Wenn private Daten in den Medien landen

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Nicht nur im privaten Bereich gehören soziale Netzwerke zum Alltag, auch im Berufsleben finden sie immer öfter Anwendung. So nutzt auch der Journalismus diese Netzwerke zu seinem Vorteil – oft jedoch auf Kosten anderer. Über dieses Thema sprach SUMO mit Peter Grotter, Ressortleiter für Gericht und Recht bei der Kronen Zeitung, und Matthias Schmidl, Stellvertretender Leiter der Datenschutzbehörde Österreich. 

Im November 2016 führte der Trendradar der APA-OTS gemeinsam mit dem Marktforschungsinstitut „meinungsraum.at“ eine Umfrage unter österreichischen JournalistInnen zu ihrer heutigen Arbeitsweise durch. Dabei wurde unter anderem erfasst, wie die tägliche Recherchearbeit aussieht und mit welchen Quellen JournalistInnen bevorzugt arbeiten. Es ist nicht verwunderlich, dass bereits im Jahr 2016 fast 30% der Befragten häufig in sozialen Netzwerken recherchierten. Dabei lag Facebook ganz klar an erster Stelle, gefolgt von Twitter und YouTube. Auch berufliche Plattformen wie Xing oder LinkedIn wurden teilweise für Recherchezwecke genutzt. Knapp die Hälfte der befragten JournalistInnen gab an, die so gewonnenen Informationen schließlich auch häufig (10%) oder gelegentlich (38%) in Ihre journalistischen Beiträge einzubinden. Es ist zu vermuten, dass diese Zahlen in den letzten Jahren noch zugenommen haben. Daraus resultiert die Frage, ob Recherche in sozialen Netzwerken und die Veröffentlichung der daraus gewonnenen personenbezogenen Daten überhaupt zulässig ist. 

 

Opferschutz muss berücksichtigt werden 

Peter GrotterRessortleiter für Gericht und Recht bei der Kronen Zeitung, ist nun bereits seit 44 Jahren als Journalist tätig. Seine Erfahrungen bezüglich der Verwendung von sozialen Medien als Rechercheplattformen? Besonders im Gerichtsressort sei das keine gängige Vorgehensweise von JournalistInnen, so Grotter. Eberichte über Straftaten mit TäterInnen und Opfern, dabei seien ihm soziale Netzwerke keine große Hilfe. Wenn Grotter Genaueres über die Betroffenen in Erfahrung bringen möchte, befrage er sie oder deren Anwalt/Anwältin höchstpersönlich. Das ginge dann sogar so weit, dass er sie in Haftanstalten besuche. In Bezug auf Opfer-Berichterstattungen habe sich in seiner langjährigen Laufbahn als Journalist viel geändert. Früher sei es nichts Unehrenhaftes gewesen, ein Opfer zu sein, Berichterstattungen in diesem Bereich waren also durchaus legitimMittlerweile seien Opfer speziell geschützt, wodurch sich auch Berichte über solche Ereignisse schwieriger gestalten. Grundsätzlich sei es aber erlaubt, den Namen und das Bild eines Opfers zu veröffentlichen, solange nichts über den höchstpersönlichen Lebensbereich der Person preisgegeben werde. Auch bei Mordprozessen bringe die „Kronen Zeitung“ immer wieder Bilder der Angeklagten. Je massiver der Vorwurf sei, desto eher dürften auch Name und Foto der TäterInnen veröffentlicht werden. Solange im Bericht die Unschuldsvermutung der TäterInnen eingehalten werde, sei das laut Grotter kein Problem. Generell halte sich die „Kronen Zeitung“ sehr genau an das Medienrecht, wodurch es auch nur wenige Medienverfahren im Haus gäbe. 

 

Ehrenkodex als Richtlinie 

Der Österreichische Presserat sieht seine Zuständigkeit in der Qualitätssicherung und Wahrung der Pressefreiheit in unserem Land. Der Ehrenkodex des Presserates stellt dabei eine Richtlinie für die journalistische Arbeit dar und legt Grenzen und Regeln in diversen Bereichen fest. Neben gewissenhafter Recherchearbeit und korrekter Veröffentlichung beinhaltet der Ehrenkodex auch Regeln zu Persönlichkeitsschutz und Intimsphäre. Grundsätzlich gilt es, die Würde von Personen zu wahren und deren Intimsphäre zu schützen. Vor allem Opfer von Unfällen und Verbrechen muss Anonymität gewährt werden, sofern diese nicht allgemein bekannt sind oder selbst in die Veröffentlichung einwilligen. Auch Kindern und Jugendlichen fällt ein besonderer Schutz zu, wenn über sie berichtet werden soll. Der Presserat appelliert hier an die Medien, das öffentliche Interesse an diesen Berichten besonders kritisch zu prüfen. Dieses ist laut Presserat gewährt, wenn es um die Aufklärung schwerer Verbrechen geht, die unmittelbare Sicherheit der Bevölkerung bedroht ist oder eine Irreführung der Öffentlichkeit verhindert werden kann. Nun ist dieser Ehrenkodex lediglich eine Richtlinie zur Wahrung der Berufsethik, das bedeutet, bei einem Verstoß gegen den Kodex drohen keine rechtlichen Folgen. Der Presserat kann das betroffene Medium zwar auffordern, die Entscheidung des Rates freiwillig zu veröffentlichen, jedoch auch nicht mehr. 

