Operation „Parnass“ – Die Suche nach dem verlorenen Schatz

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Jahr für Jahr sorgen Fälle von Kunstdiebstahl oder -raub für Schlagzeilen, umso mehr, je kostbarer der „Schatz“ ist. SUMO sprach mit Otto Hans Ressler, Kunstexperte und Auktionator, und Petra Eibel, Leiterin der Kunstversicherungs-Abteilung ArtUniqa.

Kunstraub hat Konjunktur, sogar Hochkonjunktur, glaubt man den Statistiken, welche die internationalen Polizeibehörden und die Versicherungen zu diesem Thema regelmäßig veröffentlichen. Laut Verbrechensstatistik gilt Kunstdiebstahl in ihrer Schwere heute neben Rauschgift- und Waffenhandel als das lukrativste kriminelle Geschäft – mit nach wie vor steigender Zuwachsrate. Von der Antike bis zur Gegenwart wurden Kunstwerke gestohlen, um die eigene Habgier zu befriedigen, sei es, finanzielle Gewinne zu machen oder um einen Kriegsgegner zu demütigen. 

Die Mutter aller Kunstdiebstähle 

Es war ein spätsommerlicher Tag in Paris, an dem die TouristInnen durch die Stadt entlang der Seine flanierten oder im Park Bücher genossen. Die Menschen hielten sich lieber im Freien auf, als eines der zahlreichen Museen aufzusuchen – nichts deutete darauf hin, dass der 21. August 1911 in Kürze weltweit für Schlagzeilen sorgen sollte. Am helllichten Tag wurde aus dem größten Museum der Welt das wohl bekannteste Kunstwerk aller Zeiten entwendet. Unbekannte Täter hatten das Bild aller Bilder, Leonardo da Vincis Mona Lisa, aus dem Pariser Louvre gestohlen. Es war ein Montag, also Putztag, auch Handwerker gingen ein und aus, und mehr als 24 Stunden lang wunderte sich niemand über die leere Stelle an der Wand. Gelegenheitsdieb Vincenzo Peruggia versteckte sich über Nacht in einem Schrank, nutzte das Durcheinander um die morgendlichen Reinigungsarbeiten, nahm die Ikone und verschwand. Jahrelang wurde fieberhaft nach ihm gesucht und wild spekuliert bis zu dem Tag, an dem ein Kunsthändler in Florenz einen Brief von Peruggia bekam. In dem Schreiben behauptete dieser, die Mona Lisa aus Rache für den Raub Napoleons an der italienischen Kunst gestohlen zu haben. Als Gegenleistung forderte er 500.000 Lire, jedoch kam es nie zur Geldübergabe und der Meisterdieb wurde kurze Zeit später verhaftet.  

 

„Sara, bitte komm zurück“ 

Für ähnliche Rätsel sorgte am 11. Mai 2003 kurz vor vier Uhr morgens der Diebstahl der „Saliera“ aus dem Kunsthistorischen Museum in Wien. Die nur 26 Zentimeter große und auf einen Wert von mehr als 50 Millionen Euro geschätzte „Saliera“ von Benvenuto Cellini wurde mit Leichtigkeit aus dem Museum entwendet. Der Täter drang über ein Baugerüst in das Museum ein und zerschlug die Vitrine der Skulptur, der ausgelöste Alarm wurde von den Wächtern vorschriftswidrig ignoriert. Der Eindringling verschwand mit der vielleicht wertvollsten Goldschmiedearbeit der Renaissance. Mit diversen Erpressungsversuchen versuchte der Dieb an Geld zu kommen – zum allgemeinen Entsetzen drohte er, Cellinis Goldgefäß einzuschmelzen, sollte man ihm nicht 10 Millionen Euro zukommen lassen. Schließlich kamen ihm die Behörden auf die Schliche und konnten nach der Festnahme auch die vergrabene Saliera in einem Waldstück nahe Zwettl sicherstellen. „Der Raub der Saliera war das Ereignis, das in allen Museen dazu geführt hat, die Sicherheitsvorkehrungen zu überprüfen“, so Kunstexperte und Auktionator Otto Ressler, Gesellschafter der Ressler Kunst Auktionen. Unüberwindbar sind sie seitdem jedoch noch nicht, da das Problem ist, dass es lange dauern kann, bis der Diebstahl überhaupt entdeckt wird. (Das Wien Museum etwa zählt mehr als 1 Millionen Objekte.) 

