„Instagram hätte mich fast mein Leben gekostet“ – Leben zwischen Erfolg und Depressionen

Sophia Thiel’s YouTube Video gibt Aufschluss über ihren Rückzug von Social Media.
Copyright: Celina Kisielewski

Sie haben tausende an Followern, verdienen Geld beim Posten von Bildern und sind berühmt, bevor sie überhaupt noch einen Schulabschluss haben. „Influencer“, der neue Traumberuf der Jugend. Der Traum vom perfekten Körper, ständig Urlaub an den exklusivsten Orten, ein makelloses Leben zu führen und dabei Geld zu verdienen verlangt auch einen Preis. Ein Schlaglicht.

Tierärztin, Kindergärtnerin, Lehrerin waren früher die Wunschberufe der Kinder und Jugendlichen. Heute sieht es ganz anders aus. Die meisten wollen Insta- oder Twitter-Influencer, YouTuber oder Blogger werden. Hauptsache etwas in den sozialen Medien. Seit 2018 bietet eine Universität in der Schweiz den Lehrgang „Digital Influencer“ an. Louisa Dellert lebte den Traum als Influencer und diese Berufung hätte sie fast ihr Leben gekostet. Um den perfekten Körper für Instagram zu haben, aß sie fast nichts und trieb dreimal täglich Sport. An manchen Trainingstagen fiel sie sogar in Ohnmacht. Das alles machte sie nur um „Anerkennung“ ihrer „Unterstützer“ zu bekommen. Jedes „Like“ motivierte sie weiter zumachen, bis sie schließlich bei einer Körpergröße von 1,63 Meter nur mehr 46 Kilogramm wog.

Das Influencer Dasein

Medien bestimmen die Art und Weise wie wir kommunizieren. Die Mediatisierung hat soziokulturelle Auswirkungen auf die Kommunikation der Menschheit. Der zeitliche Aspekt beschreibt beispielweise, dass auf Facebook ständig neue Inhalte generiert werden. Durch das Smartphone ist die Kommunikation nicht örtlich gebunden und durch den digitalen Mediatisierungsschub besteht die Möglichkeit von translokalen Vernetzungsprozessen. Neue Kommunikationsmöglichkeiten entstehen und somit auch neue Berufe wie der des Influencers. Die Meinungen, wie es mit Influencern – oder Einflüsterern – weitergehen soll, gehen auseinander. Die einen meinen, dass der „Boom“ vorbei sei, andere wiederum sind der Ansicht, dass kein Ende in Sicht sei.   Influencer tragen zur Identitätsbildung von jungen Mädchen und Burschen bei. Durch die parasoziale Beziehung haben ihre Follower das Gefühl, die Influencer wie einen Freund zu kennen. Obwohl der Inhalt an eine große Masse gerichtet ist, hat jeder einzelne das Gefühl angesprochen zu werden.

Der Durchbruch als Influencer

Sophia Thiel schaffte den Aufstieg als Fitness-Bloggerin. Aus ihrer persönlichen Abnehm-Geschichte hat sie eine Erfolgsgeschichte gemacht. Ihr Karriereanstieg war steil und schnell entwickelte sie ihr eigenes Fitnessprogramm, ein eigenes Magazin in Zusammenarbeit mit dem Verlag Bauer und einen eigenen YouTube-Channel.

Neben Thiel hat auch Louisa Dellert ihr Hobby zum Beruf gemacht und veröffentlichte ebenfalls ihre Abnehmerfolge und gewann an Anerkennung. 

Im Gegensatz zu Kim Kardashian, die Millionen an Followern auf Instagram hat, sind die zwei deutschen Influencerinnen nur kleine Sterne am Social Media-Himmel. Dennoch scheinen sie ein Leben wie ein Celebrities zu führen. Die Luxusreisen nach Miami, London und Paris gehören zum täglichen Geschäft.

Vom Traumberuf zur Burnout-Falle

Nachdem 2018 beide Großmütter von Thiel verstarben und ihre Beziehung zerbrach, entschied sich die Fitness-Bloggerin im Mai 2019 eine Pause einzulegen. In ihrem YouTube-Video erklärte sie, dass sie Zeit brauche um zu sich zurückzufinden und alles, was im Vorjahr passiert sei zu verkraften. Seitdem hat die Fitness-Bloggerin an Gewicht zugelegt und sich der Öffentlichkeit entzogen. Ihre „Fans“ kritisierten ihren neuen unsportlicheren Körper. Bei Louisa Dellert hat die Social Media-Präsenz zur Magersucht geführt. Nachdem sie beim Training in Ohnmacht fiel, entdeckten Ärzte einen Herzfehler. Trotz Sixpack war sie unglücklich.

