Wie Schlager von Helene Fischer und Co. auf den Menschen wirken  

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Egal ob Helene Fischer, Andreas Gabalier oder Beatrice Egli: Nahezu jedem/r sind diese Namen ein Begriff. Mit ihren Hits erreichen sie nicht nur Millionen von Menschen, sondern füllen ganze Stadien. 

Doch welche genauen Wirkungen auf den Menschen haben eigentlich die Schlagersongs dieser Stars? SUMO interviewte dazu Schlagerexperte Andy Zahradnik und Wirkungsforscher sowie Musikpsychologe Felix Thiesen (Univ. Würzburg).   

Laut der Allensbacher Markt- und Werbeträgeranalyse haben sowohl im Jahr 2018 als auch 2019 rund 14,9 Millionen Deutsche die Musikrichtung Schlager besonders gerne gehört. Neben Oldies, Pop und Rap ist die Schlager-Musik einer der beliebtesten Musikgenres der Menschen. Wirkungsforscher sowie Musikpsychologe Felix Thiesen bestätigt diesen Trend: „Die Zielgruppe des Schlagers ist nach wie vor sehr groß und divers. In das Genre sind insbesondere in den letzten zehn Jahren viele sehr unterschiedliche, musikalische Stilmittel eingegangen. Neben der Verständlichkeit der deutschsprachigen Texte ist es sicherlich diese Vielgestaltigkeit, die viele SchlagerhörerInnen anspricht.“ Dass Schlager sowohl ältere als auch jüngere Menschen fasziniert, zeigt ebenso eine Analyse des Marktforschungsinstitutes Spectra. Bei einer Befragung von 1.024 ÖsterreicherInnen im Jahr 2018 haben 30% der 30- bis 49-jährigen und 64% der 50- bis 65-jährigen angegeben, dass dieses ihr liebstes Musikgenre ist. Der Wiener Schlagerexperte Andy Zahradnik fügt ergänzend hinzu, dass sich mehrere Generationen für unterschiedliche Schlagerrichtungen interessieren. Während der klassische Schlager von zum Beispiel Andy Borg eher für ältere interessant sei, bewege jüngere Menschen vor allem der volkstümliche und Pop-Schlager von unter anderem Melissa Naschenweng und Andreas Gabalier.   

Modernisierung  

„Wie alles in der Musikwirtschaft hat sich auch der Schlager über die Jahre hinweg verändert“, erklärt Andy Zharadnik. An besonders großer Beliebtheit erfreute sich der Schlager erstmalig in den 1950er Jahren. Im Laufe der Zeit haben allerdings andere musikalische Spielarten und Tendenzen zur Modernisierung auf dieses Musikgenre eingewirkt. Durch verschiedene junge und moderne Treiber, wie zum Beispiel Melissa Naschenweng, Andreas Gablier oder Kerstin Ott, wurden der Schlager und die Themen die darin vorkommen stark verjüngt. Zudem spielte auch die Unterhaltung im Bereich des Schlagers im Laufe der Zeit eine immer bedeutsamere Rolle. Orte wie der „Ballermann“ und diverse Après-Ski-Hütten wurden unter anderem zum Mittelpunkt dieser Musikrichtung. Neben all dem hebt Zahradnik ebenfalls die Veränderungen der Wertschöpfungskette von Schlagersongs hervor. Während der klassische Schlager nach wie vor auf das Hauptverkaufsprodukt CD setze, fokussiere sich der volkstümliche und Pop-Schlager auf verschiedene Streaming-Plattformen. Grund dafür sind die diversen Zielgruppen, die einen unterschiedlichen Zugang zu den Schlagersongs und der Digitalisierung aufweisen. Darüber hinaus betont Zahradnik, dass sich auch die mediale Begleitung des Schlagers über die Jahre hinweg verändert habe. Heutzutage spielen Schlagerhits lediglich eine untergeordnete Rolle in diversen Fernsehshows, denn die Zahl der einschlägigen TV-Shows im deutschsprachigen Raum hat sich in den vergangenen zehn Jahren massiv verringert. 

