Klimawandel, Kritik, Kontroversen: Manuel Kelemen über TV-Meteorologie in Zeiten des Gegenwinds

Manuel Kelemen ist leidenschaftlicher Meteorologe und Wettermoderator bei ATV. Beruflich wie auch privat hat das Wetter für ihn höchste Priorität, so konnte er sich bereits in jungen Jahren für die Meteorologie begeistern. Neben seinen täglichen Aufgaben und Herausforderungen als TV-Meteorologe in Zeiten des Klimawandels wird Kelemen auch immer wieder mit persönlichen Angriffen und Beleidigungen konfrontiert. Über seine Rolle im Kontext der Klimaberichterstattung sprach Kelemen im Interview mit SUMO.

von CHRISTINA JAUSCHNEGG

SUMO: Wie sehen Sie die Rolle von TV-Meteorolog:innen im Kontext des Klimajournalismus?

Manuel Kelemen: TV-Meteorologen sind längst nicht mehr nur da, um zu sagen, wie das Wetter wird. Unterm Strich zeigt das einem mittlerweile jedes Smartphone. De facto ist also der Wetterbericht beziehungsweise der Meteorologe an sich zu einem gewissen Grad obsolet geworden. Was einem das Handy jedoch nicht liefert, ist eine Einordnung. Unser Job ist es, darauf aufmerksam zu machen, wenn eine Sache ins Absurde rutscht. Als Beispiel die Wärme im Oktober: Das Smartphone sagt 25 Grad Sonnenschein an und Gott und die Welt freut sich darüber. Natürlich sind 25 Grad im Herbst fein, aber nicht auf Dauer und genau für diese Einordnung ist der Meteorloge im Fernsehen da. Auch ist es zum Teil unsere Aufgabe, komplexe naturwissenschaftliche Zusammenhänge für das Fernsehpublikum auf ein allgemein verständliches Niveau herunterzubrechen.

Es kursieren viele Fehlinformationen über den Klimawandel. Tragen TV-Meteorolog:innen auch eine gewisse Verantwortung, diese zu korrigieren? Kelemen: Ja und nein. Meine Aufgabe ist es nicht, Fehlinformationen aufzuzeigen und diese zu korrigieren. Jedoch achte ich selbst darauf, dass meine Informationen Hand und Fuß haben: Was ich kommuniziere, lasse ich auch verifizieren und versuche so, die Fehlerquelle zu minimieren. Man kann Menschen zutrauen, dass sie selbst entscheiden, wem sie vertrauen wollen und woher sie ihre Informationen beziehen. Bei den „hardcore“-Leugnern ist sowieso Hopfen und Malz verloren. Ich habe mittlerweile Abstand genommen von Klimaleugnern, mit denen ich aufgrund meines Jobs oft konfrontiert bin. Da führt eine Richtigstellung der Informationen häufig zu nichts, außer dazu, dass man am Ende persönliche Beleidigungen abbekommt. Solche Menschen sind leider oft auf Konfrontation aus.

Inwiefern können TV-Meteorolog:innen dazu beitragen, das Bewusstsein für den Klimawandel in der Öffentlichkeit zu schärfen?

Kelemen: Man muss in der Sache glaubwürdig sein und in vielerlei Hinsicht auch als Positivbeispiel vorangehen. Ich sage immer, ich selbst bin kein Heiliger. Auch ich habe ein Auto und ich weiß, dass ich hin und wieder auch darauf angewiesen bin. Aber es macht einen Unterschied, ob ich jeden Tag ins Auto steige, weil ich faul bin oder es aber nur gelegentlich nutze, wenn ich zum Beispiel etwas transportieren muss. Die größte Sache, die wir im Kampf gegen den Klimawandel machen können, ist darüber zu reden und zu sensibilisieren. Denn darum geht es am Ende: Den Leuten bewusst zu machen, dass, wenn wir alle mit unserem Lebensstil so weitermachen wie bisher, wir ein ernstes Problem haben.

Welche Maßnahmen ergreifen Sie selbst? Und finden Sie es wichtig, dass die beruflichen Agenden in Bezug auf den Klimawandel mit Ihren privaten übereinstimmen?

