Der Umstieg auf Distance Learning, Homeschooling oder wie auch immer man es nennen mag vor nun fast drei Jahren war abrupt. Und während sich indessen vor allem Student*innen auf den Hybrid-Modus, also Vorlesungen in Präsenz und Online gemischt, eingestellt haben, bleiben Fragen zum Medieneinsatz oft unbeantwortet. Fragen wie: Welche Programme werden/wurden für den Online-Unterricht verwendet? Wie fiel die Entscheidung auf bestimmte Programme? Wie funktioniert Unterricht digital? Fragen, die innerhalb weniger Tagen, wenn nicht sogar Stunden, nach Lockdown-Verkündung im März 2020 ein großes Maß an Kreativität brauchten, um akzeptable und vor allem lösungsorientierte Antworten zu liefern. SUMO hat es sich zur Aufgabe gemacht die Umstellung vom herkömmlichen Unterricht auf das virtuelle Klassenzimmer beziehungsweise den Vorlesungssaal noch einmal genauer im Hinblick auf den Medieneinsatz unter die Lupe zu nehmen und hat darüber mit der Lehrerin des BG/BRG Tulln Elisabeth Magyar und Elementarpädagogin Julia Hiesinger gesprochen.
von Tobias Fellinger
„Schon wieder das Thema?“, „Interessiert eh keinen mehr“ oder „Fallt euch nix G’scheiteres ein?“ sind oft Phrasen, die nach einer nun knapp dreijährigen Leidenszeit der Pandemie bei Treffen mit Freund*innen und Familie oder unter Beiträgen in sozialen Medien zu hören beziehungsweise zu lesen sind. Und ja, auch dieser Artikel betrachtet das Thema Corona – wenn doch aus einem anderen Blickwinkel. Beispielsweise bleiben Erfahrungswerte von den Lehrenden in Diskussionen um Distance Learning meist unbeachtet. „Das, was hervorzuheben ist, ist der erhöhte Arbeitsaufwand“, unterstreicht Elisabeth Magyar ihre Antwort über ihre Anfänge nach dem gezwungenen Umstieg auf Online-Unterricht. Vor allem für das Geben von Feedback mussten statt der bewährten Face-to-Face-Kommunikation andere Kommunikationswege herhalten. Für persönliche Feedback-Gespräche musste sie nämlich oft den Weg über digitale Plattformen wie Moodle oder Teams zur Kontaktaufnahme mit Schüler*innen nehmen. Für jenes, was sonst meist im Rahmen der Unterrichtsstunden erledigt werden konnte, musste nun plötzlich zusätzliche Zeit in Anspruch genommen werden, um den/der Schüler*in über den aktuellen Notenstand oder den (negativen) Ausgang einer Schularbeit zu informieren. Eine (teilweise oder temporäre) Schließung der Betreuungseinrichtungen stellte die Eltern vor die Herausforderung, die Betreuung und Organisation eines individuellen „Klassenzimmers“ selbst zu organisieren. Und dazu zählt selbstverständlich auch das Zurverfügungstellen der nötigen Endgeräte. Ein solches Dilemma erforderte für lösungsorientierte Ansätze, kurz vor dem ersten Lockdown, ein großes Maß an Kreativität – und Geld.
