Die Welt der „Royals“ ist eine Traumfabrik, die selbst Hollywood in den Schatten stellt. Hochzeiten, Schwangerschaften und Todesfälle von Adeligen, das beschäftigt. Auch heute noch – und auch in Ländern, deren monarchische Zeit längst vergangen ist. Die moralischen Grenzen in der Adelsberichterstattung sind dabei nicht immer ganz klar. Welche gesetzlichen Regelungen gibt es für Medien eigentlich? Und kann Adelsberichterstattung auch ohne erfundene Geschichten auskommen? Eine Adelsexpertin und ein Medienjurist geben die Antworten.
Ein Brautpaar schreitet aus der Londoner Westminster Abbey, ein glückliches Lachen in den Gesichtern. Für einen Augenblick sind die beiden noch frisch vermählte Ehepartner, im nächsten schon künftiger König und Königin des Vereinigten Königreiches von Großbritannien und Nordirland. Spätestens als die tausenden Schaulustigen in aufgeregten Jubel verfallen, ist klar: Die Faszination für das, was am 29. April 2011 im Herzen der britischen Hauptstadt passiert, ist riesengroß. Doch woran liegt das? Am Prinzen in seiner roten Uniform der Irish Guards? Am Hochzeitskleid seiner Gemahlin? Zugegeben: Da hat es schon imposantere gegeben. Trotzdem ist die Schleppe mit ihren 2,7 Metern gerade lang genug, der Spitzenstoff gerade fein genug und der Rock gerade weiß genug, um der ideale Stoff zu sein, aus dem Märchen gemacht werden.
Mediale Berichterstattung über Adelige hat nicht nur in den jeweiligen Ländern ihre Anhänger. Der Tod von Prinz Philip, Herzog von Edinburgh, im April hat das einmal mehr klar gemacht. Medien rund um den Globus haben darüber berichtet – das liegt nicht nur daran, dass das britische Commonwealth weite Teile des Erdballs umfasst. Auch in Österreich schaffte es der Prinzgemahl nach seinem Ableben auf das Titelblatt der „Kronen Zeitung“, seine Trauerfeier wurde im ORF live übertragen. Woran diese Begeisterung für Adelige liegt und welch eine Gratwanderung die Berichterstattung über sie sein kann, hat SUMO mit Anika Helm besprochen.
Mehr als „erfundene Dramen“
Sie hat 2017 die Online-Seite ADELSWELT.de gegründet. Zuvor war sie Journalistin in anderen Promi- und Adelsredaktionen, deren Art der Berichterstattung habe ihr aber nie wirklich gefallen, wie sie heute sagt: „Es ging permanent nur um irgendwelche (erfundenen) Dramen. Mir als Fan fehlte die Wertschätzung für die Royals.“ Ein Fan, das wurde sie schon in jungen Jahren. „Meine Oma hat schon immer die bunten Blätter gelesen und mich mit ihrer Begeisterung angesteckt“, erinnert sie sich. Bücher über Königshäuser standen bei Anika Helm schon im Kindesalter im Bücherregal: „Ich muss etwa zehn Jahre alt gewesen sein, als ich die ersten Bücher über Marie-Antoinette in die Hände bekam und regelrecht verschlungen habe.“ Seitdem lasse sie das Thema nicht mehr los. Auf ADELSWELT versucht sie, „die Dinge anders zu machen“ als einige der bunten Blätter.
