Informationswahrnehmung Bild vs. Text. Auf was achtet der Mediennutzer von heute wirklich?

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Die Wahrnehmung von Informationen hat sich in den letzten Jahren durch die digitale Distribution stark verändert. Besonders in der redaktionellen Berichterstattung in Printmedien oder Online werden Bilder gezielt als Eyecatcher eingesetzt um die Aufmerksamkeit der Rezipienten zu gewinnen. Beiträge ohne visuelle Unterstützung sind mehr Ausnahme, denn Regel. Wie das Zusammenspiel von graphischen Inhalten und Text auf den Nutzer wirkt, wird hier näher beleuchtet.

Beim Einsatz von Bildern zur Vermittlung von Inhalten kommt es zu subjektiver Deutung der Inhalte. Jede Person hat eine persönliche Haltung zur Visualisierung. Dieser Effekt wird als „Framing“(1) bezeichnet und kommt vor allem bei politischen Themen zum Einsatz. Für bestimmte Inhalte werden auch ganz spezielle Trägerdateien eingesetzt um die gewünschte Wirkung beim Mediennutzer auszulösen. Bilder haben daher sowohl die Funktion Inhalte leicht verständlich zu machen, aber auch eine gewisse Steuerungsfunktion seitens der Autoren. Gerade in der politischen Öffentlichkeitsarbeit werden sogenannte „Frames“ eingesetzt um den Nutzern emotionale Einstellungen zu vermitteln und diese unterbewusst in eine Denkrichtung zu drängen, also einen gewissen Rahmen für die Betrachtung einer Thematik zu sorgen. Framing ist also eine Form des Kästchendenkens, welche zum Eigennutzen vieler Autoren genutzt wird. Durch den gezielten Einsatz von visuellen Inhalten können die Mediennutzer auf diese Art leicht manipuliert werden. Journalisten setzen Bilder vor allem dann ein, wenn sie „Zeugen von Ereignissen“ benötigen. Visuellen Inhalten schenken die Mediennutzer mehr Glauben, als gedruckten journalistischen Texten. Somit haben die Autoren bei der Steuerung der Haltung und Meinung der Nutzer ein leichtes Spiel (2).

Die Macht der Bilder
Seit dem 19. Jahrhundert nimmt die Bildlichkeit rasant zu. Das Bild verdrängt nach und nach die Sprache in ihrer Funktion als primärer Informationsträger. Betrachtet man die Medienlandschaft von heute haben Bilder die Oberhand und sind omnipräsent in den neuen Medien. Somit verliert das Bild den Charakter einer Textergänzung und wird vielmehr zu einem eigenständigen Informationsträger (3).
Vor allem für die Nachrichtenberichterstattung sind die sogenannten inneren Bilder welche sich durch die Wahrnehmung des Rezipienten im Kopf bilden enorm wichtig. Im Laufe der vergangenen Jahre, hat die subjektive Wahrnehmung immer mehr an Bedeutung gewonnen, da sich durch sie unterschiedliche Deutungen ergeben und so verschiedene Ansichten resultieren.
Seit Ende der 1960er Jahre spricht man in diesem Zusammenhang von dem „Iconic Turn“ (4). Man nimmt dabei an, dass die Bilder wie die Sprache ein gesellschaftlich-kulturelles Konstrukt darstellen und dabei nicht immer die Realität abbilden, sondern oftmals eine Abbildung einer subjektiv konstruierten Wirklichkeit ergeben. Die Aussage eines Bildes ist immer von der Lebensumwelt des Betrachters abhängig und dessen sozialen, gesellschaftlichen und kulturellen Hintergrund. Da Bilder ein statisches Medium sind stellen sie immer einen Ausschnitt dar. Bilder galten lange als Beweismittel. Jedoch muss immer davon ausgegangen werden, dass sie eine aus dem Kontext gerissene Momentaufnahme sind.
Im 19. Jahrhundert kam es oft zu Bildretuschen oder Fotomontagen. Man spricht von der analogen Fotomanipulation. Mit dem Wandel der Technik wurden neue Methoden entwickelt um analoge Fotomontage sichtbar zu machen. Bei der digitalen Fotobearbeitung gab es aber zu diesem Zeitpunkt noch viele Laien und eine Manipulation war auf diesem Weg oft nicht nachvollziehbar. Durch die Manipulationsmöglichkeiten wachsen Bilder zu einer neuen Macht heran, welche oft gezielt eingesetzt werden um die Leserschaft zu täuschen. Da Bilder oft schnell und ohne nachzudenken wahrgenommen werden können so subjektive Meinungen suggeriert werden (5).

