Filmlizenzen: Ein Handel zwischen traditioneller Bedeutung und neuer Marktkomplexität 

Filmlizenzen

Bill Gates’ vielzitierte Aussage „Content is King“ erweist sich im Entwicklungsrahmen der Digitalisierung als strategisches Leitmotiv vieler Medienorganisationen. Insbesondere Filmlizenzen stellen hierfür eine wichtige Wettbewerbsfacette im audiovisuellen Mediensektor dar. Die Bedeutung des Filmlizenzhandels und Rechtemanagements diskutiert SUMO basierend auf jeweiligen Programmstrategien mit Frank Holderied, Head of Strategic Programming and Acquisition Department von „Servus TV“, Christian Zabel, Professor für Unternehmensführung und Innovationsmanagement an der TH Köln, und mit der „The Walt Disney Company“. 

Filmlizenzen seien als jenes Recht aufzufassen, das Nicht-Besitzer*innen die Erlaubnis zur Ausstrahlung bzw. Verwendung von filmischen Werken einräumt. So definiert Prof. Zabel die inhaltliche Ausprägung von Filmlizenzen und erkennt sie gleichzeitig als wesentlichen Baustein im Aufbau von Programmangeboten an: „Der Erfolg von ‚Netflix‘ wäre beispielsweise ohne Film- und Programmlizenzen, insbesondere von ‚Disney‘-Produktionen, nicht möglich gewesen.“ Dementsprechend hätten die Lizenzierungen von Filmen in Zusammenspiel mit fundiertem Rechtemanagement einen wesentlichen Beitrag zur heute gegebenen Marktmacht von „Netflix“ geleistet. In Anbetracht des anhand der „Netflix“-Historie angedeuteten Stellenwerts von Filmlizenzen versucht der nachfolgende Artikel den voranschreitenden Wandel im Filmlizenzhandel sowie Rechtemanagement zu eruieren und damit einhergehende Veränderungen in der Programmgestaltung von Bewegtbildanbietern aufzuzeigen. 

Veränderter Markt, neue Komplexität 

„Es herrschte eine Goldgräberstimmung mit riesigen Verträgen“, denkt Frank Holderied an den Filmrechtemarkt Ende der 90er Jahre zurück. „Damals war ein unheimlicher Bedarf an Content gegeben; es ging nur darum, wer den Content bekommt und nicht darum, was man eigentlich bekommt.“ In diesem Zusammenhang seien Output Deals – spezielle Lizenzverträge, die gewisse Rechte an sämtlichen Produktionen eines Studios innerhalb eines bestimmten Zeitraums sichern – vor allem mit US-Studios gängige Praxis gewesen. Unter den aktuell vorherrschenden Marktbedingungen seien solche Vereinbarungen völlig undenkbar; heute zeichne sich seine berufliche Tätigkeit vielmehr durch handselektierte Auswahl der Inhalte aus. 

Dadurch wird bereits deutlich, dass das Rechtemanagement im audiovisuellen Medienmarkt – wenngleich in abgewandelter Form – seit jeher von hoher Bedeutung ist. Zabel bestätigt diese Einschätzung aus medienökonomischer Perspektive insofern, dass Lizenzrechte für Medienunternehmen schon immer ein wesentliches Core Asset gewesen seien, weil es sich einerseits um einen markanten Ausgabenfaktor und andererseits um einen wesentlichen Differenziator im Wettbewerb handle. Ebenso sei der Konnex zwischen Rechte- respektive Programmmanagement und der daraus resultierenden Effizienz nach wie vor ausschlaggebend, wobei sich für Filmlizenzen heute eine allgemein höhere Komplexität am Markt abzeichnen lasse. Diese sei primär auf die vielen unterschiedlichen Möglichkeiten und Plattformen zurückzuführen, die nunmehr als Distributionskanäle zur Verfügung ständen. So nennt Zabel als Beispiel für diese aufgekommene Komplexität etwaige Werteinschätzungen in Bezug auf neuartige Rechtebündel. Demzufolge verweist er auch auf gestiegene Anforderungen an das Rechtemanagement selbst und artikuliert diese wie folgt: „Während der Prozess des Rechtemanagements früher ein stark handwerklich getriebener Prozess war, ist er heute vor dem Hintergrund der Digitalisierung stärker professionalisiert.“ 

