Das Internet – aufgrund seiner unschätzbar großen Speicherkapazitäten für die meisten die erste Anlaufstelle, wenn es um das Abrufen von Informationen geht. Weniger Beachtung bekommt der Aspekt, dass Nutzer ebenfalls Inhalte über sich bereitstellen müssen, um Teil des digitalen Netzes zu werden.
Dass „Nicht nicht kommuniziert werden kann“, stellte Watzlawick bereits Ende der 1960er fest. Ob diese analoge Theorie auch im digitalen Raum Halt findet, bleibt jedoch offen. Je intensiver der digitale Raum genutzt wird, je involvierter man ist, desto mehr Daten müssen zur Verfügung gestellt werden. Im Rahmen der Selbstdarstellung werden gezielt Daten und Inhalte für begrenzte und unbegrenzte Personengruppen veröffentlicht. Doch mediale Selbstdarstellung ist kein Ergebnis technischer Innovationen, sondern findet seinen Ursprung im menschlichen Mitteilungsbedürfnis.
Wirft man einen Blick in die Vergangenheit, so wirft der Diskurs um die Differenzen von analoger und digitaler Mediennutzung einige Fragen auf. Analoge Medien bedienen nicht nur den Informationsbedürfnissen ihrer Besitzer, sondern geben gleichermaßen Vorlieben und Interessen preis. So kann die Inneneinrichtung einer Wohnung in Form von Büchern, Platten- und CD-Sammlungen politisches Denken, Interessen und gesellschaftliche Zugehörigkeit nach außen tragen. Für den Bewohner garantiert die Präsentation der Lieblingsmedien einen authentischen Weg sich dem Besucher wortlos vorzustellen. Dem Besucher hingegen wird einen Überblick über das Innerste seines Gegenübers geboten, und kann aufgrund dessen leicht eine Konversation beginnen. Eine Form der nonverbalen Kommunikation, die durch die rasant zunehmende Digitalisierung eine stetig sinkende Selbstdarstellung im realen Raum zur Folge hat.
Die Selbstdarstellung der Gesellschaft wandert ab. Billig, einfach und mit einer größeren Reichweite sind digitale Netzwerke eine attraktivere Option für die Selbstinszenierung ihrer User.
Digitaler Partizipationsdruck
Die treibende Kraft der wachsenden digitalen Partizipation ist vor allem die unterbewusste Angst, etwas zu verpassen. Im alltäglichen Sprachgebraucht beschreibt FOMO (eng.: fear of missing out) das regelmäßige Aufrufen von Social Media, um auf dem aktuellsten Stand zu sein und keine Chance auf soziale Interaktion und neue Erfahrungen zu verpassen.
Unterhaltungen werden unterbrochen, Filmen und Serien keine Aufmerksamkeit geschenkt und der Schlaf durch den Konsum etlicher digitaler Inhalte hinausgezögert. Die Angst, etwas Spannenderes oder Unterhaltsameres zu verpassen wird durch Push-Benachrichtigungen seitens der Social Media-Treiber, wie der Name bereits sagt, angetrieben und gepusht. Die Human Behavior-Studie aus dem Jahr 2013, publiziert von der University of Oxford zeigte, dass FOMO bei jungen Menschen und besonders bei jungen Männern weit verbreitet ist. Als Auslöser für die Angst gelten vor allem psychologische Defizite in den Bereichen Sicherheit, Liebe, Respekt und Autonomie.
Der Ursprung des Partizipationsdrucks liegt in der Natur des Menschen. Als soziales Wesen ist es ein menschliches Grundbedürfnis sich in eine (Teil-)Gesellschaft einzugliedern. Auch soziale Netzwerke existieren allein durch das Kommunikationsbedürfnis ihrer Nutzer, welches sich auch in der Mediennutzung widerspiegelt. Denn soziale Plattformen können nur dann entstehen, wenn eine Vielzahl an Menschen durch dessen Funktionen mit ihrem Umfeld kommunizieren und interagieren. Dieser Netzwerkeffekt führt bei einer großen Anzahl an User dazu, dass sich Menschen zu der Anmeldung auf einer Social-Media Plattform gezwungen fühlen, um den Kontakt zu ihrem Umfeld nicht zu verlieren.
Mittlerweile ist die digitale Welt der Social Media-Netzwerke ein fest eingegliederter Bestandteil im Leben vieler und die Selbstdarstellung im Internet wird zum Fundament des digitalen Handelns. Inhalte an eine (Teil-)Öffentlichkeit zu kommunizieren stellt jedoch nicht nur Kontakt zu der eigenen Umwelt her, sondern ist auch ein wichtiges Element für die Reflektion über das eigene Selbstbild. Die erhoffte Bestätigung von außen wird durch einen inneren Konkurrenzkampf und dauerhaftes Vergleichen kompensiert. Besonders Likes werden in diesem Zusammenhang als Gradmesser der Fremdwahrnehmung instrumentalisiert. Likes, der affektive und temporäre Ausdruck von Sympathie und Gefallen, legitimiert die Existenzberechtigung der veröffentlichten Inhalte und in manchen Fällen sogar die der eigenen Person.
Zwischen Aufmerksamkeit und Authentizität
Aufmerksamkeit und Sympathie sind in der Medienwelt begrenzte Ressourcen, welche auf sozialen Plattformen die stark umkämpften Objekte der Begierde einer konkurrierenden Vielzahl der Teilnehmer darstellt. Ist Aufmerksamkeit die Währung unserer Mediengesellschaft, so sind Nutzer ihr Produkt. Vor allem wenn es sich bei den angebotenen digitalen Diensten um kostenlose Modelle handelt, stehen quantifizierbare Daten bezogen auf das Nutzungsverhalten im Fokus der Anbieter. Social Media macht sich das Streben nach Selbstlegitimierung, Selbstdarstellung und Datenverwertung zu Nutze, indem es den Prozess der Aufmerksamkeitsgenerierung automatisiert und erleichtert.
Als weitere Folge der Automatisierung durch Algorithmen ist zu beobachten, dass sich Inhalte durch Ihre Perspektiven und Motive aneinander angleichen. Seien es Urlaubsfotos, Stil oder Körperhaltungen – neben der Regelmäßigkeit der Postings gilt vor allem das nachstellen von bereits erfolgreichen Inhalten als das Rezept zum Erfolg. Markiert und gekennzeichnet werden die systematische Selbstinszenierung vor allem mit dem was sie entwerten – Authentizität und Individualismus.
Über die Autorin
Natascha Schäffer, geboren in Wien, studiert seit 2017 Medienmanagement an der Fachhochschule St. Pölten. Mit Fokus auf Marketing, Print- und Onlinejournalismus beschäftigt sie sich mit gesellschaftlichen und ökonomischen Themengebieten.