Die Wirkungen auf den Menschen  

Laut Felix Thiesen wird der Schlager aufgrund unterschiedlicher Nutzungsmotive sehr gerne gehört. Zu den wichtigsten zählt hierbei vor allem die Stimmungsregulation. „Die oft einfachen emotionalen Muster des Schlagers machen es leicht, sich in eine gewünschte Stimmung zu versetzen. Tatsächlich ist diese sogenannte Emotionsregulation nicht nur für Schlager-Fans, sondern für die meisten MusikhörerInnen ein bedeutsames Nutzungsmotiv. Häufig schalten wir Musik an, wenn wir unsere Stimmung in eine bestimmte Richtung verändern wollen. Hinzu kommt, dass besonders die sogenannten Party-Schlager natürlich sehr bewusst gute Laune versprühen und zum Feiern animieren wollen.“ Dieser Behauptung schließt sich Andy Zahradnik an und betont, dass kein Musikgenre so stark emotionalisiere wie der Schlager. „Wenn Schlager zum richtigen Zeitpunkt die richtigen Themen trifft, dann werden unterschiedliche Emotionen bei den Menschen ausgelöst“, fügt er hinzu. Schlager kann allerdings nicht nur Freude und gute Laune bei den Leuten auslösen, sondern auch Trauer. Dies ist insbesondere der Fall, wenn sich die Menschen in den Texten der Schlagersongs wiederfinden können. Die Gründe für die diversen Auswirkungen sind zum einen die einfachen emotionalen Muster und zum anderen die Sprache. Die einheitliche Sprache kann speziell im deutschen Sprachraum leicht verstanden und unter Umständen auch besser nachvollzogen werden. Ein weiterer Grund sind die InterpretInnen, denn nicht nur die Melodie und der Text, sondern auch die jeweiligen Schlagerstars sind für die Wirkungen auf die Menschen verantwortlich. „Schlagerstars müssen zu ihren Liedern stehen und diese vertreten, denn dann wirken sich ihre Songs noch intensiver auf die Menschen aus“, so Andy Zahradnik.   

Andere Genres nehmen Einfluss auf den Schlager  

Auf die Frage, ob der Schlager nicht nur Menschen, sondern eventuell auch andere Musikgenres beeinflusse, antwortet Felix Thiesen mit einem klaren Nein. „Der Schlager hat die Eigenschaft, dass er offen für andere Einflüsse ist und Elemente sehr unterschiedlicher Musikgenres in sich aufnimmt – und das seit Jahrzehnten. So können heutzutage sowohl in der Komposition als auch in der Produktion bestimmte Teile von anderen Musikrichtungen vorgefunden werden“, erklärt der promovierte Musikpsychologe. Demnach werde der Schlager viel mehr von anderen Musikgenres beeinflusst als umgekehrt. Auch Zharadnik sieht, dass andere Musikrichtungen Einfluss auf das Genre nehmen. Er beschreibt die Musikwirtschaft als ein Geben sowie Nehmen und sagt: „Wenn man merkt, dass die Musik von Menschen gemocht wird und diese gut ankommt, dann bringt das auch automatisch NachahmerInnen mit sich.“ Da sich in den Charts vor allem Lieder mit Beats und schnellen Rhythmen befinden, sei es naheliegend, dass die heutigen Schlagerlieder ähnliche Elemente beinhalten. Besonders oft kann man heutzutage in diversen Schlagerliedern Reggaeton-Elemente und unterschiedlichen Entwicklungen aus der Popmusik vorfinden. „Obwohl sich die Schlagerszene stark inspirieren lässt, ist sie sehr lebendig und wird dies auch noch in Zukunft aufgrund neuer AkteurInnen sein“, hält Thiesen abschließend fest. Ob via Rustikal-Rock, Herzenswärme in Autotune oder Allgäuer Schlager-Rap – die Stadien werden wieder erklingen.  

 von Kathrin Plchot