Holderied beschreibt diese neue Marktkomplexität und die damit einhergehenden Veränderungen am Markt – aus Sicht seiner beruflichen Praxis im Filmlizenzhandel – in ähnlicher Art und Weise: Die „Goldgräberstimmung“ am Lizenzmarkt habe sich mit leichter Verzögerung auf den TV-Markt ausgewirkt. Dadurch sei der übermäßige Serienboom in den 90er Jahren ausgelöst worden, wobei Serien plötzlich wieder in den Hauptabend rückten. Und als dieser Trend langsam abflachte, sei parallel das anfängliche Entstehen des Streaming-Booms zu beobachten gewesen. Über diese wellenförmigen Entwicklungen am Bewegtbildmarkt hinweg, erkennt Holderied eine weitere Veränderung auf Seiten der Filmproduktion mit maßgeblichen Auswirkungen auf den Filmlizenzhandel: „Früher gab es zum einen Top-Blockbuster und zum anderen Direct-to-DVD Action-Content, Arthouse- oder Independent-Filme und Ähnliches. Zwischen diesen beiden Polen gab es einen ausgeprägten Mittelmarkt, in einer Größenordnung von rund 70%.“ Heute sei dieser Mittelmarkt fast vollständig weggebrochen, was Holderied leicht überzeichnet veranschaulicht: „Heute gibt es eigentlich nur noch den Mega-Blockbuster mit einem Budget von 200 Millionen US-Dollar oder den anspruchsvollen Independent-Film mit einem Budget von 8 Millionen US-Dollar.“ 

Was von der „Goldgräberstimmung“ blieb 

Trotz der unterschiedlichen Veränderungen im Handel mit Filmrechten – auf Basis eines digitalisierten Bewegtbildmarkts – erweist sich auf Filmfestivals und -messen eine ungebrochene Konstante des Lizenzhandels. Als Drehscheibe für Filmrechte sieht Zabel diese Veranstaltungen nach wie vor als wichtigen Ort, wo sich die Branche treffe und direkt miteinander verhandeln könne. Vor allem besonders seltene Inhalte würden mitunter eher persönlich gehandelt werden. Hierzu teilt Holderied eine sehr ähnliche Einschätzung: „Filmfestivals und Filmmessen werden immer eine Bedeutung haben, weil der Filmlizenzhandel letztendlich immer ein People’s Business ist.“ Trotz der digitalen Möglichkeiten bleibe es auch ein People’s Business; man kenne sich in der Branche untereinander, könne so Auge in Auge miteinander verhandeln und das persönliche Screening von Filmen – als emotionale Erlebnisse – würde Kaufanbahnungen sowie -entscheidungen erleichtern. Dennoch könne man aber als nationaler TV-Sender wie „Servus TV“, insbesondere aus Zeit- und Kostengründen, nicht alle kleineren Filmfestivals besuchen. Auch „The Walt Disney Company“ erachtet Film- sowie Serienfestivals und zugehörige Messen, laut schriftlicher Stellungnahme gegenüber SUMO, als „wichtige Orte des Zusammenkommens und Austauschs für die gesamte Branche“. Dabei werde die Präsenz von „Disney“ bei solchen, zum Teil historischen Events auch als Chance gesehen, um dem interessierten Publikum (Neu-)Produktionen vorstellen zu können. 

Im Zusammenhang mit globalen Rechten sei die Zugangsweise für TV-Veranstalter wie „Servus TV“ laut Holderied überwiegend gleichgeblieben: „Wenn weltweite Player einen Film kaufen, dann kaufen sie diesen für globale Rechte. Solche Inhalte sind dann einfach vom Markt weg; das ist demnach für uns nicht mehr interessant. Hierin hat sich für uns nicht viel verändert.“ Da sich früher alle TV-Veranstalter sämtliche Filmpakete absichern wollten, und dementsprechend intensive Konkurrenz unter den Nachfrager*innen von Filmlizenzen gegeben war, schätzt Holderied den aktuellen Handel von Filmrechten im Vergleich zu früher als überwiegend entspannter ein. Demgegenüber sieht Zabel im vereinfachten Zugang zu Filmrechten über digitale Plattformen mit gleichzeitig komplexer werdender Abwicklung der Geschäfte eine eher ambivalente Intensität in der Entwicklung des Filmlizenzhandels. 