Ein Bild sagt mehr als tausend Worte
Es ist bewiesen, dass sich der Mensch visuelle Informationen viel besser und vor allem auch viel schneller merkt, als Informationen die er auditiv wahrnimmt (6). Beim Lesen behält der Mensch rund 20% der Information. Bei Dingen die er sieht beziehungsweise ihm gezeigt werden steigt das Auffassungsvermögen weiter an. Führt er die Handlungen auch selbst aus, schafft, bzw. unterrichtet er selbst andere Personen. So kann der Mensch ein Erinnerungsvermögen von ca. 80% erreichen. Grund dafür ist, dass das menschliche Gehirn visuelle Informationen schneller verarbeiten kann als Information in Form von Text (7).
Sieht man beispielsweise einen Apfel, dann wird die Information 60.000mal schneller verarbeitet als beim Lesen des Wortes Apfel. Werden die einzelnen Wörter beziehungsweise ihre Zusammenhänge länger, komplex oder stehen in einer Fremdsprache, so sinkt die Rechenleistung weiter. Bei Symbolen, die international das gleiche bedeuten hat man den Vorteil, dass der Mensch diese rasch erkennt und zuordnen kann. Setzt man nun Bilder anstatt von Wörter ein, um Informationen zu übertragen, hat man den großen Vorteil durch sie eine schnellere Auffassung beim Rezipienten zu erlangen und ebenfalls einen besseren Wiedererkennungsgrad zu erreichen (8).
Gerade im digitalen Zeitalter in dem ein Überfluss an Informationen besteht ist es wichtig den Nutzer mit kompakten Informationen zu versorgen. Somit hat er selbst die Möglichkeit zu selektieren, mit welchem Thema er sich näher befassen möchte. Durch Verkürzung des Wortanteils auf visuelle Elemente wie „Emojis“ (9) erlangt man eine raschere Wahrnehmung und Aufnahme. Gleichzeit verschaffen Emojis eine emotionale Brücke zwischen Inhalten und Mediennutzer.

Die Macht der Worte
Doch auch wenn in den letzten Jahren immer mehr die visuelle Kommunikation in den Vordergrund rückte, so darf man keinesfalls die Kraft der Sprache außer Acht lassen. Sprache und Text beeinflussen tagtäglich wie wir denken und wie wir handeln (10). Dies geschieht sehr oft auch unterbewusst und deshalb eignet sich Sprache auch als perfektes Manipulationsinstrument. Studien haben herausgefunden, dass schon alleine die Beschreibung von Lebensmittel das Geschmacksempfinden beeinflussen kann. Man denke zum Beispiel an Slogans wie nach einem „Rezept der Großmutter“ gebacken oder „traditionell“ hergestellt. Unsere Wahrnehmung ist also alles andere als objektiv. Doch einen noch stärkeren Einfluss als Slogans haben Metaphern. Sie erzeugen ein Sprachbilder im Gehirn und können ein ganzes Netz an Assoziationen aktivieren. Metaphern werden häufig bei der medialen Darstellung in der Politik verwendet um Geschehnisse verharmlost darzustellen. Ein gutes Beispiel hierfür ist die Wortkreation „Euro-Rettungsschirm“. Hans-Jörg Schmid von der Ludwig-Maximilians-Universität München (11) beschreibt die Wirkung dieses Wortgebildes als so als würde man einen Staat schützen, der unverschuldet in ein Unwetter geraten ist.
Wie groß der Einfluss von Metaphern wirklich ist, hat eine Studie der Stanford University (12) aufgezeigt. Man legte Probanden zwei Versionen eines Textes über eine fiktive Stadt mit einem Kriminalitätsproblem vor. Die Probanden sollten Vorschläge zur Verbesserung der Kriminalitätssituation bringen. Die zwei Texte Unterschieden sich nur marginal. Bei einem Text wurde die Kriminalität als ein „wildes Tier“ und beim zweiten Text als „Virus“ beschrieben. Dieses Experiment lieferte ein eindeutiges Ergebnis. Die Probanden denen die Kriminalität als Virus geschildert worden war, schlugen vor die Ursachen der Kriminalität wie Armut der Bildung zu erforschen und zu verbessern während hingegen die Testpersonen denen die Kriminalität als ein wildes Tier präsentiert wurde, zu weit aus drastischeren Maßnahmen griffen. Sie plädierten dafür die Verbrecher hartnäckig zu „jagen“, sie ins Gefängnis zu Stecken und die Gesetze zu verschärfen. Beide Probandengruppen gaben als Grundlage für ihre Entscheidung die Kriminalitätsstatistik im Text an, diese war jedoch bei beiden Texten die gleiche, mit den gleichen Zahlen. Wie maßgeblich uns die Verwendung von Metaphern also beeinflussen kann, zeigt dieses Experiment auf (13).