 

Zwiespalt im Datenschutzgesetz 

Im Mai 2018 wurde die neue Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) erlassen, welche das Datenschutzrecht in ganz Europa vereinheitlichen sollte. SUMO fragte Matthias Schmidl, den stellvertretenden Leiter der Datenschutzbehörde Österreich, inwiefern die DSGVO Medien und vor allem den Journalismus betrifft. „Das grundsätzliche Problem ist, dass Medien weitgehend von den Bestimmungen des Datenschutzgesetzes und der DSGVO ausgenommen sind, weil sonst eine journalistische Berichterstattung nicht sinnvoll möglich wäre. Der Journalismus stütze sich auf das Recht der freien Meinungsäußerung, dieses stehe allerdings teilweise in Widerspruch zum Recht auf DatenschutzSowohl die DSGVO als auch ihr Vorgänger, die Datenschutzrichtlinie, fordern die EU-Mitgliedstaaten dazu auf, diese beiden Rechte miteinander in Einklang zu bringen. Wenn sich in Österreich jemand durch journalistische Berichterstattung in seinem Recht auf Datenschutz verletzt sehe, habe, laut Schmidl, die Datenschutzbehörde keine Zuständigkeit dafür. In solchen Fällen müssten Gerichte diese beiden Grundrechte auf Basis des Mediengesetzes gegeneinander abwägen und entscheiden, welchem Recht der Vorrang einzuräumen sei. Grundsätzlich käme es bei der Datenschutzbehörde jedoch eher selten vor, dass jemand Beschwerde gegen ein Medium erhebt. 

 

Eingriff in den höchstpersönlichen Lebensbereich 

Nun bleibt also als rechtliche Grundlage für solche Fälle noch das Mediengesetz. Dieses beinhaltet im dritten Abschnitt diverse Richtlinien zum Schutz der Persönlichkeit. Erfährt eine Person durch ein Medium zum Beispiel zu Unrecht üble Nachrede, Beschimpfung oder gar Verspottung, kann die betroffene Person eine Entschädigung vom Medieninhaber verlangen. Vor allem bei der Bekanntgabe der Identität eines Opfers bzw. eines/r Täters/in ist Vorsicht geboten. Sollten durch die Veröffentlichung eines Fotos oder Namens schutzwürdige Interessen einer Person verletzt werden, drohen MedieninhaberInnen hohe Entschädigungszahlungen. Schutzwürdige Interessen beinhalten zum Beispiel einen Eingriff in den höchstpersönlichen Lebensbereich oder eine herbeigeführte Bloßstellung des Opfers. Ob so ein Eingriff in den persönlichen Lebensbereich auch die Recherche in sozialen Netzwerken und Verwendung der dort gesammelten Informationen beinhaltet, ist fraglich. Sicher ist jedoch, dass Betroffene ein Recht auf Persönlichkeitsschutz haben und dieses auch einklagen können. 

 

„Viele Selfies. Im Internet auf mehreren Profilen“ 

Beispiele für die Veröffentlichung von privaten Fotos aus sozialen Netzwerken liefert unter anderem die Tageszeitung „Österreich“. So erschien am 22. Oktober 2018 ein Artikel, der von einem Frauenmord in Zell am See berichtet. In dem Artikel finden sich mehrere unverpixelte Fotos der ermordeten Frau. Der Bericht und die Fotos wurden unter anderem auch auf oe24.at veröffentlicht. Die Bildbeschreibung „Viele Selfies. Im Internet auf mehreren Profilen“, lässt darauf schließen, dass diese Fotos aus einem oder mehreren persönlichen Accounts in sozialen Netzwerken stammen. Zusätzlich zu den Fotos der Frau, wurden auch ihre Vorliebe für Gangsta-Rap, ihre Nicknames im Internet und die Anzahl ihrer Instagram Follower veröffentlicht. Der Presserat griff den Vorfall auf und stellte fest, dass die Veröffentlichung der unverpixelten Fotos in die Persönlichkeitssphäre des Mordopfers eingriff. Zur Herkunft der Fotos und der erwähnten persönlichen Daten wurden keine Anmerkungen gemacht. Die Tageszeitung wurde vom Presserat dazu aufgefordert, die Entscheidung freiwillig zu veröffentlichen, rechtliche Konsequenzen gab es keine. 

 

Politische Stellungnahme 

Die letzten großen Änderungen des Mediengesetzes liegen nun schon eine Weile zurück. Die Einführung der DSGVO hat das Thema Datenschutz zwar grundsätzlich wieder neu aufgerollt, doch in Bezug auf Veröffentlichung privater Daten hat sich für Medienunternehmen in Österreich wenig geändert. Die derzeitige Medienpolitik der Regierung sieht vor, auf die Veränderungen der Rahmenbedingungen durch die fortschreitende Digitalisierung angemessen zu reagieren. Eine Passage des aktuellen Regierungsprogrammes lautet: „In der digitalen Welt müssen die gleichen Prinzipien gelten wie in der realen Welt!“ Hierbei bezieht sich die Regierung vor allem auf das Thema Hass und Gewalt im Netz, ob jedoch auch Bereiche wie Privatsphäre und Persönlichkeitsrecht bedacht werden, ist unklar. Wie es scheint, stellt die journalistische Veröffentlichung von privaten Daten aus sozialen Netzwerken für die Politik zurzeit jedoch kein großes Problem dar. 

 

von Christina Glatz