Auf Themen wird Anika Helm durch aktuelle Nachrichten aufmerksam, greift inzwischen aber auch schon einiges aus Sozialen Medien auf. „Die Royals teilen dort selbst gerne persönliche Geschichten. Das sind Informationen aus erster Hand“, erklärt sie. Auch LeserInnen und alte Adelsbücher regen Anika Helms Kreativität an: „Ich habe sicher noch 200 Themen liegen, die ich gerne einmal machen möchte. Mir fehlt es eher an der Zeit als an Ideen.“ Thematisch gibt es freilich auch manch verlockende Adelsgeschichte. „Gerade dieser vermeintliche Streit zwischen Herzogin Catherine und Herzogin Meghan hat sehr viele Leute interessiert“, erklärt sie. KollegInnen hätten sich damit „eine goldene Nase verdient“, das könne schon verlockend sein. Aber: „Ich habe versucht, das Thema auf ADELSWELT kleinzuhalten und habe eher die Berichterstattung der Medien hinterfragt.“ Die größte Herausforderung sei, für sie vertretbare Geschichten aus der Flut an Informationen herauszufiltern – also die Spreu vom Weizen zu trennen. Dann sei ihr wichtig, sich selbst zu hinterfragen, erzählt Anika Helm: „Ist das, was ich berichte, fair und angebracht? Mache ich meinen Job gut? Steht ADELSWELT für die Werte, die mir wichtig sind?“ Auch das sprichwörtliche Spiegelvorhalten der LeserInnen helfe, wenn sie Gefahr laufe, diesen inneren Kompass zu verlieren.
Aufmerksamkeit durch erfundene Stories?
Der innere Kompass von Anika Helm schlägt dann an, wenn es zum Beispiel um die angebliche Schwangerschaft der niederländischen Königin Maxima geht – im Alter von 50 Jahren. Dass auf Geschichten wie diese gesetzt wird, liege nicht nur an den Medien, die sie erzählen: „Die Redaktionen, die teilweise einen hohen wirtschaftlichen Druck verspüren, produzieren das, was sich verkauft. Wäre also die Nachfrage nach solchen Geschichten nicht so groß, wäre die Berichterstattung wohl anders“, erklärt sie. Mit ADELSWELT versuche sie, mehr als das zu bieten. Deshalb ist die Seite kein klassisches Klatsch- und Tratsch-Portal, Anika Helm hinterfragt auch die Berichterstattung anderer Medien immer wieder – und greift Gerüchte manchmal explizit auf, um sie zu widerlegen. Zum Beispiel? „Die Geschichte, dass Prinz William Krebs haben soll. Ich möchte, dass die Menschen, die danach googeln, erfahren, was wirklich dahintersteckt.“ Ein Qualitätskriterium ist sicher auch das Bemühen um Angabe der Quellen auf ADELSWELT. Dadurch können die LeserInnen nachvollziehen, woher die Infos kommen, betont Anika Helm: „Viele LeserInnen schätzen meine Herangehensweise sehr und mögen meine Art der Berichterstattung. Und auch einige Royals haben sich schon bei mir bedankt.“
Nicht alles ist gesetzlich erlaubt
Wenn Adelsberichterstatter wie Anika Helm ihrer Tätigkeit nachkommen, haben sie auch in gesetzlicher Hinsicht einiges zu beachten: Urheberrechte, Persönlichkeitsrechte. „Es gibt grundsätzlich zwei Arten von Schutzmöglichkeiten für Personen, über die berichtet wird“, sagt der Wiener Rechtsanwalt Niki Haas. Er hat sich unter anderem auch auf Medienrecht spezialisiert. Die Schutzmöglichkeiten des Medienrechtes – das sind das Fordern von Schadenersatz für Verletzungen der Persönlichkeitsrechte, etwa wenn es in einem Medium zu übler Nachrede, Beschimpfung, Verspottung oder Verleumdung kommt. „Mit dieser Entschädigung kann auch eine Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereiches geltend gemacht werden“, erklärt er. Aber: Was dieser „höchstpersönliche Lebensbereich“ ist, könne letztendlich jeder selbst definieren. Grundsätzlich umfasse er Bereiche wie das intimste Privat- und Familienleben, Liebesbeziehungen – aber auch den Gesundheitszustand. Mit Unterlassungsverfahren kann gleichzeitig auch zivilrechtlich vorgegangen werden. „Vereinfacht gesagt: Sachverhalte, die man medienrechtlich mit einem Entschädigungsverfahren geltend machen kann, können zivilrechtlich in einem Unterlassungsverfahren behandelt werden“, erklärt Haas.
