Print in Bewegung: Videoinhalte von Tageszeitungen

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Österreichische Tageszeitungen satteln auf Bewegtbild um. SUMO sprach mit Vera Gasber, Videoredakteurin bei „Heute“ (nunmehr ARD), und Markus Leodolter, Leiter des Videoteams der „Kleinen Zeitung“ über Bewegtbildformate von Tageszeitungen.

Ist Print tot?

Fragt man sich angesichts sinkender Auflage- und Verkaufszahlen sowie der Umorientierung von Printmedien hin zu anderen journalistischen Darstellungsformen. Neun Minuten (2,8 % der gesamten Mediennutzungsdauer) werden pro Tag durchschnittlich von allen 14- bis 29-Jährigen ÖsterreicherInnenerübrigt, um sich Tageszeitungen zu widmen. Das geht aus einer 2017 publizierten Studie des Instituts für Markt- und Sozialanalysen (IMAS) hervor.Bewegtbildinhalte (inkl. klassischem Fernsehen, Video-on-Demand, etc.) kommen auf über 90 Prozent in derselben Alterskohorte, so eine Studie der RTR. Jene Prozentzahlen liegen auch in österreichischen Medienhäusern vor und sind mitunter Grund für die wachsende Anzahl an Videoinhaltenvon Tageszeitungen im Onlinebereich. Dass Menschen unter 30 nur schwer mit reinem Printangebot zu begeistern sind, ist zwar kein Geheimnis – dennoch bringt diese Entwicklung (fast alle) Mediengattungen in Zugzwang, vor allem aber Printprodukte.

 

Warum Print auf Videoinhalte setzt

Vor über zehn Jahren begannen Tageszeitungen wie etwa die steirische „Kleine Zeitung“ Videos einzubinden. 2007 startete die Produktion von Bewegtbildmaterial, mittlerweile ist das Team rund um Markus Leodolter ein wichtiger Bestandteil der Redaktion. „Wir haben erkannt, dass es Inhalte gibt, die als Video besser greifbar werden als durch Artikel mit Fotos“, erklärt Leodolter. Seit letztem Jahr gibt es in der Wiener Redaktion von „Heute“ mit Vera Gasber eine fix angestellte Videoredakteurin. Zudem liefert ein externer Kameramann der Tageszeitung seit mehreren Jahren regelmäßig Videobeiträge zu. Gemeinsam mitder „Krone“ und „W24“, mit welcher man in Videobelangen eine Partnerschaft pflegt, schickt man täglich ein Team zu aktuellen Ereignissen, das je nach Anlass vor Ort Livebilder liefert. Neben eigenproduzierten Videos bietet „Heute“ auch Videos von LeserreporterInnen an. Diese stellen „Heute“ Videos zur Verfügung und bilden einen wichtigen Bestandteil des Videoportfolios der Tageszeitung. Zudem ist ein Beweggrund für die Zunahme an Videoinhaltenein finanzieller. „Werbung ist ein wichtiges Schlagwort bei uns“, so Gasber.Werbeplätze könnten durch die höherwerdende Frequenz auf den Videoportalen sehr gut verkauft werden. Ähnlich sieht man das auch bei der „Kleinen Zeitung“: „Die Verweildauer, die durch das Rezipieren von Videos entsteht, ist in der Werbewirtschaft nicht unwesentlich“, ergänzt Leodolter.Zudem ermöglichen es Livestreams, aktuelle Themen zeitnah zu publizieren: „Reguläre Printprodukte haben gegenüber Video-Livestreams den Nachteil, nicht drei oder vier Sekunden, sondern Stunden zeitversetzt zu sein“, so der Videoredakteur. Die Antwort auf die Frage nach der Zielgruppe für Videoangebote ist eine einfache. „Zwar haben wir uns im Vorhinein kein Zielgruppenraster zurechtgelegt, aber natürlich sind die Menschen, die wir mit Videos erreichen, eher jung“, erklärt man seitens „Heute“. Dennoch hänge das Alter von RezipientInnen laut Leodolterstark vom Inhalt des Videos ab: „Wenn es um Politik geht, sieht das Durchschnittsalter anders aus, als bei Videos aus dem Chronikressort“.