 

Heutzutage verwerfen SkeptikerInnen die Theorie vom besessenen Sammler, dem verrückten Milliardär, der einen Auftrag erteilt und danach glücklich ist, wenn er seinen illegal erworbenen Picasso im Keller verstauen und ganz für sich anhimmeln kann. Der verrückte Milliardär ist eine Fantasiefigur, ein Mythos, der uns nur auf der Kinoleinwand präsentiert wird. In keinem der spektakulärsten Kunstdiebstähle der letzten sechs Jahrzehnte wurde ein/e Auftraggeber/in gefunden, der oder die einen Kunstraub um der Kunst willen bestellte. Diesen Typus, der sich vor der Welt versteckt, gibt es nahezu nicht, da es SammlerInnen geradezu danach drängt, ihre Bilder in aller Öffentlichkeit zu präsentieren. „Die geheime Sammlung gestohlener Kunstwerke ist eher ein Phänomen der Literatur“, so Petra Eibel. Kunst werde nicht aus Leidenschaft gestohlen, sondern wegen Erpressung, Geldgier, Betrug oder Dummheit. Allerdings sieht Otto Ressler bei den Dieben, die ein weltweit bekanntes Objekt stehlen, eigentlich nur eine Art, um an Geld zu gelangen – dem Artnapping, also die Versicherung so lange zu erpressen, bis diese das Lösegeld bezahlt. Hierbei sei der heikle Punkt das Szenario der Geldübergabe, woran letztlich auch der Dieb der „Salieragescheitert ist. Heutzutage komme es vor, dass viele Museen ihre Werke nicht mehr versichern, was Eibel nicht gutheißen kann, denn nur eine spezielle Kunstversicherung könne eine Lösung für gestohlene Kunstwerke anbieten, da kaum ein Objekt einen Diebstahl ohne Beschädigung übersteht. 

 

Aufklärung von Kunstdiebstählen  

„Die Medien sind von Kunstdiebstählen fasziniert und wenn ein Gemälde für ein paar tausend Euro gestohlen wird, ist das eine Meldung wert“, so Ressler. Jedoch ren bei der Aufklärung von Kunstdiebstählen in der Vergangenheit die Medien laut Eibel nicht maßgeblich beteiligt gewesen. Wegen der Datenschutzgrundverordnung dürfen allerdings auch keine Informationen nach außen gegeben werden. Versicherungen seien nämlich durchaus bereit, Hinweise, die zur Aufklärung des Verbrechens beitragen zu honorieren. Gerade mal zwei Kunstdiebstähle sind Ressler in Erinnerung, die Saliera und der kleine Renoir im Dorotheum. In beiden Fällen wurde in den Medien massiv berichtet, allerdings wurde seitens dieser auch hier kaum zur Aufklärung der Fälle beigetragen. Dass kein/e Betroffene/r – FahnderInnen, TäterInnen, Geschädigte, Versicherer – gern über Kunstdiebstahl spreche, habe unterschiedliche Gründe. Ein Diebstahl sei für Museen und eine/n Museumsdirektor/in eine der schlimmsten Nachrichten überhaupt, wovon auch der ehemalige Generaldirektor des Kunsthistorischen Museums, Wilfried Seipel, ein Lied singen könnte, da der Diebstahl der Saliera ihm letztlich den Kopf gekostet hat. „Die Geschädigten in den Museen – oder im Dorotheum – waren gegenüber den Medien überhaupt nicht kooperativ“, behauptet Ressler. Das Dorotheum habe gegenüber den Medien völlig zugemacht, was laut Ressler ein großer Fehler war, denn je weniger die Medien wirklich wüssten, umso mehr spekulierten sie. Es liegt am Fernsehen, warum unbekannte Kunstdiebe von der Topmeldung in der Nachrichtensendung über das Kleinformat bis an diese Stelle so sehr im Blickpunkt der Öffentlichkeit stehen, denn einmal mehr hat die Macht des Bildes gewonnen. Die FahnderInnen wissen, dass rund 80% der Kunstraub-Fälle nicht geklärt werden, da die Werke entweder verschwunden bleiben oder sie kehren hinter dem Rücken der Polizei zu den BesitzerInnen zurückkehren. Die Täter schließlich meiden das Licht der Öffentlichkeit, und nur selten bringt es einer von ihnen zu trauriger Berühmtheit, wie etwa der Franzose Stéphane Breitwieser, der über seine jahrzehntelangen Diebstähle 2006 eine Autobiografie publizierte. 

 

Dank Internet unverkäuflich? 

Wem könnte man ein weltbekanntes Gemälde von van Gogh oder Rembrandt ohne weiteres verkaufen? Solche Transaktionen werden in der Internet-Ära immer heikler. Durch Datenbanken wie etwa dem Art-Loss-Register (ALR), der weltweit größten Datenbank verlorener und gestohlener Kunstwerke, und die Polizei trägt spektakuläre Raubkunst rasch allerorts das Kainsmal der „heißen Ware“. Angesichts des von Interpol auf jährlich mehreren Milliarden Euro geschätzten illegalen Kunstgeschäfts wird mit Hilfe des Internet den DiebInnen und HehlerInnen auf diese Weise das Handwerk erschwert. Nichtsdestotrotz musste sich die Polizei in gewissen Fällen nur mit Teilerfolgen begnügen, da oftmals nur die Täter ausgeforscht wurden, die gestohlenen Werke aber nicht. Und investigativer Journalismus ist auf diesem Sektor rar. 

Von Klaus Ofner