Die Streaming-Revolution und ihre Auswirkungen 

Die mitunter augenscheinlichste Veränderung des Bewegtbildmarkts, mit entsprechender Auswirkung auf den Filmlizenzhandel, stellt die delineare Distribution dar. „Streaming-Anbieter haben die Komplexität im Filmlizenzhandel nochmals deutlich vorangetrieben, wodurch Online- und Digitalrechte merklich an Bedeutung gewonnen haben“, wie Zabel die Streaming-Revolution sehr eindringlich beschreibt. Seinen Expertisen zufolge bestehe nun für herkömmliche Medienorganisationen am audiovisuellen Bewegtbildmarkt ein Wettbewerb mit Streaming-Plattformen, die global skaliert seien. Wegen der gegebenen Finanzkraft jener Plattformen zeige sich dadurch auch ein treibender Einflussfaktor auf den Filmlizenzhandel, wobei dieser Effekt durch Eigenproduktionen zusehends ausgeglichen werde. 

Grundsätzlich erweise sich laut Holderied im Zuge der Streaming-Revolution ein massives Überangebot an fiktionalen Inhalten bzw. an Bewegtbild-Content generell; und „in diesem Überangebot, das wir zurzeit haben, gibt es nur noch wenige Unterscheidungsmerkmale“. In diesem Status Quo sei prinzipiell klar, dass die TV-Lizenz, speziell auf einem solch kleinen Markt wie Österreich, immer eine preisgünstige Art und Weise sei, um das Programm zu füllen; ein eigenproduzierter Film koste im Verhältnis viel mehr als ein eingekaufter. 

Dennoch ist es essenziell, auf Basis eines adäquaten Rechte- und Programmmanagements, gezielt Unterscheidungsmerkmale herauszuarbeiten, zu konstituieren und diese zu bedienen, um sich als lokaler TV-Anbieter gegenüber globalen Streaming-Diensten behaupten zu können. Holderied bestrebt in seiner Funktion als strategischer Programmplaner von „Servus TV“ drei primäre Vorgehensweisen: (1) Zum einen müsse lokaler Content forciert werden; Filme oder Produktionen mit österreichischer DNA, die Streaming-Dienste (noch) nicht anbieten. Aktuelle Programmerfolge im TV seien ein Beweis für den Boom solcher lokalen, fiktionalen Inhalte. (2) Darüber hinaus stelle Live-Content, sogenannter Not-to-miss-Content eine nachhaltige Möglichkeit zur Differenzierung dar. Deutlich werde dieser Stellenwert anhand der Sonderstellung von Sport-Inhalten mit implizitem Aktualitätsvorteil. (3) Und zum dritten sei es vor allem der kuratierte Content: „Jede/r sieht sich nach wie vor gerne einen guten Spielfilm im TV an, aber die Personen sind selektiver geworden und deshalb müssen auch wir im Einkauf selektiver werden; es geht darum, zielgruppenspezifisch einzukaufen.“ Für Holderied seien Eigenproduktionen neben Live-Sport der einzige Weg, um sich gegenüber „Netflix“ und Co. behaupten zu können. Diese Einschätzung gelte für sämtliche Content-Bereiche; eigenproduzierte Inhalte von Fiktion über Information bis hin zur Dokumentation. Hierin erkennt Zabel überdies die einfließende Tendenz, dass Exklusivrechte hinkünftig, aufgrund des übermäßigen Kostenfaktors, nicht mehr umsetzbar wären – ausgenommen Sport-Inhalte. 

„The Streaming Wars“ 

Äquivalente Konkurrenz- und Positionierungskämpfe zeigen sich ebenso auf Seiten der Streaming-Dienste mit ihrem jeweils bestrebten Rechte- und Programmmanagement. So analysiert Zabel aktuelle Programmüberlegungen von „Netflix“ folgendermaßen: „Zunehmende Teile des Programms von ‚Netflix‘ sind ein aktualisiertes Aufwärmen und Kombinieren von popkulturellen Themen, um das Risiko zu senken.“ So würden global skalierte Plattformen viel stärker internationalen Content probieren (können). Auch Holderied sieht die internationale Serie als sehr großes Asset der Streaming-Dienste, wenngleich er dabei eine Verzerrung der jeweils zugehörigen Popularität aufgrund von Imageeffekten der Plattformen wahrnimmt. 

Dass wegen der „Streaming Wars“ laufend weniger Titel zum Lizenzieren angeboten werden und daher Eigenproduktionen bei Streaming-Diensten an Bedeutung gewinnen, verdeutlicht auch eine Studie des britischen Marktforschungsunternehmens „Ampere Analysis“ aus dem Jahr 2019. Demnach wurden im Jahr 2018 erstmals mehr Eigenproduktionen (51%) als Lizenzwaren (49%) auf „Netflix“ neuveröffentlicht. Dies entspricht einer Verdopplung der eigenproduzierten Neuerscheinungen im Vergleich zum Jahr 2016. Damit stieg der Anteil an „Netflix-Originals“, in Relation zum US-Programm, im Jahr 2018 auf insgesamt 11% an. 