Verbildlichung hebt räumliche und zeitliche Distanz auf
Durch die Visualisierung von Inhalten schafft man es den Leser direkt in die Handlung miteinzubeziehen. Man erreicht dadurch eine persönliche Nähe des Rezipienten zu der Information, die man übertragen will. Man erzeugt so ein zusätzliches Interesse, da sich der Leser nicht durch Erfassen des Textes in die Handlung hineinversetzen muss, sondern direkten Einstieg in das Geschehen erlangt.
Vor allem in der heutigen Zeit, in der Menschen immer mehr unter Zeitdruck stehen ist es wichtig eine Vorab-Information zu schaffen um potenzielle Leserschaft anzulocken. Durch Verknappung des Wortanteils und Einsatz von visuellen Elementen verkürzt man den Aufnahme- und Verarbeitungsprozess des Mediennutzers, dadurch hat er mehr Zeit Inhalte nach persönlichen Interessen zu selektieren. Das soll nicht nur im Interesse lukrieren, sondern auch die Leserschaft binden. Jedoch gibt es auch Grenzen (14)! Eine Verbildlichung schafft aber nicht nur eine räumliche Distanz, sondern kann auch die Leserschafft mit auf eine Zeitreise nehmen und bildhaft eine andere Zeit darstellen. Ein Bild ist dabei ein Phänomen, das historische und gegenwärtige Dinge in derselben Fläche abbilden kann und somit eine Synchronisation schafft. Es wird also eine Zeitgleichheit vorgetäuscht (15).

Der Rezipient von heute
Unsere heutige Gesellschaft ist stark von gesättigten Konsumenten und einer undurchschaubaren Vielfalt an Produkten und Dienstleistungen gekennzeichnet. Der dadurch gestiegene Kommunikationswettbewerb und die dadurch entstandene Informationsüberflutung führten dazu, dass sich Mediennutzer immer weniger für sachliche Informationen interessieren und die angebotenen Informationen immer flüchtiger und selektiver wahrgenommen werden (16). Das daraus entstandene Informationsverhalten ist dadurch geprägt, dass Informationen präferiert werden, die sich auf den ersten Blick von der Masse abheben und besonders schnell aufgenommen und verarbeitet werden können – Bilder. Bilder haben im Vergleich zu Videos den Vorteil, dass sie statisch sind und ohne Ton Inhalte kurz und knapp vermitteln können. Zusätzlich können Bilder sowie Videos emotionale Nähe zu Inhalten einfacher verschaffen als Texte. Um vom Rezipienten wahrgenommen zu werden müssen daher Bilder erzeugt werden, die Emotionen wecken, einen hohen Wiedererkennungswert haben und mit einem kurzen und prägnanten Bilduntertitel versehen sind. Gelungene Beispiele dafür sind der rauchende Cowboy (17) oder die lila Kuh (18). Ohne Namen der jeweiligen Unternehmen nennen zu müssen, lässt sich erahnen worum es sich hierbei handelt (19).

Text vs. Bild – Art der Informationsaufnahme

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Die Informationsaufnahme beim Kommunikationsprozess kann dahingehend voneinander unterschieden werden, dass der „Betrachter die wahrgenommenen Bilder immer als eine Gesamtheit wahrnimmt, während er einen Text quasi Wort für Wort abtastet und erfasst. Das verschafft Bildern im Vergleich zu Texten einen großen Vorteil, da eine Gesamtheit schneller erkannt wird als ein sich nach und nach ergänzendes Stück. Bilder sind daher auch besser qualifiziert, um Zusammenhänge darzustellen: Während das Bild simultan eine Situation präsentiert, kann der Text sie nur nach und nach entwickeln (20).
Man spricht bei der Aufnahme von Bildern in Bezug auf die Wahrnehmung von „analog“ und bei der Wahrnehmung von Texten von „digital“. Analoge Darstellungen zeichnen sich durch Einfachheit aus, während digital oft als komplex und aufwendig angesehen wird. Für das Auflösen „digitaler Information“ benötigt das Gehirn genaue Anweisungen und aufwendige Rechenschritte.
Bei der Visualisierung von Inhalten durch Bilder, lässt sich Information für den Nutzer einfacher darstellen und schneller erkennen, als wenn die Information in reiner Textform vorliegt. Text hingegen ist in der Lage diese Daten genauer zu beschreiben, bedarf aber einer stärkeren und längeren Auseinandersetzung mit dem Dargestellten (21).
Anhand von Blickaufzeichnungen während der Informationsaufnahme wurde nachgewiesen, dass das menschliche Auge eine visuelle Vorlage in unregelmäßigen Abständen abtastet. Bei der Aufnahme von Text-Information werden einzelne Elemente fixiert, sodass diese Informationen intensiver aufgenommen werden. Bei der Aufnahme von Bildinformationen sind erheblich weniger Fixiervorgänge und somit weniger Zeit notwendig, um einen Kontext zu erfassen. Wie die aufgenommenen Informationen weiterverarbeitet werden, hängt im Wesentlichen von der Eigenschaft des Bildes, von Fähigkeit, Vorwissen und Motivation des Betrachters und von der Situation ab. Hinzu kommt der Aspekt, dass das menschliche Gehirn sich an Bilder besser erinnert als an Text, diesen Effekt nennt man „Pictorial superiority effect“ (22). Dadurch das Bilder in der Aufnahmegeschwindigkeit dem Text weit überlegen sind spricht man von „der unmittelbaren „Macht der Bilder“, welche sich durch eine höhere Direktheit auszeichnet. Darüber hinaus können Bilder schneller, einfacher, anschaulicher, ganzheitlicher, assoziativer und vor allem nachhaltiger erfasst werden (23).

