dadurch um einiges elitärer geworden. Heute sei es wichtiger denn je, eine eigene Meinung zu kommunizieren und eine visuelle und wiedererkennbare Bildsprache zu haben. Ebenso solle man die subjektive Sicht präsentieren, nur so könne man sich noch als originär behaupten, denn fotografisch gebe es kaum noch etwas zu erfinden.
Man kann tatsächlich nicht behaupten, dass das Fotografieren heutzutage an Stellenwert verloren hat. Dank Social Media–Plattformen wie „Instagram“, deren Inhalte aus Bildern und Videos bestehen, ist ein schönes und eindrucksvolles Bild für viele UserInnen von hoher Bedeutung. Obermeier sieht diese Entwicklung durchaus als Vorteil für BerufsfotografInnen, denn die Zahl der Aufträge könne so steigen, da mehr Personen Wert auf qualitative, ansprechende Fotos legen. Von großer Bedeutung bei der Verbreitung über Social Media sei jedoch das Copyright der jeweiligen FotografInnen, für dessen Notwendigkeit es in der Gesellschaft teilweise noch an Bewusstsein fehle.
Mehr als das Werkzeug
Bei professioneller Portraitfotografie geht es darum, das Wesen der Menschen festzuhalten, einen Moment zu erwischen, der die Person zeigt, wie sie ist. Hier stehen zumeist Emotionen im Vordergrund. Nun ist es möglich Emotionen mittels Smartphones festzuhalten, für Obermeier ist jedoch klar, dass vielen Leuten bewusst sei, dass es für ein schönes Foto mehr brauche als ein gutes Smartphone. „Man darf nicht vergessen, dass es nicht nur das Werkzeug ist, das das Foto macht, sondern auch der– oder diejenige, der/die dahintersteht“. Es müsse mehr dahinterstecken als eine Person, die in die Kamera lächle, während eine andere abdrücke. Es gehe darum, Emotionen zu zeigen und sich auf zwischenmenschlicher Ebene auszutauschen. Auch in Zukunft verlasse sich Obermeier auf den zwischenmenschlichen Aspekt der Portraitfotografie – etwa beim Shooting eine gute Atmosphäre zu schaffen und es dadurch als Event zu begreifen, für das sich die KundInnen Zeit nehmen, auf das sie sich vorbereiten und freuen können. Außerdem – fügt sie hinzu – beim Shooting Momente abzulichten, die echt und natürlich und eben z.B. kein automatisiertes Lächeln sind. Das bedeute, Seiten und Aspekte des Gegenübers als „Zwischenmenschlichkeit“ zu entdecken, die nichts Eingelerntes haben, sondern den Menschen in seiner Echtheit und Persönlichkeit zeigen. Dass der Beruf eines Tages zum größten Teil von automatischen Kameras oder Robotern übernommen werde, könne Obermeier aber nicht ausschließen. Und einige Menschen würden diese Dienste auch annehmen, aber wahrscheinlich nicht die Masse. Denn es gebe genauso Leute, die gerne auf das „Traditionelle“ zurückgreifen. Es könne schon sein, dass die Nachfrage etwas abnehmen könnte, aber „ich glaube, das ist etwas, mit dem ich mich nicht in naher Zukunft beschäftigen müsste, eher vielleicht, wenn ich in Pension bin.“
von Ida Stabauer