Kelemen: Ich bin schwer davon überzeugt, dass das übereinstimmen muss! Um glaubwürdig zu bleiben, sollte man sich on air nicht anders geben als privat. Ich kann nicht auf Sendung meine Kritik zu Kurztrips mit Flug äußern und gleichzeitig privat 14-mal im Jahr in den Flieger steigen – einfach weil‘s Spaß macht. Das ist für mich nicht zu vereinbaren – gleichwohl sich niemand dafür zu schämen braucht, auch mal in den Urlaub zu fliegen. Bezüglich den von mir ergriffenen Maßnahmen, steht ganz klar an erster Stelle, dass ich versuche zu sensibilisieren, wo es nur geht. Daran arbeite ich privat wie auch auf Sendung. Ich habe eben aufgrund dessen, dass ich im Fernsehen bin, ein breiteres Spektrum zur Verfügung und erreiche dadurch mit meiner Botschaft sehr viele Menschen. Zweitens bin ich wie ich es gerne nenne „Klimatarier“. Ich verzichte aus Klimaund Umweltschutzgründen auf eine Sache, die mir schmeckt – nämlich Fleisch. Und das schon seit über einem Jahrzehnt. Und drittens bin ich während der Coronazeit aufs Rad umgestiegen. Warum ich das nicht schon früher gemacht habe, ist mir selbst ein Rätsel.

In Ihrer Klimasendung „Gradwanderung“ erklären Sie den Sat.1 Österreich-Zuseher:innen die Ursachen und Umstände der Klimakrise. Welches Feedback erhalten Sie dazu? Kelemen: Das Feedback auf „Gradwanderung“ hat mich echt überrascht. Üblicherweise ist es so: Wenn ich den Klimawandel in meinen Sendungen anspreche, prasseln relativ viele Beleidigungen auf mich ein sei es per E-Mail, Kontaktformular oder per Anruf. Daher hatte ich, als wir die Klimasendung „Gradwanderung“ gestartet haben, im Vorhinein wirklich Bedenken. Aber ich habe bis heute noch kein einziges negatives Feedback erhalten. Es kommen nur positive Rückmeldungen rein und damit meine ich nicht nur, dass die Zuseher:innen ihr Gefallen an der Sendung ausdrücken, sondern, dass Leute auch Fragen haben, die in den Sendungen nicht ausreichend beantwortet wurden. Daran erkennt man, dass der Bedarf nach solchen Sendungen sehr wohl gegeben und sogar sehr hoch ist.

Welche Reaktionen von Zuseher:innen sind Ihnen besonders in Erinnerung geblieben? Kelemen: Ein Verein von älteren Menschen, „Grandparents for Future“, hat mich angeschrieben, was mir persönlich sehr imponiert hat, weil der Klimawandel älteren Menschen an sich völlig egal sein kann. Die Fragen waren: Was sollen und können ältere Menschen tun? Sollen sie noch dagegen vorgehen? Sie haben sich entsetzt gezeigt über das, was vor sich geht und wollen aktiv etwas dagegen unternehmen. Diese Eindringlichkeit, dass auch bei älteren Menschen das Bedürfnis vorhanden ist, diesen Planeten möglichst lebensfreundlich zu hinterlassen, hat mich schwer beeindruckt. Auch in Erinnerung geblieben ist mir die Nachricht eines kleinen Buben, der so begeistert davon war, dass er das, was er in meiner Sendung über den Klimawandel gesehen hat, schon in der Schule gelernt hat.

Wie müsste die TV-Klimaberichterstattung aufgebaut sein, um bei den Menschen mehr Aufmerksamkeit zu wecken?

Kelemen: Prinzipiell gehört Klimainformation genauso in den täglichen Wetterbericht eingebaut, wie die Temperaturen für morgen oder eine Wettervorschau. Allerdings neigen die Nachrichten dazu, viele Menschen damit zu überfordern und sie ganz einfach mit Meldungen zum Thema Klimawandel zu bombardieren. Ich bin nicht jemand, der den Klimawandel kleinredet, aber wir dürfen nicht den Fehler machen, dass alles, was auf dieser Welt passiert, immer sofort dem Klimawandel zuzuschreiben ist. Psychologisch führt das dazu, dass Menschen automatisch die Scheuklappen aufsetzen. An dieser Stelle möchte ich den „Klimaspiegel“ erwähnen. Der ist im ATV-Wetterbericht ein Fixelement, welcher das Wetter einordnet und darüber informiert, wie der jeweilige Tag zum für die Jahreszeit üblichen Wetter passt. Genau so muss Klimainformation kommuniziert werden. Es darf nicht mit dem Holzhammer daherkommen, sondern muss etwas unterschwelliger erfolgen. Die Bereitschaft Fakten aufzunehmen, ist dann höher.

Und wie wird der Wetterbericht in fünf bis zehn Jahren aussehen?
Kelemen: Ich glaube, dass generell Meteorologie immer wichtiger wird. Die Aufgabe von Wetterberichten wird zukünftig noch vielmehr darin liegen, vor eventuellen Naturgefahren, Hitzeoder Kältewellen, zu warnen. Es wird etwa spezielle Karten geben, die zeigen, wo man im Hochsommer nicht rausgehen sollte wegen zu hoher Temperaturen oder zu hohem UV-Index. Auch im Bereich der Unwetterwarnungen – allen voran Gewittern – wird sich noch viel entwickeln.

Christina Jauschnegg | Copyright: Julius Nagel