Text-Bild-Schere
Besonders im Online-Journalismus macht die Balance aus Text- und Bildanteil die effektive Wahrnehmung aus. Klaffen aber die beiden Enden der effektiven Wahrnehmung auseinander, dann beschreibt man das als Text-Bild-Schere (24).
Wichtig ist, dass diese zwei Komponenten zueinander passen, sonst wird in weiterer Folge der Text beziehungsweise die darin vermittelten Informationen vom Rezipienten nicht richtig oder gar nicht wahrgenommen und man verliert den Fokus auf das Wesentliche. Gerade im Journalismus können beispielsweise Überschriften welche einen abweichenden Sachverhalt als der im beiliegenden Text beschriebenen darstellt und kann so für Verwirrung bei den Mediennutzern führen (25).

Friend or Foe?
In der Praxis findet Framing vor allem dann statt, wenn eine Tatsache von einer bestimmten Seite beleuchtet werden soll. Dabei wird dem Gegenstand eine subjektive Meinung angehängt um so die objektive Wahrnehmung zu verzerren. Eine einfache Methode ist dabei das Abschneiden von Bildelemente aus einem Gesamtbild oder der Perspektiven Wechsel bei Reportagen. Ein eingängiges Beispiel (26) ist die Aufnahme eines knienden Soldaten, welcher von einem zweiten Soldaten eine Wasserflasche an den Mund gehalten bekommt. Hinter dem ersten Soldaten steht ein Soldat mit einem Gewehr. Je nachdem wie groß man den Bildausschnitt wählt, erhält man eine völlig andere Darstellung des Sachverhalts. Für einen unkritischen Mediennutzer können sich daher unterschiedliche, suggerierte, Meinungen entwickeln. Gerade bei Bildern schenken die Nutzer vermehrt Glaubwürdigkeit.
Abschließend kann man sagen, dass die Informationswahrnehmung ein sozial-psychologisches Phänomen und kognitiv-psychologisches Thema darstellt, welches die Funktionsweise des Menschen in Hinblick auf seine Wahrnehmung widerspiegelt. Das Bewusstsein über medial vermittelte Inhalte ist von Mensch zu Mensch verschieden; inwieweit ein einzelnes Individuum eine medial präsentierte Dramaturgie entschlüsseln kann, hängt direkt mit seiner kritischen Haltung und persönlichen Bildung zusammen und erklärt wie leicht solche perspektivischen Darstellungen Einfluss auf die Meinungsbildung haben.

Über die Autoren

Lukas Kargl studiert im Bachelorstudiengang Medienmanagement an der Fachhochschule St. Pölten. Seine Ausbildungsschwerpunkte umfassen Contentmanagement, Marketing und Sales sowie die Praxisfächer Radio und Online. Vor diesem Studium hat er 2 Jahre an der WU Wien studiert und konnte durch diverse Fortbildungskurse und Praktika (Ink Music) Erfahrungen in der Musikwirtschaft sammeln.

Benedikt Fleischhacker ist Student im 5. Semester des Studiengangs Medienmanagement an der Fachhochschule St. Pölten. Seine Ausbildungsschwerpunkte umfassen Marketing & Sales und Contentmanagement, sowie die Praxislabore Online und Radio. Nebenbei betreibt er ein erfolgreiches Veranstaltungslabel. Außerdem arbeitet er neben dem Studium als  Projektmanager in einer Werbeagentur, dadurch konnte er seine Kenntnisse vertiefen. Seine Zukunft sieht Benedikt im Musik und Online Bereich.

Artikel verfasst im Sommersemester 2016.