Auch weitere Influencer wie YouTuber Elle Mills, Alisha Marie und Rubén Gundersen haben sich eine Zeit lang der Öffentlichkeit entzogen, weil sie an Depressionen und/oder dem Burnout-Syndrom litten. Alle geben als Grund an, dass der Druck zu hoch sei, Urlaub nur wie Urlaub aussieht, aber tatsächlich harte Arbeit dahintersteckt und ihre Follower Erwartungen befriedigt wissen wollen. Auch die ständig geänderten Algorithmen sind Hauptthema bei der Diskussion über Influencer-Burnout.

YouTube hat die Gefahr erkannt und verbreitete Videos, die helfen psychische Probleme zu erkennen und durch die Algorithmen auf andere derartige Videos hinweist. In den Videos wird den Influencern auch eine Auszeit vorgeschlagen. Rubén Gundersen fiel nach vier Monaten Auszeit von Platz 3 der erfolgreichsten YouTubern auf Platz 15. Laut der Forscherin Katherine Lo wäre es kaum möglich auf YouTube Erfolg zu haben, ohne sich zu überarbeiten.

Instagram vs. Realität

Um ihren Followern zu zeigen, dass nicht alles was sie sehen real ist, posten immer mehr Influencer neben den bearbeiteten Fotos auch die unbearbeitete Wahrheit und andere weniger schmeichelhafte Bilder, die beim selben Shooting entstanden sind. Mit dem Trend „Instagram vs. Realität“ erinnern sie daran, dass nicht alles, was in den sozialen Medien gezeigt wird, real ist.

Auch die sogenannten „Behind-the-scenes“-Aufnahmen machen auf die Wahrheit aufmerksam. Diese zeigen das perfekte inszenierte Foto, das  so aussieht als wäre das Bild in einem Blumenfeld geschossen worden, und ein Foto, das auflöst, dass es kein Blumenfeld, sondern lediglich ein kleiner Blumentopf war. Diese Veranschaulichungen zeigen vor allem, wie sehr Bilder täuschen können.

Influencer versuchen ihren Followern durch Instagram VS Realität zu zeigen, dass nicht alles was sie sehen echt ist.
Copyright: Celina Kisielewski

Influencer sind keine Maschinen, sondern Menschen. Durch ihren Einfluss auf die Identität ihrer Follower wollen sie sich offenbar keine Fehler erlauben. Auch wenn es auf ihren Bildern meist so aussieht als würden sie ständig Urlaub machen, gratis Produkte bekommen oder in den teuersten Restaurants essen, ist es doch nur Arbeit. Ihre Follower erwarten schöne Urlaubsfotos, ständige Updates über das Leben der Influencer und ununterbrochene Präsenz in den sozialen Netzwerken. Hinter den Bildern, die für uns wie Traumreisen aussehen, steckt viel Zeit. Auf der Suche für den richtigen Content bis hin zum Bearbeiten des Posts steht die Postproduktion des Rohmaterials. Burnout und Depressionen sind kein Einzelfall und im Mediensektor seit Jahrzehnten vertrautes Beiwerk zum Glamour. Um den Erwartungen ihrer Fans zu entsprechen, gefährden sie ihre eigene Gesundheit. Immer mehr Influencer ziehen sich aus der Öffentlichkeit zurück, da es ihnen regelrecht reicht.  Louisa Dellert verwandelte  ihren Fitness-Blog in einen Umwelt- und Anti-Fitness-Blog. Statt ihrem durchtrainierten Körper steht nun vor allem das Thema „Body Positivity“ auf dem Programm. Der Durchbruch und der Zusammenbruch liegen nah beieinander.

Copyright: Beatrice Weinberger

Über die Autorin

Celina Kisielewski wurde 1997 in Wien geboren. Sie studiert seit 2017 Medienmanagement mit den Schwerpunkten Marketing und Sales sowie Content Management an der Fachhochschule St. Pölten und lebt derzeit in Korneuburg. Ihre Freizeit verbringt sie  mit Lesen oder  Weiterbildung in den Bereichen Medien und Ernährung. Sie ist unter mm171034@fhstp.ac.at erreichbar.