Die Qual der Wahl
Die verwendete Hardware ist die eine Ebene, die andere ist die für ein organisiertes Remote-Teaching benötigte Software. Nach rund drei Jahren Pandemie fallen den meisten Personen, die Berührungspunkte in diesem Bereich aufweisen, nicht wenige Name von Programmen ein, wenn auch Microsoft Teams laut ZDNet.de mit 250 Millionen monatlichen aktiven Nutzern (Stand: April 2021) zu den bekanntesten zählt. Schulen hatten die Aufgabe den Schüler*innen die nötige Richtlinie vorzuschreiben, welche Programme verwendet werden mussten oder sollten. Dabei gingen Schulen sehr unterschiedlich vor. Elisabeth Magyar sagt dazu folgendes: „Nach Anordnung des Bildungsministeriums stellte uns das BG/BRG Tulln die Aufgabe, den Unterricht digital fortzusetzen. Anschließend konnten Lehrer*innen für sich selbst entscheiden, welche Kommunikationswege oder Programme dafür genutzt werden.“ Somit ergab sich ein Dreigespann aus Schule, Lehrer*innen und Schüler*innen mit ungleichen Anweisungen. Es oblag den Lehrer*innen zu entscheiden, wie sie ihren Unterricht digital organisierten und welche Programme die Schüler*innen auf ihren Rechnern zu installieren und zu benutzen hatten. Um dieser Uneinheitlichkeit entgegenzuwirken, unternahm der Klassenvorstand folgendes: „Für meinen damals jungen Jahrgang habe ich eine Liste aller Klassen, Lehrern und aller Fächer zusammengestellt, die auf einem Blick vermittelte, wie die jeweiligen Lehrkräfte zu erreichen sind und mit welchen Programmen sie arbeiten.“ Ein Policy Brief der Agenda Austria inmitten des ersten Corona-Jahres betrachtete es als sinnvoll sich für ein bestimmtes Tool schulintern oder am besten auf Bezirks- oder Bundesebene zu einigen, hebt zugleich aber die große Auswahl an bereits ausgereiften Programmen wie das eingangs erwähnte „Moodle“, „Canvas“ oder „Blackboard Learn“ hervor.
Die Pädagogik dahinter
Vor allem für Kinder der Unterstufe war der Übergang vom Klassenzimmer zum Rechner im Kinderzimmer einschneidend. Das verdeutlicht auch eine Go-Student-Studie aus dem vergangenen Jahr. Es wird angeführt, dass der mangelnde Kontakt zu Freund*innen mit 63 Prozent der befragten Kinder zu den größten Herausforderungen zählte. Außerdem hatten 34 Prozent der teilnehmenden Schüler*innen Konzentrationsschwierigkeiten und 23 Prozent gaben zudem auch an, Verständnisschwierigkeiten aufgrund des Online-Unterrichts erfahren zu haben. Somit war für Lehrer*innen neben dem vermehrten Arbeitsaufwand auch das Aufrechthalten der Motivation und die Verbesserung der Lernatmosphäre innerhalb einer Klasse mit einem Mehraufwand verbunden. Aushilfe verschafften unter anderem digitale Whiteboards von Miro oder Conceptboard. „Solche Programme bringen Abwechslung in den schulischen Alltag zu Corona-Zeiten und geben den Kindern die Möglichkeit sich aktiv einzubringen und den Unterricht kreativ zu folgen“, erklärt Hiesinger, Pädagogin und Leiterin eines Kindergartens im Bezirk Tulln.
Blick in die Zukunft
Nach insgesamt vier bundesweiten Lockdowns und hunderten von Stunden an angesammelter Online-Zeit durch virtuellen Lerneinheiten stellt sich nun die Frage: Wie geht/ging es weiter? „Wir als Lehrende wollten so schnell wie möglich wieder zurück zu Präsenzunterricht, denn nur im echten Klassenraum kann die höchste Qualität des Unterrichts erreicht werden.“, so Magyar. Aber Überreste wie die Lernplattform Moodle sind geblieben, ergänzt der Klassenvorstand. Das Verwenden einer digitalen Plattform geht mit einigen Vorteilen einher. Kinder wachsen mit digitalen Medien auf und können sich so schon früher mit der nicht-analogen Selbstorganisation vertraut machen. Dazu können Informationen und die Kommunikation besser strukturiert werden, Möglichkeiten für orts- und zeitunabhängiges und vor allem individualisiertes Lernen geschaffen oder das Lernen und Lehren besser eingeschätzt und bewertet werden. Fakt ist, dass Schulen interne mediale Infrastrukturen benötigen, um einen erneuten, chaotischen Umstieg durch Lockdowns einer Pandemie oder aufgrund anderer Gründe weitgehend vermeiden zu können.
von Tobias Fellinger
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