Print-Probleme: Erlöse – oder Gehälter?

Finanzierungsprobleme durch sinkende Werbe- und Vertriebserlöse verursachen Sparmaßnahmen in Medienbetrieben. Im SUMO-Gespräch berichten die Geschäftsführer Gerald Grünberger vom Verband österreichischer Zeitungen und Andy Kaltenbrunner vom Medienhaus Wien über die Umbruchsituation in Printunternehmen.

„Der Standard“, „Kurier“ und „Die Presse“ haben nicht nur gemeinsam, dass sie als Tageszeitungen am österreichischen Markt vor allem der gedruckten Verbreitung redaktioneller Inhalte nachgehen, sondern sie stehen auch unter starkem ökonomischen Druck. Fortschreitende Digitalisierung machen es schwer, das Print-Geschäftsmodell in dieser Form fortzusetzen.

„Fragiles System“

Weiters kommt noch dazu, dass von den 15 Tageszeitungen in Österreich drei Tageszeitungen kostenlos zu erwerben sind („Heute“, „Österreich“, „Tiroler Tageszeitung kompakt“), wobei sich „Heute“ gänzlich über Anzeigenerlöse finanziert. Doch was würde passieren, wenn der österreichische Gesetzgeber beschließt, dass es keine Presseförderung oder sonstige ökonomisch nützliche Maßnahmen für Tageszeitungen mehr geben soll oder auch staatliche Institutionen nicht mehr durch Werbung eingreifen würden? Andy Kaltenbrunner, Geschäftsführer des Medienhauses Wien, spricht von einem fragilen System: „Wenn wir das durchspielen, müsste wahrscheinlich die Hälfte der derzeitigen österreichischen Tageszeitungen sofort zusperren.“ Kaltenbrunner ist fest davon überzeugt, dass Unternehmen mit Zeitungen in gedruckter Form in Zukunft nicht überleben werden.

Allerdings werden es einige Medienunternehmen durch neue Geschäftsmodelle schaffen am Leben zu bleiben mit Fokus auf das medienkonvergente Publikum. Menschen beziehen heutzutage je nach Präferenz und Tageszeitpunkt ihre Nachrichten mit den unterschiedlichsten Devices und aus mehreren verschiedenen Formaten. Und genau darauf müssen Medienbetriebe aller Art reagieren, indem sie ihre Inhalte auf allen Kanälen verbreiten und verkaufen, meint Kaltenbrunner.

Digitalisierung und ihre Folgen

Und selbst wenn die Nettoreichweite aller österreichischen Zeitungen im Jahr 2015 rund 69% betrug und Österreich in diesem Sektor laut dem „World Press Trends“-Bericht am sechster Platz im weltweiten Vergleich lag, kann davon ausgegangen werden, dass sich die Leserzahlen in den nächsten Jahren rückläufig verhalten werden. Der Transfer der LeserInnen von traditionellen Medientypen in die digitale Welt ist bei vielen Unternehmen laut Kaltenbrunner 10-20 Jahre zu spät realisiert und in das Geschäftsmodell einbezogen worden. Da die Publikationsformen Print und Online heutzutage nicht mehr voneinander zu trennen sind, bieten alle Zeitungen neben der papiergebunden Erscheinungsweise auch die digitale Form an, so Gerald Grünberger, Geschäftsführer des Verbands österreichischer Zeitungen (VÖZ).

Denn neben den sinkenden Vertriebserlösen stellt sich der Werbemarkt als zweite Problemquelle zur Refinanzierung der redaktionellen Kosten heraus. Aufgrund der Digitalisierung ergibt sich ein Angebotsüberschuss an Werbefläche, was per se noch kein Problem darstellt. Damit Werbungen im Onlinebereich mit einem Tausenderkontaktpreis (TKP) zwischen sechs bis 40 Euro denselben Erlös generieren, müssten im Vergleich zu einer ganzseitigen Anzeige in der „Kronen Zeitung“ unter der Woche mit einem TKP von 32.000 Euro sehr viel mehr Menschen erreicht werden. Zusätzlich sind Konkurrenten wie „Google“ oder Amazon auf dem Markt, die Werbung in großer Masse generieren, das einen Kostendruck bei den anderen Marktteilnehmern auslöst, analysiert Grünberger im SUMO-Gespräch.

Journalistengehalt

Weiter lässt sich aber auch ein Phänomen auf der anderen Seite erkennen: Die Arbeit der JournalistInnen hat sich – auch durch bessere Qualifikationen – in den letzten 30 Jahren stark verändert. Laut der empirischen Erhebung „Der Journalisten-Report“ hatten 2007 bereits ein Drittel aller JournalistInnen im Printsektor einen akademischen Grad. Hohe Personalkosten führen zu Kostendruck in Medienbetrieben – jedoch kann gerade der Erfahrungswert langgedienter, dadurch höher entlohnter JournalistInnen die Qualität steigern. Gleichzeitig wird von JournalistInnen immer mehr Leistung und größere Produktionsmengen für immer weniger Bezahlung im Vergleich zu vor 20 Jahren verlangt, meint Kaltenbrunner.

Die neuen Kollektivverträge für JournalistInnen, die vor drei Jahren von dem VÖZ und der Journalistengewerkschaft verhandelt wurden sollen den starken Kostendruck und somit Personalabbau mindern. Seit 2013 wird das steigende Alter der ArbeitnehmerInnen berücksichtigt. Dazu wurde, um die Kostenbelastung vor allem bei älteren MitarbeiterInnen zu dämpfen, festgelegt, dass die Gehaltskurve im Alter abgeflacht wird. Laut derzeit gültigem Kollektivvertrag verdient ein/e Redakteur/-in im ersten Jahr 2.185 Euro, im zweiten 2.285 Euro und im dritten 2.385 Euro, danach tritt eine „Regelstufe“ mit 2.610 Euro ein. Die Bezüge werden vierzehn statt bei Altverträgen fünfzehn Mal pro Jahr ausgezahlt. Der VÖZ-Geschäftsführer garantiert, dass den JournalistInnen effektiv kein Geld wegenommen wird. Jedoch werden Onliner häufig nicht nach dem Journalisten-KV, sondern nach anderen, niedrigeren Kollektivverträgen entlohnt. Der Politikwissenschaftler, Medienforscher und -berater sowie ehemalige Journalist Andy Kaltenbrunner sieht diese Maßnahme als ebenso sinnvoll, aber: „Jetzt ist das ein minimaler Beitrag, der viel zu spät kommt. Das Berufsfeld und die ganze Situation haben sich so sehr verändert, dass es nicht mehr darauf ankommt, ob man die Gehaltskurve in 20 Jahren um ein paar Prozent abflachen wird. Das löst die akuten Probleme so gut wie gar nicht.“

Qualitätsjournalismus, wie man ihn kennt, wird es auch in Zukunft geben. Allerdings in anderen Ausrichtungen (z.B. mehr magazin-ähnliche Hintergrundberichte) und mit neuen Geschäftsmodellen. Es wird zu einer noch stärkeren Verlagerung der journalistischen Kompetenz in den Online-Bereich bei allen Medienunternehmen kommen. Die große Herausforderung ist es jetzt einen Mehrwert für RezipientInnen zu erzielen, die auf gut recherchierte, aktuell aufbereitete und unabhängige Berichterstattung Wert legen und bereit sind, auch mehr Geld dafür auszugeben.

Von Madeleine Wolfinger / Foto: (C) Roland Steiner / Leave a Comment