 

Tag X

Am 18. Dezember 2017 wurde nicht nur die ÖVP-FPÖ-Regierung angelobt, sondern auch eines der im Dezember meist aufgerufenen eigenproduzierten Videos von „Heute“ gedreht. „Tag X war eines der stärksten Videos“, erinnert sich Gasber. AnTag X, der eine Regierungsbeteiligung der FPÖ bezeichnet, wurde in der Wiener Innenstadt eine Demonstration veranstaltet, die Gasber mit Mobile Reporting Equipment begleitete. Mit Mobile Reporting ist das Drehen und Schneiden mit dem Smartphone gemeint. Dazu passendes Equipment ist zum Beispiel ein leichtes Reisestativ, ein Smartphone mit Apps von speziellen Aufnahme- und Schnittprogrammen, externe Kameralinsen und Mikros.

Der Vorteil von Mobile Journalism liege in der Flexibilität und Aktualität – unabhängig von behäbigen Kameras zu agieren, kann einen wichtigen Vorsprung verschaffen.Weiters hat man den Vorteil, dass Smartphones für InterviewpartnerInnen ohne Medienerfahrung eine angenehmere Atmosphäre schaffe. „Smartphones wirken für die Befragten weniger bedrohlich als große Kameras. Die GesprächspartnerInnen können somit freier sprechen und das Interview ist authentischer“, zeigt Gasber auf.

Nichtsdestotrotz geht es in Bezug auf die Inhalte von Videosmeist mehr um das ‚Was’ als um das ‚Wie’.Zwar bereite man die unterschiedlichsten Geschehnisse aus den Ressorts als Video auf, es seien jedoch zum Großteil „Chronikgeschichten“, die bei ZuseherInnen gut ankämen, klärt Leodolter auf. Grund hierfür sind lokale Verankerungen: „Wenn etwas im Nachbarort passiert, ruft das mehr Interesse hervor als Nachrichten aus der Landeshauptstadt“. Bei der „Kleinen Zeitung“ seien das beispielsweise Videos von Autobergungen oder Berichte über Brände. Auch bei „Heute“ ist das Ressort Chronik eines der am besten funktionierenden –„genau das macht die Marke ‚Heute’ auch aus – lokal verankerte Nachrichten“, so Gasber. Videos, die aus dem Ressort Wirtschaft stammen seien bei RezipientInnen der „Kleinen Zeitung“ weniger beliebt. „Aber auch da gibt es gewisse Ausnahmen. Videos, die mit Reizwörtern wie ‚Tesla’ oder ‚Bitcoin’ in Zusammenhang stehen, werden gut von NutzerInnen angenommen. Eines hätten alle Videos laut Gasberaber gemeinsam: Das Ziel eine „ungefilterte Sichtweise zu transportieren“.

 

Planbarkeit und Spontanität

Doch wie werden Videoinhalte von Tageszeitungen produziert? Und auf welche Schwierigkeiten stößt man? Bei „Heute“ unterscheidet man bei der Videoproduktion zwischen Nachrichten, welche sofort oder zu einem späteren Zeitpunkt produziert werden müssen. „Mein Tagesablauf ist nur schwer planbar und oftmals spontan“, berichtet Gasber. Auch die „Kleine Zeitung“ ist mit dieser Schwierigkeit vertraut: „Da wir als lokale Tageszeitung einen Fokus auf dem Ressort Chronik haben, sehen wir uns zu einem gewissen Grad mit dem Problem der Planbarkeit konfrontiert. Kein Bankräuber oder Unfalllenker ruft im Vorhinein in der Redaktion an und gibt uns Bescheid“, spitztLeodolter zu. Daher versuche man durch an verschiedenen Orten positionierte VideoredakteurInnen dem Problem entgegenzuwirken und zumindest eine gewisse Strukturiertheit zu schaffen. Sowohl bei „Heute“ als auch bei der „Kleinen Zeitung“ findet man, abhängig von Termin und Relevanz der Geschichte, Teamgrößen von bis zu dreiRedakteurInnen vor.

 

Quo vadis, Print?

Ist die passendere Frage angesichts sinkender Auflage- und Verkaufszahlen sowie der Umorientierung von Printmedien hin zu anderen journalistischen Darstellungsformen. Medienkonvergenz kann Print bereichern, sofern man sich den Veränderungen die damit einhergehen auch adäquat stellt. Den ersten Schritt in Richtung Zukunft haben Tageszeitungen also schon getan – wohin es letztendlich geht, ist aber nicht in Stein gemeißelt. Eines ist aber sicher: Print ist nicht tot, es entwickelt bloß sich weiter.

 

Autorin: Anna Putz

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