Eigene gesetzliche Regelungen gibt es auch fürs Veröffentlichen von Lichtbildern eines Betroffenen. Der Fachausdruck: „Recht am eigenen Bild“. Konsequenzen in Form einer Unterlassungsklage oder Schadenersatzforderungen habe eine Veröffentlichung eines Bildnisses nur dann, wenn berechtigte Interessen des Abgebildeten verletzt werden, sagt Niki Haas: „Nicht jede Veröffentlichung des Bildnisses eines Betroffenen bringt gleich einen Unterlassungsanspruch mit sich.“ Nicht unwichtig – sowohl für Berichterstatter als auch für Betroffene – ist Paragraf 9 des Mediengesetzes, in dem das „Recht auf Gegendarstellung“ geregelt ist: „Die Gegendarstellung kann ein Betroffener dann fordern, wenn es zu einer unwahren Tatsachenmitteilung kommt. Es geht nicht unbedingt darum, dass er in einem Persönlichkeitsrecht verletzt werden muss. Es geht um eine nüchterne Richtigstellung der Tatsachen“, erklärt Haas. Was das gesetzlich Erlaubte in der Praxis häufig überschreite, seien sogenannte Hass-Postings mit Beschimpfungen oder üblicher Nachrede.
Schwer zu stoppen, wenn es draußen ist
Mögliche Rechtsverletzungen zu verhindern, das sei nicht ganz einfach, sagt Rechtsanwalt Niki Haas. Weil: „Von einer Rechtsverletzung erfährt man in der Regel erst, wenn es bereits passiert ist. Wenn etwas draußen ist, dann ist es draußen und man kann es nicht mehr zurückholen.“ Außerdem ist es nicht mehr so einfach, die Verbreitung zu stoppen. Insbesondere dann, wenn Berichte online erschienen sind. Das Internet vergisst nicht. „Das ist natürlich sehr belastend für die Betroffenen“, betont er. Wenn JournalistInnen über Vorwürfe gegenüber Personen berichten, gilt freilich ihre Sorgfaltspflicht. Sprich: Den Betroffenen mit dem Vorwurf zu konfrontieren. „Bedauerlicherweise kommt es in der Praxis immer wieder vor, dass JournalistInnen diese Sorgfaltspflicht nicht wahren“, weiß der Anwalt.
Häufig sind es angebliche Affären von adeligen Personen, über die in verschiedenen Medien berichtet wird – thematisch wird es also mitunter intim. „Grundsätzlich ist jede Berichterstattung über Themen wie dieses eine Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereiches“, sagt Niki Haas. Betroffene hätten dann einen Unterlassungsanspruch. Verglichen mit anderen Ländern bewertet er die Berichterstattung österreichischer Medien über solch intime Themen als „relativ zurückhaltend. Wahrscheinlich auch, weil die Medien wissen, dass das eindeutige Fälle sind, die man normalerweise verliert.“ Dass die gesetzlichen Regelungen gegenüber Großbritannien oder den USA in Österreich strenger sind, sei gut so, meint Haas. Grundsätzlich gelte aber: „Je mehr eine Person selbst in die Öffentlichkeit drängt, desto mehr muss sie sich gefallen lassen. Man kann auch als Adeliger sehr in die Öffentlichkeit drängen oder sich zurückhalten“, betont er.
Bleibt zum Schluss nur noch die Frage: Was fasziniert die Menschen an den Royals? Dass die Welt von Prinzen und Prinzessinnen etwas Besonderes ist, verinnerliche man schon früh, sagt Adelsexpertin Anika Helm: „Die meisten von uns sind mit Märchen aufgewachsen.“ Sie seien allgegenwärtig, begleiten das öffentliche Geschehen über Jahrzehnte. Und: „Wir dürfen bei den Hochzeiten, Taufen, Beerdigungen dabei sein. Obwohl sie auf der einen Seite unnahbar und erhaben sind, wecken sie gleichzeitig familiäre Gefühle.“ All das müssen eben die idealen Stoffe sein, aus denen Märchen gemacht werden.
Von Anna Hohenbichler