Auch „The Walt Disney Company“ versucht sich durch gezielte Programmgestaltung eigenständig zu positionieren, wobei auf einige der erfolgreichsten Studios und Marken mit einem umfangreichen Pool an Inhalten zurückgegriffen werden könne. Deshalb seien für Verwertungen und Lizenzierungen sowohl große Freiheit als auch Unabhängigkeit gegeben. Schon frühzeitig habe sich „Disney“ für ein vielfältiges Angebot an unterschiedlichsten Zugangsformen entschieden, wobei sich „die Gewichtung in den letzten Jahren stetig verschob, sodass das Direct-to-Consumer Geschäft heute sicherlich eine große Bedeutung hat“. Im Zuge der vorherrschenden „Streaming Wars“ fokussiert die „The Walt Disney Company“ mit dem konzerneigenen Streaming-Dienst „Disney+“ auf Qualität und bestmögliches Storytelling im Rahmen exklusiver „Originals“. Eigenproduzierte Spielfilme, Dokumentationen, Live-Action- und Animationsserien sowie Kurzfilme würden um lokale Inhalte aus Europa ergänzt werden. Gerade die Produktionen aus Europa seien essenziell, um ein lokales Publikum gewinnen zu können; vor allem bedingt durch Identifikation und Wiederfinden der Zuseher*innen in den lokal verankerten Geschichten und Figuren. 

Der Handel mit Filmlizenzen: Ein Ausblick 

Zabel verdeutlicht, dass Eigenproduktionen auch hinkünftig eine sehr große Rolle in der Differenzierung spielen würden, wobei „vieles, was Rezipient*innen als Eigenproduktionen der Streaming-Dienste wahrnehmen, ebenfalls lizensierte Ware ist“. Demzufolge sieht er nicht nur ein längerfristiges Bestehen des Machtkampfs zwischen Streaming-Anbietern untereinander, sondern antizipiert, dass sich jene „Streaming Wars“ hinkünftig noch stärker zuspitzen würden. 

Auf Seiten der TV-Veranstalter greift Holderied die Chance neuer, digitaler Verwertungsmöglichkeiten auf: „Diese dienen nicht nur einer Zweitverwertung im Sinne von Catch-up-Rechten, sondern können einem Sender zusätzliches, eigenständiges Profil verleihen.“ Dabei gelte es aber anzumerken, dass man externe Rechte für die Ausspielung auf Mediatheken nur ganz selten bekomme. Dementsprechend würden sich Mediatheken, bezogen auf auszuspielende Lizenzware, auch zukünftig als „nice-to-have“ erweisen, wobei ihnen zur Verwertung von Eigenproduktionen ein durchaus hoher Stellenwert zukomme und noch weiter zukommen werde. Zabel bewertet jene neuen Möglichkeiten hingegen differenzierter. So bestehe in digitalen Verbreitungswegen eine aktuelle Chance für Urheber*innen der Inhalte, da Marktstrukturen aufbrechen würden, aber langfristig stelle sich die Frage, ob der Markt insgesamt bzw. das Produktionsvolumen nachhaltig wachsen würde. Man gewinne im digitalen Bereich zwar neue Vermarktungsformen, aber man könne den Rückgang der besserbezahlten, analogen Vermarktungsformen dadurch nur schwer kompensieren. In diesem Kontext bedient er sich eines Zitats von Fred Wilson: „Zurzeit werden am Markt analoge Dollars gegen digitale Pennies getauscht.“ 

Holderied umschreibt die Funktionen der Programmplanung, der Programmgestaltung und des Programmeinkaufs abschließend als ein „Abhilfe Schaffen von Entscheidungen“ in einer komplexer werdenden, schnelllebigen Welt. In Ausprägung eines solchen Lean Back-Service sei es als audiovisueller Bewegtbildanbieter essenziell, ein klares Profil zu haben, um nicht austauschbar zu sein. – Daher sei im Lizenzhandel und Rechtemanagement der vergangenen 25 Jahren vor allem eine Sache gleichgeblieben: „Content is King“ 

von Paul Frühwirt 

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